- Das ‚perfekte Selfie‘
- Das Selfie-Paradox
- Erhöhte Smartphone-Nutzung und Erstellen von Selfies: Zusammenhang mit geringerer Naturverbundenheit und größerer Ängstlichkeit
- Warum posten manche Frauen sexy Selfies von sich in den sozialen Netzwerken?
- Manipulation eigener Selfies und die Auswirkungen auf die Psyche
- News, Forschung dazu
Das ‚perfekte Selfie‘
Das ‚perfekte Selfie‘ für Frauen in Hinblick auf Attraktivität und wahrgenommene Schlankheit wird laut Psychologen der Universität Bamberg (2017) geschossen, wenn sie ihre linke Gesichtshälfte in die Kamera zeigen. Hilfsbereiter erscheinen sie bei in die Kamera gedrehter rechter Gesichtshälfte. Männer sollen sympathischer aussehen, wenn die rechte Gesichtshälfte abgelichtet wird.
Um einen Körper schlanker erscheinen zu lassen, sollte die Kamera leicht oberhalb positioniert werden.
Das Selfie-Paradox
Warum zeigen so viele Menschen gerne ihre eigenen Selfies, mögen aber die der Anderen nicht?
10.02.2017 Obwohl Selfies häufig gepostet werden, klaffen die Meinungen über sie doch weit auseinander: Einige sehen in ihnen kreative Entfaltungsmöglichkeiten und ein Weg, mit anderen Menschen Kontakt herzustellen; andere sehen sie narzisstisch, selbstdarstellerisch und nicht authentisch.
Die Psyche der Poster
Bild: Unsplash
Für die Psychologie sind die Selfies ein kulturelles zeitgenössisches Phänomen, das Hinweise über die Psyche der Poster liefert. Psychologen der Ludwig-Maximilians-Universität München haben eine Online-Befragung durchgeführt, um die Motive und Urteile zum Posten und Anschauen von Selfies zu erfassen.
Insgesamt 238 Menschen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland wurden befragt. 77 % der Teilnehmer machten häufig Selfies. Ein Grund dafür könnten die weit verbreiteten heute üblichen Strategien zur Selbstpräsentation – wie Eigenwerbung und Selbstdarstellung sein, sagte Studienautorin Sarah Diefenbach vom Fachbereich der Psychologie an der LMU.
Motivation
Schlüsselmotivationen scheinen zu sein:
- Das Selfie ist eine Art Selbstwerbung, um das Publikum über die eigenen positiven Eigenschaften in Kenntnis zu setzen, oder
- Selbstdarstellung, um private Momente mit dem Rest der Welt zu teilen und so (hoffentlich) Sympathie zu ergattern, sagte sie.
- Eine dritte Form der Selbstpräsentation wird als Untertreibung kategorisiert, bei der jemand sich und seine Leistungen und geistige Fähigkeiten als unwichtig darstellt.
Negative Folgen
Teilnehmer, die hoch auf bei „Selbstpromotion“ oder „Selbstdarstellung“ abschnitten, waren auch eher positiv gegenüber dem Posten von Selfies eingestellt – im Vergleich mit Teilnehmern, die hoch bei „Untertreibung“ punkteten.
Interessanterweise, so die Psychologin im Fachblatt Frontiers in Psychology, waren sich 62-67 % der potenziellen negativen Folgen von Selfies – wie den Einfluss auf die Selbstachtung – bewusst, trotzdem nahmen 77% der Befragten Selfies auf.
Diese negative Bewertung der Selfies wurde auch durch 82 % der Teilnehmer betont, die berichteten, dass sie lieber andere Arten von Fotos auf sozialen Medien ansähen als diese Form der Selbstdarstellung.
Ursache für das Selfie-Paradox
Warum sind dann Selfies so verbreitet? Dieses Phänomen nennt Diefenbach das ‚Selfie-Paradox‘: Viele Menschen posten häufig Selbstdarstellungen, doch die meisten scheinen sie nicht zu mögen. Der Schlüssel zum Paradox kann darin liegen, wie die Teilnehmer ihre eigenen Selfies im Vergleich zu denen der Anderen sehen.
Die Teilnehmer schrieben den Selfies der Anderen mehr selbstdarstellende Motive und weniger Echtheit (Authentizität) zu – im Vergleich zu denjenigen, die sie selbst aufnahmen und präsentierten, die sie auch eher als selbstironisch und authentischer beurteilten.
Das kann erklären, warum jeder von sich Selfies aufnimmt, ohne sich narzisstisch zu fühlen. Wenn die meisten Menschen so denken, dann ist es kein Wunder, dass die Welt voll mit Selfies ist, schloss Diefenbach.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Ludwig-Maximilians-Universität München, Frontiers in Psychology – DOI: 10.3389/fpsyg.2017.00007; Feb. 2017
Erhöhte Smartphone-Nutzung und Erstellen von Selfies: Zusammenhang mit geringerer Naturverbundenheit und größerer Ängstlichkeit
21.06.2018 Psychologen untersuchten, ob es eine Verbindung zwischen der Smartphone-Nutzung, der Anzahl der Selfies und der Naturverbundenheit gibt – und was dies für Gesundheit und psychisches Wohlbefinden bedeutet.
Dr. Miles Richardson und Dr. Zaheer Hussain vom Fachbereich Psychologie der Universität Derby und Kollegen stellten fest, dass eine größere Abhängigkeit von Smartphones mit einer geringeren Verbundenheit zur Natur und einer größeren Angst verbunden ist.
