Das kriminelle Gehirn des Straftäters
Rechtspsychologie – Kriminalpsychologie
News / Forschung zum kriminellen Gehirn: Forschungsartikel, die sich mit der Anatomie, Gehirnveränderungen, Hirnschäden von Straftätern / Kriminellen beschäftigen.
Können Hirnläsionen kriminelles Verhalten begünstigen?
01.01.2018 Eine neue Studie entdeckte, dass Läsionen (Schäden, Verletzungen) in mehreren Hirnarealen von Straftätern – also kriminell auffälligen Personen – innerhalb eines bestimmten Gehirnnetzes liegen, das an der moralischen Entscheidungsfindung beteiligt ist.
Frühere Studien haben bereits zeigen können, dass die Gehirne einiger Krimineller Anomalien aufweisen, aber in den meisten Fällen ist es unklar, ob diese Anomalien Ursache, Wirkung oder einfach nur mit dem Auftreten kriminellen Handelns zusammenfallen.
Massenmord durch C. Whitman
Das Interesse an einer möglichen Verbindung zwischen Hirnläsionen und Kriminalität wurde besonders groß, nachdem Charles Whitman 1966 im Texas Tower einen Massenmord verübte. Er hatte sich über Kopfschmerzen und Persönlichkeitsveränderungen beklagt, bevor er 16 Menschen tötete und 31 weitere verwundete.
Es zeigte sich, dass er einen Tumor in seinem Gehirn hatte. Dies wirft die Frage auf, ob die Gehirnschäden zu seinem Verhalten beitrugen.
Straftäter mit frontotemporaler Demenz
Studienautor Dr. Richard Darby – Assistenzprofessor für Neurologie an der Vanderbilt Universität und Direktor der frontotemporalen Demenzklinik in Vanderbilt – begann sich persönlich dafür zu interessieren, wie neurologische Krankheiten zu kriminellem Verhalten führen könnten, nachdem er mit Straftätern mit frontotemporaler Demenz (auch Pick-Krankheit, Morbus Pick genannt) gearbeitet hatte, die oft gewaltlose kriminelle Aktivitäten als Folge ihrer Demenz begingen.
Um das Problem zu untersuchen, kartierten Studienautor Dr. Michael Fox, Darby und ihre Kollegen systematisch die Hirnschäden bei 17 Straftätern, die kriminelles Verhalten zeigten, nachdem – aber nicht bevor – die Läsionen aufgetreten waren.
Die Analysen ergaben, dass sich die Verletzungen in verschiedenen Hirnregionen befanden, sich aber alle auf ein gemeinsames – an der Entscheidungsfindung beteiligtem – Netzwerk bezogen. Das Netzwerk ist jedoch laut den Neurowissenschaftlern nicht mit Kognitionskontrolle oder Empathie verbunden.
Bild: Dieter G (pixabay)
Die Ergebnisse wurden durch Tests von 23 Fällen einer separaten Gruppe unterstützt, bei denen sich die Verbindung zwar andeutete aber nicht definitiv war.
Zusammenhänge noch nicht deutlich
Die Forscher betonen jedoch, dass nicht alle Personen mit Gehirnschäden innerhalb des in der Studie identifizierten Netzwerks Verbrechen begingen. Genetische, ökologische und soziale Faktoren dürften ebenfalls von Bedeutung sein.
„Wir kennen den prädiktiven Wert dieses Ansatzes noch nicht“, sagt Fox. Wenn zum Beispiel eine Hirnläsion außerhalb dieses Netzwerks liegt, bedeutet das dann, dass sie nichts mit kriminellem Verhalten zu tun hat? Ebensowenig kennen die Forscher den Prozentsatz der Patienten mit Läsionen in diesem Netzwerk, die Verbrechen begehen werden.
Die Ergebnisse können helfen zu verstehen, wie Hirnfunktionsstörungen zum kriminellen Verhalten beitragen können, was als wichtiger Schritt in Richtung Prävention oder gar Behandlung dienen kann, sagte Darby.
Rechtliche Implikationen
Allerdings kann uns das Vorhandensein einer Hirnläsion nicht sagen, ob wir jemanden für sein Verhalten rechtlich verantwortlich machen sollten oder nicht. Das ist letztlich eine Frage, die die Gesellschaft beantworten muss, schreiben die Neurologen.
Tatsächlich haben alle Ärzte, Neurowissenschaftler, Anwälte und Richter Probleme kriminelle Verhaltensweisen im Rahmen einer Hirnläsion zu bewerten.
Ist der Patient verantwortlich? Sollte solch ein Straftäter genauso bestraft werden wie Menschen ohne Gehirnschäden?
Unterscheidet sich kriminelles Verhalten von anderen Symptomen, die Patienten nach einer Hirnläsion wie Paralyse oder Sprachstörungen erleiden? Die Befunde beantworten diese Fragen nicht, unterstreichen jedoch deren Bedeutung, sagt Fox.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Vanderbilt Universität; PNAS – www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1706587115; Dez. 2017
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