Gehirnjogging: Wirksamkeit, Wirkung (Psychologie)
Biologische Psychologie – Gehirnforschung
Verurteilung: Gehirnjogging-Spiel Lumosity macht falsche Versprechungen
06.01.2016 Lumos Labs, Hersteller des ‚Gehirntraining‘-Programms Lumosity, kam mit der Federal Trade Commission (FTC) in den USA überein, 2 Millionen Dollar für irreführende Anzeigen zu zahlen.
Lumos hatte behauptet, dass ihre Online-Spiele den Nutzern helfen können, leistungsfähiger auf der Arbeit und in der Schule zu sein, und kognitive Defizite bei schweren Erkrankungen wie Alzheimer-Krankheit, traumatischen Gehirnverletzungen und posttraumatischer Belastungsstörung zu reduzieren.
Bild: Gerd Altmann
Die $ 2 Millionen Zahlung wird verwendet, um Lumosity-Konsumenten zu entschädigen, die durch die falsche Werbung irregeführt wurden, sagte Michelle Rusk von der FTC in Washington, D.C.
Lumos Labs wurden eigentlich zu $ 50 Millionen verurteilt, aber sollen wegen ihrer finanziellen Situation nur 2 Millionen bezahlen. Die FTC senkt manchmal Geldstrafen je nach vorhandenen Vermögenswerten.
Fehlende Wirksamkeitsnachweise
Seit einiger Zeit hat die Behörde die sogenannten ‚Brain Games‘ Hersteller – allen voran Lumos Labs – beobachtet, vor allem diejenigen, die für sich in Anspruch nahmen, kognitive Defizite bei neurodegenerativen Erkrankungen lindern zu können. Sie analysierten die von Lumos Labs angeführte Studie zur angeblichen Wirksamkeit von Lumosity und kamen zu dem Schluss, dass es keine adäquat wissenschaftlich durchgeführte Studie ist.
Rusk sagte, dass man mit genug Spielpraxis besser bei diesen Spielen oder ähnlichen kognitiven Aufgaben werden kann. Es gibt aber keine Belege, dass diese Art des ‚Gehirn-Joggings‘ in der realen Welt wirklich zu Verbesserungen bei den Gehirnfunktionen führt.
Die FTC hat bereits mehrere andere Unternehmen wegen ebenso irreführenden Anzeigen bestraft, inkl. Focus Education, die sich auf Kinder spezialisiert haben, und Carrot Technology, die ein Übungsprogramm zur Verbesserung der Sehkraft anboten, und weitere werden wahrscheinlich folgen, sagte sie.
Die Website und mobilen Apps der Firma präsentieren mehr als 40 Spiele, die die kognitiven Fähigkeiten ‚in allen Lebensaspekten‘ verbessern sollen. Die Android-App des Unternehmens wurde mehr als 5 Millionen Mal heruntergeladen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Federal Trade Commission; Jan. 2016
Keine Belege dafür, dass ‚Gehirnjogging‘ die Kognition verbessert
12.05.2017 Eine neue in der Fachzeitschrift Frontiers in Aging Neuroscience veröffentlichte Studie belegt, dass das Training des Gehirns – auch als ‚Gehirnjogging‘ bezeichnet – ältere Menschen nicht vor Gedächtnisverlusten bewahren kann, und auch nicht das Denken verbessert.
Studienautor und Professor der Psychologie Dr. Neil Charness und Kollegen vom Fachbereich Psychologie der Florida State Universität untersuchten Produkte aus der Gehirnjogging- & Gedächtnistraining-Industrie.
Charness sagte, auch wenn immer mehr Leute glauben, solch ein Training sei hilfreich gegen Gedächtnisschwund oder kognitive Störungen, so zeigen frühere Studien und die aktuelle, dass es kaum Belege für diese Annahme gibt.
Herausforderungen an das Gehirn wie Kreuzworträtsel-Spiele sind ein populärer Ansatz – besonders unter den Baby-Boomern – ihr Denkvermögen zu bewahren, sagte Charness.
Bild: OpenClipartVectors
Braingame Mind Frontiers vs. Kreuzworträtsel, Zahlenrätsel
Die Psychologen konzentrierten sich in der aktuellen Studie auf ‚Braingames‘, die das Arbeitsgedächtnis verbessern sollen. Sie ließen eine Gruppe von Spielern ein speziell entworfenes Braingame namens ‚Mind Frontiers‘ spielen, während eine andere Gruppe Kreuzworträtsel oder Zahlenrätsel lösten.
Allen Spielern wurden viele Informationen gegeben, mit denen sie ‚jonglieren‘ mussten, um Probleme zu lösen. Die Wissenschaftler untersuchten, ob die Spiele das Arbeitsgedächtnis der Spieler verbesserten und folglich andere mentale Fähigkeiten, wie das Denken, das Gedächtnis, und die Verarbeitungsgeschwindigkeit verbesserten.
Wird das Arbeitsgedächtnis verbessert?
Dies ist die Theorie hinter vielen Gehirntrainingsprogrammen bzw. Spielen: Wenn das Arbeitsgedächtnis insgesamt verbessert wird – das wir tagtäglich oft benötigen und einsetzen – dann verbessert sich auch die Leistung auf vielen Gebieten im Leben.
Das Psychologen-Team untersuchte, ob eine Erhöhung des Arbeitsgedächtnisses zu einer besseren Leistung bei anderen Aufgaben übertragen wurde:
„Kurz gesagt, nein“, fassen die Wissenschaftler zusammen.
Keine Übertragung spezieller Fähigkeiten
Es ist möglich, das Gehirn von Menschen zu trainieren, sehr gut in Aufgaben zu werden, die man normalerweise dem allgemeinen Arbeitsgedächtnis zuweisen würde: z.B. das Merken bzw. Einprägen von 70, 80 oder sogar 100 Zahlen, sagte Charness.
Aber diese Fähigkeiten sind eher sehr speziell und zeigen keine große Übertragung auf andere Gedächtnis- und Denkfähigkeiten.
Was sich ältere Menschen insbesondere fragen sollten: Wenn ich sehr gut beim Kreuzworträtsel-Lösen werden, hilft mir das auch dabei, mich zu erinnern, wo ich meine Schlüssel liegengelassen habe? Und die Antwort ist wahrscheinlich:
nein, sagte der Psychologe.
Sport, Exer-Games
Aerobes Training, Sport – aber nicht Denksport – ist gut für das Gehirn. Körperliches Training kann wirklich vorteilhafte Strukturveränderungen im Gehirn verursachen und dessen Funktionen verbessern, sagte er.
Er sagt Exer-Games eine große Beliebtheit voraus: Spiele, die körperliches Training mit Gehirnjogging verbinden.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Florida State Universität, Frontiers in Aging Neuroscience – https://doi.org/10.3389/fnagi.2017.00041; April 2017
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