Die Atmung (Gehirn, Psyche)

Die Atmung (Gehirn, Psyche)

Der Rhythmus der Atmung beeinflusst Gedächtnis und Angst

07.12.2016 Wissenschaftler der Northwestern Universität konnten zum ersten Mal demonstrieren, dass der Rythmus der Atmung die elektrische Aktivität im menschlichen Gehirn verändern kann, und so emotionale Urteile und den Gedächtnisabruf verbessern kann.

Diese Effekte des Atemrhythmus auf Psyche bzw. Gehirn hängen insbesondere davon ab, ob man ein- oder ausatmet, und ob man durch die Nase oder den Mund atmet.

Limbisches System, Amygdala, Hippocampus

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Bild: Oriana Oviedo

Eines der Hauptresulate der im Journal of Neuroscience veröffentlichten Studie war, dass es einen dramatischen Unterschied in der Gehirnaktivität in Amygdala und Hippocampus während des Einatmens im Vergleich zum Ausatmen gibt, sagte Studienautorin Christina Zelano. Wenn wir einatmen, dann stimulieren wir Neurone im olfaktorischem Cortex (Geruchskortex), in Amygdala und Hippocampus – dem gesamten limbischen System.

Die Wissenschaftler entdeckten zuerst diese Unterschiede in der Gehirnaktivität, als sie sieben Patienten mit Epilepsie untersuchten, die auf eine Gehirnoperation warteten.

Eine Woche vor der Operation implantierte ein Chirurg Elektroden in den Gehirnen der Patienten, um den Ursprung ihrer Krämpfe zu identifizieren. Das erlaubte den Wissenschaftlern, eleltrophysiologische Daten direkt aus ihren Gehirnen zu erhalten. Die registrierten elektrischen Signale zeigten, dass die Gehirnaktivität mit der Atmung fluktuierte. Diese schwankenden Gehirnaktivitäten konnten in Gehirnregionen festgestellt werden, in denen Emotionen, Gedächtnis und Gerüche verarbeitet werden.

Effekte auf kognitive Hirnfunktionen

Diese Entdeckung ließ die Wissenschaftler fragen, ob auch kognitive Funktionen, die normalerweise mit diesen Gehirnbereichen verbunden sind – insbesondere die Angst-Verarbeitung und das Gedächtnis – durch die Atmung beeinflusst werden könnten.

Die Amygdala ist stark mit der emotionalen Verarbeitung – besonders mit den Angst-verbundenen Gefühlen – verbunden. Deshalb baten die Forscher ungefähr 60 Freiwillige, schnelle Entscheidungen zu emotionalen Gesichtsausdrücken in einem Labor-Setting zu treffen, und zeichneten dabei den Rhythmus ihrer Atmung auf.

Den Teilnehmern wurden Bilder von Gesichtern präsentiert, die entweder Angst oder Überraschung zeigten, und sie sollten dann so schnell wie möglich angeben, welche Emotion jedes Gesicht ausdrückte.

Angst

Wurden die Gesichter während des Einatmens gezeigt, erkannten die Teilnehmer die ängstlichen Gesichter schneller als beim Ausatmen. Das traf bei überraschten Gesichtern nicht zu.

Diese Effekte verringerten sich, als die Teilnehmer die gleiche Aufgabe durchführten, während sie durch ihre Münder atmeten. Dieser psychische Effekt konnte also nur bei ängstlichen Stimuli während des Nasenatmens festgestellt werden.

Gedächtnis

In einem anderen auf das Gedächtnis (genauer Hippocampus) zielende Experiment wurde denselben Teilnehmern Bilder von Objekten auf einem Bildschirm zum Einprägen gezeigt. Später sollten sie diese Objekte aus dem Gedächtnis abrufen.

Die Forscher beobachteten, dass der Abruf der Informationen besser funktionierte, wenn die Bilder während des Einatmens gezeigt wurden.

Einfluss des Atemrhythmus auf die Gehirnfunktionen

Die Ergebnisse deuten an, dass eine schnelle Atmung einen Vorteil bieten kann, wenn jemand in einer gefährlichen Situation ist, sagte Zelano.

Wenn man panisch ist, wird der Atemrhythmus schneller, sagte sie. Infolgedessen wird man mehr Zeit mit dem Einatmen verbringen als in einer ruhigen psychischen Verfassung.

So könnte die angeborene biologische Reaktion des Körpers – bei Angst und Furcht schneller zu atmen – einen positiven Einfluss auf die Gehirnfunktionen haben und so zu schnelleren Reaktionen auf gefährliche Stimuli in der Umgebung führen, sagte Zelano.

Einen anderen potenziellen Einblick gewähren die Befunde in die grundlegenden Mechanismen der Meditation oder der fokussierten Atmung. Wenn man einatmet, synchronisiert man gewissermaßen die Gehirnschwingungen über das limbische Netz, bemerkte Zelano.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Northwestern Universität, Journal of Neuroscience; Dez. 2016

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