Die Studie analysierte die Daten von 244 Smartphone-Nutzern, überwiegend aus Großbritannien, in einem Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren (61 Prozent weiblich).
Angst, Naturverbundenheit, Smartphone-Nutzung
In einer Online-Umfrage wurden sie zu drei psychologischen Bereichen befragt, darunter Angst, problematische Smartphone-Nutzung und ob sie sich mit der Natur verbunden fühlten.
Außerdem wurden sie gefragt, wie viel Zeit sie mit ihren Smartphones verbrachten, und wie oft sie Selfies und Naturfotos machten.
Die Ergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwischen der Angst, der Zeit, die die Teilnehmer am Smartphone verbrachten, und der Anzahl der Selfies, die sie schossen.
Weniger Selfies – mehr Naturfotos
Teilnehmer mit einer höheren Naturverbundenheit hatten deutlich geringere Punktezahlen bei problematischem Smartphone-Gebrauch, verbrachten weniger Zeit täglich mit ihren Smartphones, schossen weniger Selfies und nahmen mehr Bilder von Motiven in der Natur auf.
Die 68 Personen, die den höchsten Wert für Naturverbundenheit hatten, wurden mit den 66 Personen, die den niedrigsten Wert hatten, verglichen. Die Teilnehmer mit der höchsten Naturverbundenheit (das oberste Quartil – die Top 25 Prozent):
- hatten einen erheblich niedrigeren Punktewert bei der problematischen Smartphone-Benutzung; sie nutzten es nur halb so häufig jeden Tag (2 Std. 9min verglichen mit 3 Std. 40min).
- Sie schossen 90% weniger Selfies – eines pro Woche im Vergleich zu 10.
- Sie machten zu 300% mehr Bilder von der Natur – acht pro Woche im Vergleich zu 2,6.
- Sie waren deutlich verträglicher, gewissenhafter und erfahrungsfreudiger.
Erhöhtes Egointeresse und eine gesteigerte Selbstbeweihräucherung
Das Machen von Selfies war daher ein wichtiger Prädiktor für eine geringere Naturverbundenheit, schreiben die Psychologen.
Dies kann auf ein erhöhtes Egointeresse und eine gesteigerte Selbstbeweihräucherung bei denjenigen zurückzuführen sein, die die meisten Selfies schossen, im Gegensatz zu den Merkmalen von Offenheit und Selbstreflexion, die eher ein Verständnis für das Miteinander in der natürlichen Welt und eine stärkere Verbundenheit mit der Natur vermitteln, schließen die Forscher.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Derby
Warum posten manche Frauen ’sexy Selfies‘ von sich in den sozialen Netzwerken?
10.09.2018 Laut einer im Fachblatt PNAS veröffentlichten psychologischen Forschungsarbeit treten Frauen durch diese Art von Selfies wirtschaftlich und sozial in den Wettbewerb – allerdings nur dann, wenn Frauen in der Gesellschaft ökonomisch nicht gleichgestellt sind.
Dr Khandis Blake von der Universität New South Wales und Kollegen untersuchten Beiträge in den sozialen Online-Medien in mehr als 100 Ländern.
Einkommensungleichheit statt Geschlechterungleichheit
Bild: Petr Kratochvil
Sie stellten dabei fest, dass Frauen tendenziell eher in Gesellschaften / Ländern, in denen Frauen wirtschaftlich benachteiligt waren, Zeit und Mühe in solche aufreizenden Selbstporträts investierten und nicht – wie Psychologen bislang überwiegend annahmen – „in Gesellschaften, in denen Männer mehr Macht besitzen oder die grundsätzliche Ungleichheit der Geschlechter weit verbreitet ist“, schreibt Blake.
Dies galt länderübergreifend und auch unter Berücksichtigung von möglichen Einflussfaktoren wie Bevölkerungsgröße, Gesellschaftsentwicklung und Internetzugang.
„Ob wir das gut oder schlecht finden, in unserer heutigen Gesellschaft“ kann ein attraktives Aussehen zu sozialem und wirtschaftlichem Erfolg führen, schreibt sie.
Dasselbe psychologische Muster konnten die Forscher auch in anderen Bereichen finden, „in denen Frauen bemüht waren, ihr äußeres Erscheinungsbild zu verbessern“.
Investitionen in den eigenen sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg
So konnten in vielen Wirtschaftszonen der USA z.B. Ausgaben („Investitionen“) in Schönheitssalons und Bekleidungsgeschäften durch ungerechte Verteilungen von Gehältern vorhergesagt werden, schreibt Blake.
Gehälterungleichheit schafft Konkurrenzdenken und Statusängste, sagt sie, wodurch den Menschen erst klar wird, auf welcher Stufe der sozialen Leiter sie sich befinden.
Gehälterungleichheit
Die Ungleichheit bei den Gehältern ist eine Vorhersagevariable für sexy Selfies, schreibt die Forscherin, und sie hält sie für einen Hinweismarker für sozioökonomischen Aufstieg bei Frauen, wodurch sich Folgerungen auf ökonomische Motivationen der Gesellschaft ziehen lassen.
„Wenn also eine junge Frau ihren Bikini provokant in das richtige Licht rückt, dann sehen Sie sie nicht als stumpfsinnig oder als Opfer der Umstände an. Erkennen Sie, dass sie eine strategische Mitspielerin in einem komplexen, sozialen und entwicklungsmäßigen Spiel ist. Sie versucht das, was sie aus ihrem Leben machen möchte, zu maximieren – so wie jeder andere auch“, schließt die Psychologin.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Journal Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) – doi.org/10.1073/pnas.1717959115
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