Möchte ich das jetzt tun? Aufschieben von Aufgaben als Funktion des valenzgewichteten Bias
01.03.2024 Das Aufschieben einer lästigen Aufgabe scheint eine universelle Eigenschaft zu sein, aber neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, deren negative Einstellungen ihr Verhalten in einer Reihe von Situationen diktieren, eher dazu neigen, die Bewältigung der anstehenden Aufgabe aufzuschieben.
Valenz-gewichteter Bias
Der psychologische Begriff zur Beschreibung dieses mentalen Prozesses heißt Valenz-gewichteter Bias (valence weighting bias), der die Tendenz von Menschen beschreibt, sich an neue Umstände anzupassen, indem sie sich stärker auf ihre positiven oder negativen Einstellungen stützen – oder, im Zusammenhang mit dem Herangehen an eine unangenehme Aufgabe, darauf, ob negative oder positive innere „Signale“ das meiste Gewicht bei der Steuerung des endgültigen Verhaltens haben.
Valenz in der Psychologie bezieht sich auf die Wertigkeit eines Objekts, und wie der Mensch sein Verhalten je nach Valenz einer Situation oder möglichen Handlung anpasst oder verändert.
Der Valenzgewichtungsbias bezieht sich auf einen Prozess der Einstellungsverallgemeinerung, bei dem positive und negative Informationen integriert werden, um eine anfängliche Bewertung eines neuen Reizes zu erstellen. Dieser Bias beeinflusst, wie stark wir positive im Vergleich zu negativen Informationen gewichten.
Wer gewinnt diesen Kampf?
„Und die Frage ist, wer diesen Kampf gewinnt – wenn es tatsächlich Elemente sowohl der Positivität als auch der Negativität gibt“, so Russell Fazio, Hauptautor und Professor für Psychologie an der Ohio State University.
In einer Reihe von Studien fanden Fazio und der Erstautor Javier Granados Samayoa, ein ehemaliger Doktorand an der Ohio State University, einen Zusammenhang zwischen einer eher negativ ausgerichteten Einstellung und Prokrastination. Sie fanden auch heraus, dass es möglich ist, die Gewichtung von starken Zauderern in Richtung Neutralität zu verschieben und ihre Neigung umzukehren, eine Aufgabe aufzuschieben.
„Wir untersuchen die Berücksichtigung von positiven und negativen Aspekten bei der Entscheidungsfindung und wie die Valenz-gewichtete Verzerrung die Entscheidung beeinflusst“, sagte Granados Samayoa.
Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Personality and Individual Differences veröffentlicht.
Die Studien
In drei Studien konnten die Psychologen anhand von Verhaltensmessungen der Aufgabenaufschiebung zeigen, dass die Valenz-gewichtete Bias das Ausmaß vorhersagt, in dem Menschen den Beginn einer Aufgabe hinauszögern, insbesondere dann, wenn ihnen die Motivation und/oder die Gelegenheit (z.B. mentale Ressourcen) fehlt, ihre anfänglichen Einschätzungen von Situationen zu überdenken.
- Studie 1 ergab, dass Personen mit einem negativeren Gewichtungsbias die Abgabe einer Steuererklärung stärker hinauszögerten. D.h., Personen, deren negative Einstellungen stärker verallgemeinert sind, neigen in größerem Maße zu unnötigen Verzögerungen bei Aufgaben.
- In Studie 2 schoben Studenten mit einer negativeren Gewichtung stärker auf, als wenn sie im Rahmen eines Forschungsprogramms Kurspunkte verdienten, wobei dieser Zusammenhang bei Personen mit geringer Selbstkontrolle umso stärker war.
„Bei Menschen, die nicht so viel darüber nachdenken oder nicht so viel darüber nachdenken können, lenken ihre Valenzgewichtungstendenzen ihr Verhalten auf unkomplizierte Weise. Aber wenn jemand motivierter ist und mehr darüber nachdenken kann, kann das andere Überlegungen mit sich bringen, die den Einfluss der Valenzbewertungstendenz dämpfen“, sagt Granados Samayoa. - Studie 3 schließlich lieferte kausale Belege für diesen Zusammenhang: Innerhalb einer Stichprobe von Studenten, die wegen ihrer Prokrastination angeworben wurden, führte eine Verschiebung der Valenzgewichtungstendenzen der starken Prokrastinierer hin zu einem neutraleren, objektiv korrekten Punkt zu weniger Aufschub im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Forschungserfahrungsprogramm.
Eine negative Gewichtungsverzerrung kann auch positive Auswirkungen auf das Verhalten haben. Die Forscher haben auch Hinweise darauf gefunden, dass eine negative Gewichtungsverzerrung Menschen helfen kann, realistischer zu sein, wenn sie sich zum Beispiel fragen: „Habe ich genug für diesen Test gelernt?“ Ein positiver Gewichtungsfehler kann dazu führen, dass Menschen sich selbst davon überzeugen, dass sie bereit sind, obwohl sie es nicht sind.
„Es ist besser, objektiv ausgewogen zu sein, als sich in einem der beiden Extreme zu befinden“, sagte Fazio. „Aber die Situation, in der eine bestimmte Verzerrung der Valenzgewichtung wahrscheinlich problematisch ist, wird variieren.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Personality and Individual Differences (2023). DOI: 10.1016/j.paid.2023.112504