Smartphonesucht: Sucht nach sozialen Kontakten?

Studie zeigt: Wir sind nicht süchtig nach dem Handy bzw. dem Smartphone, sondern nach der sozialen Interaktion, die sie ermöglichen

Smartphonesucht: Sucht nach sozialen Kontakten?

15.11.2023 Ein Forscherteam der Universität Granada (UGR) zeigt, dass wir nicht nach Mobiltelefonen „süchtig“ sind, sondern nach der sozialen Interaktion, die diese elektronischen Geräte bieten. Die in der Zeitschrift Psicothema veröffentlichte Studie belegt diese Theorie, die 2018 von Professor Samuel P.L. Veissière, Forscher an der McGill University in Montreal (Kanada), entwickelt wurde.

Zur Durchführung des Experiments arbeiteten die UGR-Wissenschaftler mit einer Stichprobe von 86 Probanden, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. „In einer der Gruppen (der Gruppe mit den sozialen Erwartungen) haben wir jeden Teilnehmer angewiesen, eine Nachricht über WhatsApp an seine aktivsten Kontakte zu senden und ihnen zu erklären, dass sie an einer spannenden Aufgabe in einem Virtual-Reality-Universum teilnehmen werden (in allen Fällen dieselbe Nachricht)“, erklärt Jorge López Puga, Forscher an der Abteilung für Persönlichkeit, Bewertung und psychologische Behandlung der UGR und Hauptautor der Studie.

Die andere Gruppe (die Kontrollgruppe) sollte diese „spannende“ Nachricht nicht an ihre Kontakte senden. „Als Nächstes baten wir beide Gruppen, ihre Benachrichtigungen auszuschalten und ihre Smartphones mit dem Display nach unten auf dem Tisch liegen zu lassen, während sie einer ungewöhnlichen Aktivität in einer Virtual-Reality-Umgebung nachgingen. Als die Interaktion mit der Virtual-Reality-Aufgabe beendet war, ließen wir die Teilnehmer untätig und ohne die Möglichkeit, ihre Telefone zu benutzen. Nach dieser Zeit des Nichtstuns erlaubten wir allen Teilnehmern, wieder WhatsApp zu benutzen“, so die Forscherin.

Angst

Während des gesamten Prozesses maßen die UGR-Wissenschaftler die elektrodermale Aktivität der Haut, ein Parameter, der als Indikator für die Aktivität unseres autonomen Nervensystems gilt, d.h. eine Art physiologisches Maß für Angst.

„Wir beobachteten, dass die Gruppe mit der sozialen Erwartung während des gesamten Experiments angespannter war. Wir fanden auch heraus, dass diese Gruppe ängstlicher wurde, als sie aufgefordert wurde, ihre Handys nicht mehr zu benutzen. Als sie ihre Mobiltelefone wieder benutzen durften, erlebte diese Gruppe ein viel höheres Maß an emotionaler Erregung“, sagt López Puga.

Die Ergebnisse zeigen, dass Smartphones nicht die Ursache für psychische Probleme sind, sondern dass die Art und Weise, wie und warum die Geräte benutzt werden, bestimmte psychische Probleme besser erklären kann.

© Psylex.de – Quellenangabe: DOI: 10.7334/psicothema2022.362

News zu Smartphonesucht: Sucht nach sozialen Kontakten

Ist die Smartphone-Abhängigkeit eine Sucht nach sozialen Kontakten?

16.02.2018 Sind Menschen, die alle paar Minuten ihr Smartphone anschalten, Kurznachrichten schreiben und überprüfen müssen, was ihre Freunde in den sozialen Medien machen, Smartphone-Süchtige? Zeigen sie dadurch antisoziales Verhalten oder sind sie eher hyper-sozial, und die Abhängigkeit vom Smartphone ist in Wirklichkeit nur der Ausdruck bzw. die Sucht nach sozialen Kontakten und sozialer Anerkennung?

