Aus Angst vor negativen Folgen geben viele Menschen kein konstruktives Feedback, obwohl es gewünscht wird
25.03.2022 Laut einer von der American Psychological Association veröffentlichten Studie unterschätzen Menschen immer wieder den Wunsch anderer nach konstruktivem Feedback und geben es daher nicht, selbst wenn es die Leistung der anderen Person bei einer Aufgabe verbessern könnte.
Menschen haben oft die Möglichkeit, anderen ein konstruktives Feedback zu geben, das unmittelbar hilfreich sein könnte, sei es, dass sie jemanden vor einer Kundenpräsentation auf einen Tippfehler in seiner Präsentation hinweisen oder einen Bewerber vor einem Vorstellungsgespräch auf sein fleckiges Hemd aufmerksam machen, so die Hauptautorin Nicole Abi-Esber von der Harvard Business School. „Insgesamt haben unsere Untersuchungen ergeben, dass Menschen den Wunsch anderer nach Feedback durchweg unterschätzen, was sich für die Empfänger von Feedback nachteilig auswirken kann.“
Konstruktives Feedback ist für das Lernen und die Leistung von entscheidender Bedeutung, und die Forschung hat gezeigt, dass sich Menschen diese Art von Feedback häufig wünschen, so die Forscher. Doch obwohl sie sich selbst konstruktives Feedback wünschen, vermeiden sie es oft, es anderen zu geben. In einer von den Forschern durchgeführten Pilotstudie informierten nur 2,6 % der Teilnehmer einen Prüfer über einen sichtbaren Fleck im Gesicht (z. B. Schokolade, Lippenstift oder roter Marker) während einer Umfrage.
Die Studie wurde im Journal of Personality and Social Psychology der APA veröffentlicht.
Angst vor negativen Folgen
Frühere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen es vermeiden, Feedback zu geben, weil sie negative Folgen befürchten, z. B. dass die andere Person in Verlegenheit gerät oder sich aufregt. Abi-Esber und ihre Kollegen stellten die Theorie auf, dass es noch einen anderen Grund geben könnte, warum Menschen Feedback zurückhalten: Sie erkennen einfach nicht das Potenzial ihres Beitrags, die Ergebnisse anderer zu verbessern, was dazu führt, dass sie den Wunsch anderer nach einem solchen Feedback unterschätzen.
Die Experimente
Zur Überprüfung ihrer Theorie führten die Forscher fünf Experimente mit 1.984 Teilnehmern durch, um zu messen, wie sehr die Menschen den Wunsch anderer nach konstruktivem Feedback unterschätzen. In einem Experiment wurden den Teilnehmern 10 hypothetische unangenehme soziale Situationen am Arbeitsplatz präsentiert, in denen sie entweder konstruktives Feedback geben oder erhalten konnten. In einem anderen Experiment sollten sich die Teilnehmer an eine Situation erinnern, in der sie entweder konstruktives Feedback hätten geben oder erhalten können. Im letzten Experiment wurden die Teilnehmer gepaart, wobei einer eine Rede für einen Wettbewerb einübte und der andere zuhören und Feedback geben sollte.
Bedürfnis nach Feedback
In allen fünf Experimenten unterschätzten die Personen mit der Möglichkeit Feedback zu geben durchweg den Wunsch der potenziellen Feedback-Empfänger. Je folgenreicher das Feedback war (z. B. jemandem zu sagen, dass er seine Präsentationsfähigkeiten verbessern muss), desto wahrscheinlicher war es, dass die Teilnehmer das Bedürfnis des anderen nach Feedback unterschätzten und desto weniger wahrscheinlich war es, dass sie es gaben. In alltäglicheren, weniger folgenschweren Szenarien war der Unterschied geringer, z. B. wenn die andere Person Essensreste im Gesicht oder einen Riss in der Hose hatte.
Die Forscher waren überrascht, dass die einfache Intervention der Perspektivübernahme die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass jemand die Notwendigkeit eines Feedbacks erkennt und dieses gibt. Die einfache Aufforderung an die Teilnehmer, schnell zu überlegen: „Wenn Sie diese Person wären, würden Sie ein Feedback wünschen?“ half den Teilnehmern, den Wert des Feedbacks für die andere Person zu erkennen und die Kluft zwischen Geber und Empfänger zu schließen.
„Selbst wenn Sie zögern, Feedback zu geben, empfehlen wir Ihnen, es zu geben“, so Abi-Esber. „Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und stellen Sie sich vor, Sie wären an der Stelle der anderen Person und würden sich fragen, ob Sie an deren Stelle ein Feedback wünschen würden. Höchstwahrscheinlich würden Sie das tun, und diese Erkenntnis kann Sie dazu befähigen, Feedback zu geben“.
„Feedback ist der Schlüssel zu persönlichem Wachstum und Verbesserung, und es kann Probleme beheben, die den Empfänger sonst teuer zu stehen kommen“, sagte Mitautorin Francesca Gino. „Wenn Sie das nächste Mal hören, dass jemand ein Wort falsch ausspricht, einen Fleck auf dem Hemd hat oder einen Tippfehler auf der Folie hat, sollten Sie ihn/sie darauf hinweisen – er/sie will wahrscheinlich mehr Feedback, als Sie denken.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Journal of Personality and Social Psychology
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Proaktives Feedback – konstruktives wohlgemerkt, was offensichtliche und vom Empfangenden sehr wahrscheinlich nicht erkannte Verbesserungsmöglichkeiten benennt – wird nach gewisser Wiederholung gern als „Besserwisserei“ bezeichnet. Die beschriebenen Versuche haben keine ausreichende Anzahl an Feedback-Situationen, in denen 1 Person einem anderen mehrfach solches Feedback gibt.
Menschen mögen es nicht, zu oft auf Fehler hingewisen zu werden, auch wenn esihnen helfen würde. Entsprechend vosichtig sind Feedback-Geber. Da ihnen ein Feedback erstmal keinen eigenen Nutzen bringt, aber ein Risiko darstellt.
Ganz anders wird das, wenn ein eigener Ntzen erkennbar ist: wenn z. B. ein Team eine Präsentation machen soll, und ein Teammitlgied das andere auf das fleckige Hemd aufmerksam macht.
Proaktives Feedbac ohne eigenen Nutzen erfordert eine gewisse Selbstsicherheit und Frustttoleranz des Feedback-Gebenden.