Prospektiv gemessene Cortisolverläufe über dreißig Jahre der weiblichen Entwicklung nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit
17.01.2022 Sexueller Missbrauch in der Kindheit (SMK) kann zu Depressionen, Angstzuständen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Gesundheitsproblemen im späteren Leben führen. Nicht alle missbrauchten Kinder leiden jedoch unter diesen Problemen, und Forscher versuchen zu verstehen, wessen Gesundheit betroffen ist und warum.
In einem neuen in der Zeitschrift Psychoneuroendocrinology veröffentlichten Artikel untersuchte ein Forscherteam unter der Leitung von Dozenten des College of Health and Human Development der Penn State University, wie sich die Produktion des Stresshormons Cortisol bei einigen Frauen mit SMK von der Kindheit bis zum mittleren Alter unterscheidet.
Cortisol und Gesundheit
Cortisol ist ein Hormon, das bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels, des Stoffwechsels und der menschlichen „Kampf- oder Flucht“-Reaktion auf Stresssituationen hilft. Probleme mit dem Cortisolspiegel können zu Herzkrankheiten, erhöhtem Blutdruck, Angstzuständen, Verdauungsproblemen und einer gestörten Reaktion des Immunsystems führen.
Die Forscher analysierten Daten aus der Female Growth and Development Study, einer laufenden, jahrzehntelangen Studie mit Frauen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden. Die Frauen nehmen an regelmäßigen Datenerhebungen teil, bei denen auch ihr Cortisolspiegel gemessen wird.
Frühere Forschungen haben gezeigt, dass sich der Cortisolspiegel im Körper eines Menschen im Laufe seines Lebens verändert. In der Regel ist der Cortisolspiegel in der Kindheit niedrig, steigt bis zum frühen Erwachsenenalter an und sinkt dann allmählich bis ins hohe Alter. Traumata wie Missbrauch können jedoch den Cortisolspiegel eines Menschen während des gesamten Lebens beeinflussen.
Diese Untersuchung zeigte, dass einige Frauen mit SMK einen anderen Cortisolverlauf aufweisen. Bei diesen Frauen erreichten die Cortisolwerte in einem früheren Alter ihren Höhepunkt als bei anderen Frauen, und ihre Cortisolspitzenwerte waren niedriger. Diese Profile, die die Forscher als „abgestumpft“ bezeichnen, stehen mit vielen der oben genannten Gesundheitsprobleme in Zusammenhang.
Einbettung von Traumata und epigenetische Altersbeschleunigung
Die Forscher fanden heraus, dass Frauen mit SMK ‚abgestumpfte‘ Cortisolprofile entwickelten, wenn sie auch eine epigenetische Altersbeschleunigung erlebten.
Die epigenetische Altersbeschleunigung ist ein Maß dafür, wie gesund die Zellen eines Menschen sind. Die epigenetische Altersbeschleunigung ergibt sich aus der Veränderung der DNA-Methylierung im gesamten Genom und ist ein Maß für die biologische Alterung, die nicht auf die chronologische Alterung zurückzuführen ist.
Bei Frauen mit SMK und einer beschleunigten epigenetischen Alterung konnten gestörte Cortisolprofile beobachtet werden, nicht aber bei Frauen, die nur einen dieser Faktoren aufwiesen.
Resilienz gegenüber Traumata
Die Forscher sind der Ansicht, dass dieser Untersuchungsansatz letztlich zum Verständnis beitragen wird, warum manche Menschen Resilienz gegenüber dem Missbrauch zeigen, während andere negative gesundheitliche Folgen aufweisen.
Ein frühes Lebenstrauma kann den Alterungsprozess beschleunigen, sagte Felt. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig so. Viele Menschen, die missbraucht wurden, zeigen eine erstaunliche geistige und körperliche Widerstandsfähigkeit. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie in Zukunft die Geheimnisse der Resilienz entschlüsseln können, damit sie Maßnahmen entwickeln können, die Menschen nach einem Trauma bzw. Missbrauch auf den Weg zu einer guten Gesundheit bringen zu können.
© Psylex.de – Quellenangabe: Psychoneuroendocrinology (2021). DOI: 10.1016/j.psyneuen.2021.105606
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