Evolutionäre Psychologie

Der Professor für Anthropologie Samuel Veissière behauptet, dass der Wunsch, andere zu beobachten und zu überwachen, aber auch von anderen gesehen und überwacht zu werden, tief in unserer evolutionären Vergangenheit liegt.

Der Mensch hat sich zu einer einzigartigen sozialen Spezies entwickelt und benötigt ständigen Input von anderen, um einen Leitfaden für kulturell angemessenes Verhalten zu finden. Dies ist auch ein Weg für ihn, um Sinn, Ziele und Identität zu finden, sagt der Anthropologe.

Veissière und Moriah Stendel, Forscher vom Fachbereich Psychiatrie der McGill Universität veröffentlichten im Fachblatt Frontiers in Psychology ihre aktuelle Arbeit über die dysfunktionale Nutzung intelligenter Technologien betrachtet durch eine evolutionäre Linse und stellen fest, dass die süchtig machendsten Smartphone-Funktionen alle ein gemeinsames Merkmal haben: Alle diese Technologien benutzen den menschlichen Wunsch nach sozialen Kontakten.

Gesunde Bedürfnisse können ungesunde Süchte bilden

Während Smartphones ein normales und gesundes Bedürfnis nach sozialen Kontakten ermöglichen, können Tempo und Ausmaß der Hyper-Konnektivität das Belohnungssystem des Gehirns übersteuern, was zu ungesunden Abhängigkeiten führen kann, schreiben die Wissenschaftler.

mädchen guckt auf smartphone
Bild: Jan Vasek

In postindustriellen Umgebungen, in denen Lebensmittel reichlich vorhanden und leicht verfügbar sind, kann unser Verlangen nach Fett und Zucker, das durch ferne evolutionäre Zwänge geformt wird, leicht in einen unersättlichen ‘Overdrive’ übergehen und zu Fettleibigkeit, Diabetes, und Herzkrankheiten führen.

Ähnlich können die prosozialen Bedürfnisse und Belohnungen der Smartphone-Nutzung als Kommunikationsmittel übersteuert werden und ein manisches Theater der hypersozialen Kontrolle und Überwachung herstellen, schreiben die Autoren in ihrer Forschungsarbeit.

Die Panik in Bezug auf dieses Problem ist groß, sagt Veissière. Es sei aber unser Wunsch nach menschlicher Interaktion, was süchtig macht, und es gäbe ziemlich einfache Lösungen, um damit umzugehen, schreibt er.

Das Ausschalten von Push-Benachrichtigungen und das Einrichten geeigneter Zeiten, um das Smartphone zu überprüfen, kann langfristig wieder dafür sorgen, dass jemand die Kontrolle über die Sucht nach dem Smartphone wiedererlangt. Untersuchungen haben ergeben, dass Arbeitsplatzrichtlinien, die Abend- und Wochenend-E-Mails verbieten, ebenfalls wichtig sind.

Die richtige Nutzung von Smartphones

Anstatt die Technologieunternehmen oder die Nutzung dieser Geräte zu regulieren, müssen wir anfangen, ein Gespräch über die geeignete Art und Weise der Nutzung von Smartphones zu führen, sagt der Professor. Eltern und Lehrern muss bewusst gemacht werden, wie wichtig das ist.

Kontrolle über die Smartphone-Sucht

Schritte, die die Studienautoren zur Wiedererlangung der Kontrolle über die Smartphone-Sucht, empfehlen:

  • Entspannen Sie sich und erfreuen Sie sich an der Tatsache, dass Ihre Sucht einen normalen Drang widerspiegelt, Kontakte mit anderen zu pflegen!
  • Deaktivieren Sie Push-Benachrichtigungen und legen Sie geeignete Zeiten fest, an denen Sie Ihr Telefon gezielt überprüfen.
  • Erstellen Sie “vorsätzliche Protokolle” mit ihren sozialen Kontakten (Freunden, Familie und Arbeitskreisen), um klare Erwartungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Kommunikation zu stellen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: McGill Universität; Frontiers in Psychology; Feb. 2018

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