Autismus: Lernen, Lernmethoden

Wiederholendes Lernen ist nicht hilfreich für Autisten

13.10.2015 Eine aktuelle in Nature Neuroscience publizierte Studie legt nahe, dass die traditionelle Art zu lernen – das repetitive Lernen, der falsche Ansatz für Autisten ist.

Übertragung auf neuen Kontext

Neue Verhaltensweisen oder Fertigkeiten zu lernen, ist für Menschen mit Autismus-Spektrums-Störung oft eine Herausforderung, weil sie Schwierigkeiten haben, eine gelernte Fertigkeit oder Information auf einen neuen Kontext zu übertragen.

Zum Beispiel kann man Kindern mit Autismus beibringen, was ein Hund ist, indem man ihnen ein Bild eines Hundes zeigt und immer wieder das Wort „Hund“ wiederholt. Aber, wenn sie dann lernen sollen, was eine Katze ist, oder vielleicht sogar nur eine andere Hunderasse gezeigt wird, wird das vorherige Wissen nicht transferiert und sie müssen diese Information ganz neu lernen.

Repetitives Lernen kontraindiziert

Nun zeigt eine Studie unter Leitung der Carnegie Mellon University, dass repetitives (also dieses wiederholende) Lernen tatsächlich Autisten daran hindert, dieses Wissen auf andere Situationen anzuwenden.

Dieser Befund eines internationalen Forscherteams ist provozierend, da er die populären Bildungsansätze – mit Fokus auf Wiederholung und Drill – herausfordert, die für Menschen mit Autismus entwickelt wurden.

Transferierung des Wissens klappt nicht

An einem Monitor wurden hochfunktionalen Autisten und Kontrollteilnehmer trainiert, den Standort dreier diagonaler Striche umgeben von waagerechten Linien zu finden. Beide Gruppen sollten die diagonalen Striche identifizieren (über acht Tage fanden die Sitzungen statt); Geschwindigkeit und Genauigkeit wurden gemessen.

Die Striche blieben die ersten vier Tage am selben Standort und wurden an einen zweiten Ort auf dem Bildschirm an den Tagen fünf bis acht verschoben.

„Es war entscheidend, den Versuch auf diese Weise durchzuführen. Wir konnten so die anfängliche Lernfähigkeit der Autisten bei einer Standardaufgabe beobachten, aber dann auch die Schwierigkeiten dokumentieren, das Wissen zu übertragen, während die Aufgabe schwieriger wurde“, sagte Dov Sagi vom Weizmann Institute of Science.

Die Ergebnisse zeigten: Während der ersten vier Tage – mit den diagonalen Strichen am ersten Ort – war die Lernfähigkeit von Autisten und Kontrollteilnehmern gleich. Als sich der Standort der diagonalen Striche aber veränderte, gab es einen wesentlichen Unterschied. Die Kontrollgruppe lernte den neuen Standort einfach dazu und ihre Performance steigerte sich weiter.

Bei den Teilnehmern mit Autismus verschlechterte sich die Leistung als der Zielstandort sich veränderte und sie waren nicht in der Lage, ihre Leistung zu verbessern, was andeutet, dass sie keinen Vorteil aus dem Lernen des ersten Ortes erhielten.

Lerninterferenz

Noch interessanter ist: Sie waren nicht in der Lage, den zweiten Standort so gut wie den ersten zu lernen, was eine Interferenz beim Lernen demonstriert, die die Folgen umfangreicher Wiederholungen reflektieren könnte.

Es war, als ob sie eine ‚Hyperspezifität‘ zu lernen zeigten – ihr Lernen wurde fix und unflexibel, denn das Lernen des ersten Standortes beeinträchtigte ihr Fähigkeit, die zweite Instanz zu lernen, sagte Studienleiterin Hila Harris.

Umgehen der Hyperspezifität

Danach suchten die Forscher nach Wegen, die Hyperspezifität zu umgehen. Mit einer neuen Gruppe erwachsener Autisten und Kontrollpersonen führten sie den genau gleichen Versuch aus, aber dieses Mal ließen sie gelegentlich „Dummy“-Screens einblenden, die keine diagonalen Striche enthielten.

Als bei diesem Versuch der Ort der Striche am fünften Tag wechselte, lernte die Gruppe der Autisten effizient den neuen Standort.

Die Forscher schlossen: Das Aufbrechen der Wiederholung erlaubt dem visuellen System, sich zu erholen und den Autisten effizient zu lernen und dann zu verallgemeinern.

Wiederholte Stimulation führt zu sensorischer Anpassung, wodurch das Lernen gestört und die Lernfähigkeit auf die spezifischen Bedingungen beschränkt wird. Ohne die Anpassung ist Lernen effizienter und kann verallgemeinert werden, sagte Koautor David Heeger.

Wie Autisten lernen sollten

Menschen mit Autismus sollten auf eine Weise lernen, die die Verallgemeinerung unterstützt oder fördert, und nicht über Wiederholungen, die die Spezifität verstärken, sagten die Forscher.

„Zum Beispiel: Statt immer wieder einen bestimmten Hund zu zeigen, sollten Bilder vieler verschiedener Hunde – und auch von anderen Tieren im Allgemeinen – gezeigt werden, was eine Variabilität gleich zu Beginn beinhaltet und das Lernen eines umfassenderen Konzepts fördert statt eines spezifischen Beispiels.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Carnegie Mellon University, Nature Neuroscience; Okt. 2015

Kinder mit Autismus können neue Wörter genauso gut lernen; es kommt auf den ‚Blick‘ an

12.05.2016 In einer kleinen in der Zeitschrift International Journal of Language & Communication Disorders veröffentlichten Studie der Ohio State University verglichen Forscher den Lernerfolg von 15 Kindern mit Autismus im Alter zwischen 18 Monaten bis 7 Jahren mit dem von 15 Kindern ohne die Entwicklungsstörung.

Eine Reihe von Tests zeigte, dass sich beide Gruppen stark auf dieselbe Technik verließen, um neue Wörter zu lernen – sie folgten dem Blick des Lehrers, wenn der Lehrer einen Gegenstand benannte.

Die meisten Kinder mit Autismus haben Schwierigkeiten, Augenkontakt mit anderen Personen unter bestimmten Bedingungen herzustellen, sagten die Forscher. Also bemühten sich die Therapeuten, die autistischen Kinder zu ermuntern, Augenkontakt herzustellen.

Es wurden bereits große Anstrengungen unternommen, um diese Fähigkeit bei Kindern mit Autismus zu verbessern, sagte Allison Bean Ellawadi vom Autism & Child Language Learning Laboratory. Es ist eine zentrale Fähigkeit – in die Augen anderer Menschen zu schauen und deren Bewegungen zu verfolgen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass, wenn wir mit den Augen auf eine bedeutungsvolle Weise schauten, und ein konsequentes Muster benutzten, Kinder mit Autismus den ‚Blick‘ selbstständig ‚aufnahmen‘, und so erfolgreich neue Wörter lernten, sagte Ellawadi. Sie brauchten zeitlich etwas länger, erreichten aber ähnliche Erfolge beim Lernen neuer Wörter.

Die autistischen Kinder konnten den Augenbewegungen des Lehrers über 75 Prozent der Zeit folgen – im Vergleich zu 78 Prozent der Zeit bei den Kindern der Kontrollgruppe, zeigten die Studienergebnisse.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Ohio State University, International Journal of Language & Communication Disorders – DOI: 10.1111/1460-6984.12192; Mai 2016

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