Studie untersuchte Einfluss komplexer Traumata auf die psychische Gesundheit und die kognitiven Funktionen
21.08.2021 In einer im British Journal of Psychiatry veröffentlichten Studie des King’s College London wurde erstmals untersucht, ob verschiedene Arten von Traumata ein ähnlich hohes Risiko für spätere psychische Erkrankungen mit sich bringen.
Komplexes Trauma
In der Studie wurde die Vermutung untersucht, dass in jungen Jahren auftretende Traumata, die mit zwischenmenschlicher Gewalt einhergingen und sich wiederholten, eine besonders nachteilige Art von Trauma – das sogenannte komplexe Trauma – darstellen könnten.
Die Teilnehmer stammten aus der E-Risk-Studie, die die Entwicklung von 2.232 Kindern (geboren
1994-1995 in England und Wales) beobachtet. Sie wurden auf komplexe Traumata (z. B. wiederholte Kindesmisshandlung), andere nicht-komplexe Traumata (z. B. Autounfälle) sowie auf psychische Probleme und kognitive Funktionen im Alter von 18 Jahren untersucht.
Schwerwiegendere psychische Gesundheitsprobleme u. kognitive Beeinträchtigungen
Die Forscher fanden heraus, dass junge Menschen, die einem komplexen Trauma ausgesetzt waren, schwerwiegendere psychische Gesundheitsprobleme und kognitive Beeinträchtigungen aufwiesen, und zwar nicht nur im Vergleich zu Gleichaltrigen, die keinem Trauma ausgesetzt waren, sondern auch zu denen, die nicht-komplexen Traumata ausgesetzt waren. Diese Beeinträchtigungen betrafen mehrere psychische Störungen und kognitive Bereiche.
Die Forscher fanden auch heraus, dass mehrere frühkindliche Vulnerabilitäten, die im Alter von 5 Jahren erfasst wurden, spätere Exposition gegenüber komplexen Traumata vorhersagten, nicht aber gegenüber nicht-komplexen Traumata. Diese Anfälligkeiten erklärten auch weitgehend die Zusammenhänge zwischen komplexer Traumaexposition und kognitiven Beeinträchtigungen.
Anfälligkeit
Professor Andrea Danese vom King’s IoPPN, sagt, ihre Ergebnisse würden zeigen, dass nicht alle Schwierigkeiten, die Menschen mit einem komplexen Trauma erleben, notwendigerweise durch die Belastung verursacht werden. Die vorbestehenden Vulnerabilitäten, die das Risiko einer komplexen Traumaexposition erhöhen, scheinen auch für kognitive Beeinträchtigungen verantwortlich zu sein. Kliniker sollten daher kausale Annahmen in ihren Formulierungen vermeiden und darauf abzielen, in ihren Behandlungsplänen auf Anfälligkeiten einzugehen.
Dennoch stellten die Forscher fest, dass frühkindliche Anfälligkeit keine Erklärung für psychische Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit komplexen Traumata sind. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Merkmale des Traumas (wie z. B. die Schwere) oder Reaktionen auf das Trauma (wie z. B. Selbstbeschuldigung) zu psychischen Störungen führen könnten. Weitere Forschungsarbeiten, die zu einem besseren Verständnis dieser zugrundeliegenden Mechanismen führen, könnten die Entwicklung neuer, wirksamerer Interventionen für die psychischen Erkrankungen von Menschen, die einem komplexen Trauma ausgesetzt sind, unterstützen.
© psylex.de – Quellenangabe: The British Journal of Psychiatry (2021). DOI: 10.1192/bjp.2021.57