Chronische Schmerzen: Risikofaktoren, Ursachen
Neurologische Erkrankungen / Störungen
News und Forschung zu Ursachen und Risikofaktoren
Wie chronische Schmerzen in Familien weitergegeben werden können
10.07.2016 Eine neue in in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlichte Studie der Universitäten Vanderbilt und Oregon Health & Science identifizierte mehrere Faktoren, die das Risiko erhöhen können, dass sich chronische Schmerzen von den Eltern auf die Kinder übertragen – inkl. durch Genetik, Effekte auf die frühe Entwicklung und soziales Lernen.
Konzeptionelles Modell der Übertragung
Die Forscherinnen Amanda L. Stone und Anna C. Wilson erschufen auf der Grundlage bisheriger Untersuchungen ein konzeptionelles Modell der Übertragung von chronischen Schmerzen – eines chronischen Schmerzsyndroms – innerhalb von Familien, einschließlich potenzieller Mechanismen und Einflussfaktoren.
Bild: kai stachowiak
Die Forscherinnen schreiben, ein solcher Rahmen betont die inhärente familiäre und generationsübergreifende Natur einer chronischen Schmerzstörung, wodurch Wege für neue Modelle der Behandlung und Prävention eröffnet werden, die familienzentriert sein und gefährdete Kinder einschließen könnten.
Studien haben gezeigt, dass der Nachwuchs von Eltern mit chronischer Schmerzkrankheit ein erhöhtes Risko für die Entwicklung von chronischen Schmerzen haben.
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Diese Erkenntnis kombiniert mit den bekannten Auswirkungen nachteiliger psychischer und körperlicher Gesundheitsfolgen in Verbindung mit einem chronischen Schmerzsysndrom, brachten Stein und Wilson dazu, ein „einheitliches Begriffsmodell“ zu entwickeln, um mögliche Erklärungen für dieses Risiko zu erforschen.
5 potentielle Risikofaktoren
Die Forscher identifizieren fünf „plausible Mechanismen“, die die Übertragung des chronischen Krankheitsrisikos vom Elternteil an das Kind erklären:
- Genetik: Kinder von Eltern mit chronischem Schmerzsyndrom könnten ein erhöhtes genetisches Risiko für sensorische sowie psychologische Komponenten des Schmerzes aufweisen. Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass genetische Faktoren für rund die Hälfte des Risikos für chronische Schmerzen bei Erwachsenen verantwortlich seien.
- Frühe neurobiologische Entwicklung: Ein Elternteil mit chronischer Schmerzstörung kann Merkmale und Funktionen des Nervensystems während kritischer Phasen in der frühen Entwicklung beeinflussen. Zum Beispiel kann die Entwicklung des Babys durch das Stress-Niveau der Mutter oder ein bestimmtes gesundheitsrelevantes Verhalten während und nach der Schwangerschaft beeinflusst werden.
- Schmerzspezifisches soziales Lernen: Kinder können „maladaptives (fehlangepasstes) Schmerzverhalten“ von ihren Eltern lernen, die durch bestimmte Verhaltensweisen dieses Verhalten verstärken können. Katastrophisierung – übertriebene Reaktionen und Sorgen bezüglich der Schmerzen – könnten ein Schlüsselfaktor sein.
- Generelle Erziehungs- und Gesundheitsverhalten: Das chronische Schmerzrisiko kann durch ein Erziehungsverhalten beeinflusst werden, das mit nachteiligen Konsequenzen beim Kind verbunden ist; zum Beispiel eine permissive (nachgiebige) Erziehung oder das Fehlen von Beständigkeit und Wärme. Das Niveau der körperlichen Aktivität (Sport, Bewegungsmangel) der Eltern und andere Gesundheitsgewohnheiten können auch eine Rolle spielen.
- Exposition gegenüber Stressoren: Es können nachteilige Effekte durch das Aufwachsen in stressenden mit chronischen Schmerzen verbundenen Umgebungen auftreten; z.B. finanzielle Probleme oder die Unfähigkeit der Eltern, tägliche Aufgaben zu erledigen.
Schmerz-Moderatoren
Das Modell identifiziert auch einige „Moderatoren“ (Vermittler), die ursächlich erklären können, wann und unter welchen Umständen Kinder in großer Gefahr für die Entwicklung von chronischen Schmerzen sind.
Diese sind:
- chronischer Schmerz beim anderen Elternteil;
- das Timing, der Verlauf, und die Stelle (Ort) des Schmerzes beim Elternteil und
- die Charakteristika der Kinder, einschließlich ihres persönlichen Temperaments.
Wechselwirkungen
Die entworfenen Mechanismen, Moderatoren und Anfälligkeiten wirken wahrscheinlich im Laufe der Zeit aufeinander ein und beeinflussen so die Entwicklung der chronischen Schmerzen und der verbundenen Folgen bei den Kindern von Eltern mit chronischem Schmerz, sagten Stein und Wilson.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Vanderbilt, Universität Oregon Health & Science, PAIN – DOI: 10.1097/j.pain.0000000000000637; Juli 2016