Können wir lernen, weiter vorauszudenken?

Expertise erhöht die Planungstiefe beim menschlichen Spiel

Können wir lernen, weiter vorauszudenken?

01.06.2023 Schachgroßmeister werden oft als Inbegriff für vorausschauendes Denken angesehen. Aber können auch andere mit ein wenig Übung lernen, weiter vorauszudenken?

Um dieser Frage nachzugehen, hat ein Team von Kognitionswissenschaftlern ein Computermodell entwickelt, das unsere Fähigkeit zur Planung zukünftiger Ereignisse aufzeigt. Die Arbeit verbessert unser Verständnis der Faktoren, die die Entscheidungsfindung beeinflussen, und zeigt, wie wir unsere Planungsfähigkeiten durch Übung verbessern können.

Die von Wissenschaftlern des Center for Neural Science der New York University durchgeführten und in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Rolle der „Planungstiefe“ – der Anzahl der Schritte, die eine Person bei der Entscheidungsfindung vorausdenkt.

„Während die künstliche Intelligenz beeindruckende Fortschritte bei der Lösung komplexer Planungsprobleme gemacht hat, weiß man viel weniger über die Art und Tiefe der Planung beim Menschen“, erklärt Wei Ji Ma, Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der NYU und Hauptautor der Studie. „Unsere Arbeit trägt zu diesem Wissen bei, indem sie zeigt, dass selbst relativ wenig Übung die Tiefe der Planung verbessern kann.“

Mehrere Schritte vorausplanen

Es ist seit langem bekannt, dass ein Merkmal der menschlichen Intelligenz die Fähigkeit ist, mehrere Schritte in die Zukunft zu planen. Es ist jedoch weniger klar, ob erfahrene Entscheidungsträger mehr Schritte in die Zukunft planen als Anfänger. Dies liegt daran, dass die Methoden zur Messung dieser Fähigkeit (z. B. Experimente mit Brettspielen) erhebliche Mängel aufweisen – unter anderem, weil sie die Planungstiefe nicht zuverlässig einschätzen.

Die Autoren des Nature-Artikels ließen die Teilnehmer ein relativ einfaches Spiel spielen – eine anspruchsvollere Version des Tic-Tac-Toe-Spiels -, bei dem die Spieler dennoch sehr genau planen mussten (d. h. mehrere Schritte im Voraus). Um genau zu verstehen, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht, wenn sie über ihren nächsten Zug in diesem Spiel nachdenken, entwickelten die Autoren ein Computermodell, das auf den Prinzipien der künstlichen Intelligenz basiert. Dieses Modell ermöglicht es ihnen, die Züge zu beschreiben und vorherzusagen, die Menschen in neuen Spielsituationen machen.

Entscheidungsbaum

„In diesem Computermodell bauen die Spieler einen ‚Entscheidungsbaum‘ in ihrem Kopf auf, so wie man mehrere mögliche Szenarien für eine komplexe Reiseroute planen würde“, erklärt Ma.

Ihre Berechnungen haben gezeigt, dass das menschliche Verhalten mit Hilfe eines kognitiven Computermodells erfasst werden kann, das auf einem heuristischen Suchalgorithmus basiert – einem Modell, das eine Abfolge vielversprechender Züge für beide Spieler entwirft.

Um das Modell zu validieren, führten die Forscher eine Reihe von Verhaltensexperimenten mit menschlichen Teilnehmern durch. Sie verfolgten insbesondere, wie die Spieler ihre Züge in verschiedenen Szenarien planten, und testeten gleichzeitig ihr Gedächtnis und ihre Fähigkeit, aus ihren Spielerfahrungen zu lernen und sie zu rekonstruieren.

Darüber hinaus führte das Team ein Turing-Test-Experiment durch, bei dem Beobachter, die das Spiel zuvor gespielt hatten, bestimmen sollten, ob die Zugfolgen vom Modell oder von menschlichen Spielern erzeugt wurden. Diese Beobachter waren nur in etwa der Hälfte der Fälle in der Lage, die richtige Unterscheidung zu treffen, was darauf hindeutet, dass das Modell ähnliche Entscheidungen trifft, wie ein Mensch sie treffen würde. Mehrere dieser Experimente können online auf der Website des Labors von Ma nachgespielt werden.

Planungsfähigkeit, durch Übung und Erfahrung

Insgesamt zeigten ihre Ergebnisse, dass eine bessere Planung auf der Fähigkeit beruht, Muster genauer und in kürzerer Zeit zu erkennen – Ergebnisse, die auf die Vorteile von Übung und Erfahrung hinweisen.

„Es ist bekannt, dass sich kognitive Fähigkeiten im Erwachsenenalter durch Übung verbessern können“, bemerkt Ma. „Diese Ergebnisse zeigen, dass selbst ein relativ bescheidenes Maß an Übung die Planungstiefe einer Person verbessern kann. Dies eröffnet neue Wege für die Forschung. Wir können diese Methoden zum Beispiel nutzen, um die Entwicklung von Planungsfähigkeiten bei Kindern zu untersuchen oder um zu testen, ob Planungsfähigkeiten im Alter erhalten bleiben können. Entscheidend ist natürlich auch, dass wir die Planung im Labor mit der Planung im realen Leben verbinden.“

© Psylex.de – Quellenangabe: Nature (2023). DOI: 10.1038/s41586-023-06124-2

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