Widrigkeiten in der Kindheit und das Gehirn
Psychologie-Lexikon
Gewalt und Widrigkeiten im frühen Leben können das Gehirn verändern
19.01.2020 Widrigkeiten in der Kindheit ist ein bedeutendes Problem, insbesondere für Kinder, die in Armut aufwachsen. Vernachlässigte bzw. in Armut aufwachsende Kinder haben ein viel höheres Risiko für die Exposition gegenüber Gewalt und ihnen mangelt es oft an sozialer Unterstützung, was langfristige Folgen wie häufigeres Auftreten von Diabetes, Krebs und anderen Krankheiten haben kann.
Gehirnveränderungen
Teilnehmer einer Studie, die in der Kindheit Widrigkeiten (wie z.B. Kindesmissbrauch und -vernachlässigung, häusliche Gewalt, Mobbing, schwere Unfälle oder Verletzungen, Diskriminierung, extreme Armut und Gewalt in der Gemeinschaft) ausgesetzt waren, zeigten im Jugendalter mit höherer Wahrscheinlichkeit Gehirnveränderungen, die auf eine veränderte Reaktion auf Bedrohung hindeuten laut einer Studie von Christopher Monk und Leigh Goetschius von der Universität Michigan und Kollegen.
Soziale Unterstützung kann jedoch als Puffer wirken und die negativen Auswirkungen von Stress im frühen Kindesalter reduzieren.
Bild: Gerd Altmann
Die Forscher analysierten Daten von 177 Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren, die an einer Studie teilgenahmen, die seit der Geburt der Teilnehmer Daten gesammelt hatte. Rund 70 Prozent der untersuchten Teilnehmer waren Afroamerikaner und fast die Hälfte lebte unterhalb der Armutsgrenze.
Amygdala und präfrontaler Cortex
Die Forscher scannten die Gehirne der Teilnehmer mit MRT und konzentrierten sich dabei auf die Konnektivität der weißen Substanz zwischen mehreren Schlüsselbereichen: Amygdala, die bekanntermaßen eine Rolle bei der Angst- und Emotionsverarbeitung spielt, und bestimmte Regionen des präfrontalen Cortex (PFC).
Frühere Arbeiten dieses Forscherteams stellten bereits fest, dass eine reduzierte Konnektivität zwischen den beiden Hirnregionen mit einer erhöhten Reaktion durch die Amygdala auf Bedrohungen zusammenhängt.
Gewaltexposition und soziale Deprivation
Die Scans deuten auf einen Zusammenhang zwischen Gewaltexposition und sozialer Deprivation in der Kindheit hin. Erlebten die Kinder in der Studie mehr Gewalt (Missbrauch, Exposition gegenüber Gewalt durch den Intimpartner oder Gewalt in der Nachbarschaft) und soziale Deprivation (Vernachlässigung des Kindes, mangelnder Zusammenhalt in der Nachbarschaft und fehlende mütterliche Unterstützung), beobachteten die Forscher eine verringerte Konnektivität zwischen der Amygdala und dem PFC in der Adoleszenz.
Keine der beiden Variablen war von sich aus mit Veränderungen im Gehirn verbunden. Wenn ein Kind Gewalt erlebte, aber sozial unterstützt wurde, war die reduzierte Konnektivität nicht zu erkennen. Dasselbe galt, wenn ein Kind sozial vernachlässigt wurde, aber keine Gewalt erlebte.
Soziale Unterstützung als Puffer
Soziale Deprivation scheint die Auswirkungen von Gewaltexposition in der Kindheit zu verschlimmern, wenn es um diese Verbindungen der weißen Substanz geht. Soziale Unterstützung hingegen kann als Puffer wirken, sagte Monk.
Die Forscher waren überrascht, keinen Zusammenhang zwischen Veränderungen im Gehirn und psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen zu finden.
Da psychische Gesundheitsprobleme jedoch häufig beim Übergang von der Jugend in die 20er Jahre auftreten, planen sie, gemeinsam mit den Studienteilnehmern die psychische Gesundheit zu verfolgen und festzustellen, ob die Zusammenhänge zwischen Gewaltexposition, sozialer Deprivation und Veränderungen des Gehirns fortbestehen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: 58th Annual Meeting of The American College of Neuropsychopharmacology (ACNP) in Orlando
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