Narzissmus in den sozialen Netzwerken

Narzissmus: Soziale Netzwerke / Medien

Persönlichkeitspsychologie

Grandiose und vulnerable Narzissten auf den sozialen Netzwerken

11.07.2016 Eine im Fachblatt Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking veröffentlichte Studie der Universität Florenz untersuchte die Verbindung zwischen Narzissmus und dem Gebrauch des Internets, insbesondere unter den Nutzern, die häufig die sozialen Online-Netzwerke aufsuchen.

Problematische Nutzung sozialer Netzwerke

Die Forscherinnen untersuchten verschiedene Formen des Narzissmus auf eine mögliche Verbindung mit einem problematischen Gebrauch von sozialen Netzwerken (SN) im Internet einschließlich der ungeregelten Benutzung, die negative Folgen haben kann.

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Bild: Gerd Altmann

Die Wissenschaftlerinnen bemerken, dass SN-Seiten wie Facebook die ideale Umgebung für einige Narzissmus-Typen anbieten, sich darzustellen und die Bewunderung von anderen im großen Stil zu suchen.

In der Studie ‚Grandiose und vulnerable Narzissten: Wer besitzt das größere Risiko der Abhängigkeit vom Social Networking?‘ verglichen die Forscherinnen Silvia Casale, Giulia Fioravanti und Laura Rugai die mittleren Niveaus des problematischen Gebrauchs von SNs von grandiosen, vulnerablen und Nicht-Narzissten.

Vulnerabel-fragile Narzissten

Vulnerable Narzissten – die zu Unsicherheit und geringer Selbstachtung neigen; auch vulnerabel-fragil (verwundbar-schwach) genannt – zeigten sich in Online-Interaktionen tendentiell sicherer als in persönlichen Begegnungen.

Diese Wahrnehmung kann sie wiederum dazu bewegen, die sozialen Netzwerke als Medium zu bevorzugen, um Zustimmung und Bewunderung zu erringen.

Vulnerable Narzissten demonstrierten

  1. bedeutende höhere Werte auf allen GPIUS2-Subskalen und Gesamtwerte als Nicht-Narzissten und
  2. eine stärkere Vorliebe für soziale Online-Interaktionen, sowie insgesamt höhere Werte bei der problematischen Nutzung von SNs als grandiose Narzissten.

Grandiose Narzissten

Im Gegensatz dazu suchten sich grandiose Narzissten – die zu Arroganz und Exhibitionismus neigen; großspurig und im Umgang mit anderen bestimmt und dominant sind; Aufmerksamkeit und Bewunderung ist diesem Typ wichtiger als Zustimmung – mit größerer Wahrscheinlichkeit weniger über die sozialen Online-Kanäle dafür offener in der direkten Begegnung ihre Bewunderer.

Es konnten keine bedeutenden Unterschiede zwischen grandiosen Narzissten und Nicht-Narzissten gefunden werden.

Da Online-Interaktionen dazu neigen, indirekt auf die soziale Selbstachtung von Menschen zu wirken, ist es wichtig, sorgfältig auf komorbide Depression bei denjenigen zu suchen, die einen generellen problematischen Internetgebrauch zeigen, sagt der Artikel.

In der Studie analysierten die Forscher die Ergebnisse von 535 Studenten zu den Tests: 16-item Narcissistic Personality Inventory, Hypersensitive Narcissism Scale, Generalized Problematic Internet Use Scale-2 (GPIUS2).

Laut den Forscherinnen legen die Studienergebnisse nahe, dass vulnerabler Narzissmus deutlich eher zum problematischen Gebrauch von SNs beitragen kann als grandioser Narzissmus. (Eine Metastudie zur narzisstischen Selbstdarstellung in den sozialen Medien kommt zum gleichen Ergebnis.)

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Florenz, Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking – doi:10.1089/cyber.2016.0189; Juli 2016

Metaanalyse: Narzissmus in den sozialen Medien

11.04.2017 Eine (weitere) neue im Fachblatt Journal of Personality Analyse wertete 57 Studien mit 25.631 Personen zur Verbindung zwischen Narzissmus und dem Auftreten bei den sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter etc.).

Die Ergebnisse der psychologischen Studie demonstrieren einen leichten bis moderaten Zusammenhang zwischen einer spezifischen Narzzissmus-Form und den Socialmedia-Aktivitäten, wobei die Verbindung in bestimmten Fällen ausgeprägter ist.

Die Befunde im Besonderen:


Bild: Gerd Altmann

  • Großspurige bzw. grandiose Narzissten (unbeirrt, eigenwillig, exhibitionistisch, dickhäutig und phallisch) treten in den sozialen Medien häufiger auf als der ‚verletzliche‘ Typus (unsicher, überempfindlich, Tendenz zum Rückzug aus der Öffentlichkeit).
  • Je größer die Freundeszahl und die Anzahl der Selfies (unabhängig von Geschlecht und Alter), desto eher handelt es sich um jemanden mit einer narzisstischen Persönlichkeit.
  • Auch sind die Narzissten häufiger in ihrem sozialen Netzwerk anzutreffen als der normale Socialmedia-User.
  • Es gibt auch kulturelle Unterschiede: „In Ländern, in denen ausgeprägte soziale Hierarchien und eine ungleiche Machtverteilung im Durchschnitt eher akzeptiert werden, wie etwa Indien oder Malaysia, ist die Korrelation zwischen Narzissmus und dem Verhalten in sozialen Medien stärker ausgeprägt als in Ländern wie etwa Österreich oder den USA“, sagt Prof. Markus Appel von der Universität Würzburg.

Die Annahme der Wissenschaftler, dass die sozialen Netzwerke Narzissten die Möglichkeit fern der Öffentlichkeit bieten, aus einem starren Regelgrundgerüst in Kulturen auszubrechen, „in denen das Individuum weniger zählt als die Gemeinschaft oder in denen die Rollen eindeutig festgeschrieben sind“, konnte nicht bestätigt werden.

Henne oder Ei?

Auch die Frage, ob Facebook, Instagram, Twitter und Co. narzisstische Tendenzen eher fördern oder die Narzissten auf den sozialen Plattformen einfach eine optimale Bühne für die Selbstdarstellung suchen und finden, konnte die Studie nicht beantworten.

Appel und Dr. Timo Gnambs, Leiter des Arbeitsbereichs Educational Measurement am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, vermuten, „dass das Verhältnis von Narzissmus und dem Verhalten in sozialen Medien dem Muster einer sich selbst verstärkenden Spirale folgt“. Eine individuelle Anfälligkeit reguliere die Aktivitäten in den sozialen Medien, und diese wiederum verstärken die Disposition. Langfristigere Studien könnten dies vielleicht endgültig klären.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Journal of Personality – DOI: 10.1111/jopy.12305; April 2017

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