Besondere Orte lösen größeres psychisches Wohlbefinden aus als Andenken
16.10.2017 Dem Dichter Wystan Hugh Auden wird zugeschrieben, dass er das Wort „Topophilie“ geprägt hat, um eine starke psychologische bzw. emotionale Anziehungskraft für einen besonderen Ort zu beschreiben.
Eine neue psychologische Studie des National Trust in England untersuchte mit Hilfe von MRT-Scans diese erstmals beim französischen Philsophonen Gaston Bachelard aufgetauchte Idee einer besonderen Ortsliebe.
Ein Forscherteam der Universität Surrey hat herausgefunden, dass Menschen ein besonderes Gefühl des Wohlbefindens empfinden, wenn sie an einen Ort denken oder einen Ort besuchen, dem sie eine besondere Bedeutung beimessen.
Sie stellten auch fest, dass solche Gefühle stärker sind als die, die durch Objekte wie Trauringe oder Hochzeitsfotos hervorgerufen werden.
Die meisten wissen, dass der Besuch eines Ortes, der eine besondere Bedeutung hat, Emotionen hervorruft, aber was passiert im Gehirn, während es solche Gefühle hervorruft? Die Psychologen versuchten dies in einer dreistufigen Studie herauszufinden.
Im ersten Schritt sollten 20 Testpersonen in einer fMRT-Hirnscanner verschiedene Fotos anschauen. Sie wurden gebeten, 10 Fotografien von Objekten mitzubringen, die ihnen wichtig waren und 10 Fotografien von Orten, die für sie eine besondere Bedeutung hatten.
Die Forscher beobachteten dann, wie das Gehirn reagierte, während die Probanden sich die Bilder ansahen.
Amygdala, präfrontaler Cortex, Gyrus parahippocampalis
Die Wissenschaftler um Bertram Opiz berichten, dass es drei aktivierte Bereiche im Gehirn gab:
- die linke Amygdala, die bekanntlich eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt,
- der mediale präfrontale Cortex, der nachweislich eine wichtige Rolle bei Bewertungen spielt, ob etwas positiv oder negativ ist und
- der Gyrus parahippocampalis (s.a. parahippocampaler Cortex), der in früheren Studien auf persönlich relevante Orte reagiert hat.
In der zweiten Phase wurden 11 Freiwillige gebeten, an qualitativen Interviews teilzunehmen, sowohl zu Hause als auch an einem für sie bedeutsamen Ort. In der dritten Phase wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, an der 2.000 Personen teilnahmen.
Nach der Betrachtung aller Daten aus den drei Stadien berichteten die Neuropsychologen, dass das Gehirn stärker auf bedeutsame Orte reagierte als auf Objekte, die etwas Wichtiges repräsentieren.
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Starke emotionale Reaktionen
Der Besuch des Ortes, an dem jemand z. B. heiratete, löste eine emotionalere Reaktion aus, als das Anschauen der Bilder des Ereignisses oder des Trauringes.
Sie berichteten weiter, dass 64 Prozent der an der Studie beteiligten Personen berichteten, dass ihr besonderer Ort sie dazu brachte, sich ruhig und gelassen zu fühlen, während 54 Prozent berichteten, dass ihr geliebter Ort eine Verschnaufpause vom normalen Leben bot.
Die Lieblingsplätze weckten das Gefühl der Zugehörigkeit, der körperlichen und emotionalen Geborgenheit und eine starke innere Sogwirkung zum Ort.
Die Mehrheit der Befragten (86%) stimmte zu, dass „dieser Ort ein Teil von mir ist“, während 60% der Befragten meinten, dass „ich mich hier sicher fühle“ und 79% sagten, dass „ich wie von einer magnetischen Anziehungskraft hierher gezogen werde“.
Das Gegenteil von der Topophilie – der positiven psychologischen Ortsverbundenheit – ist übrigens die Topophobie – die Angst vor bestimmten Orten bzw. die negative psychische Ortsverbundenheit.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: National Trust; Universität Surrey; Okt. 2017
Dieses Gefühl kenne ich sehr gut. Ich bin aufgewachsen in einem Naturschutzgebiet, dessen Schönheit 1000fach gotographiert wurde. (Topophilie) Ich lebe dort. Leider wurde ich dort auch überfallen. Topophobie. Was passiert dann im Hirn?