Einhaltung der Corona-Maßnahmen hängt stark vom sozialen Umfeld ab: Menschen tun es anderen gleich, auch wenn sie sich subjektiv davon keinen Vorteil versprechen
13.12.2021 Was motiviert Menschen während der Pandemie, häufiger Maske zu tragen, seltener das Haus zu verlassen und Abstand zu halten? Inwieweit hängt das Verhalten von eigenen Einschätzungen und vom Verhalten anderer ab?
Eine aktuell in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschienene Studie von Bernhard Kittel, Fabian Kalleitner und David Schiestl vom Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien zeigt unter anderem, dass Menschen dazu neigen die Regeln zu missachten, wenn viele andere im sozialen Umfeld das auch tun – selbst dann, wenn sie ein höheres Gesundheitsrisiko bei sich selbst wahrnehmen.
Anhand von Daten des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) analysierten die Forscher das Verhalten von insgesamt 2030 Befragten zwischen April 2020 und April 2021, also noch bevor die Impfung in Österreich allgemein zugänglich wurde. Dabei zeigte sich, dass die individuelle Bereitschaft, sich an Präventionsmaßnahmen wie Mobilitätsreduktion, Abstand halten und Masken tragen zu halten, vor allem von zwei Faktoren abhängt: von der persönlichen gesundheitlichen Risikowahrnehmung und von sozialen Normen, also der Wahrnehmung des Verhaltens anderer und des von anderen erwünschten Verhaltens.
Je höher die persönliche Risikowahrnehmung, desto eher ist man bereit, die präventiven Regeln zu befolgen. Aber eben nicht die eigene Gesundheit gibt den Hauptausschlag: Je öfter Menschen im sozialen Umfeld Regeln zur Prävention einhalten, desto öfter halten auch Menschen, die für sich selbst ein geringes Gesundheitsrisiko wahrnehmen, diese Regeln ein. Menschen tun es anderen gleich, auch wenn sie sich subjektiv davon keinen Vorteil versprechen.
Letzteres gilt aber auch im Umkehrschluss: Denn je weniger Menschen im sozialen Umfeld einer Person Präventionsregeln einhalten, desto seltener befolgt auch diese Person selbst die Regeln. Der soziale Druck auf sie steigt, diese Regeln zu missachten – sogar, wenn diese Person für sich selbst ein hohes Gesundheitsrisiko wahrnimmt.
Klare politische Botschaften sind entscheidend
„Es ist entscheidend, erwünschte Handlungsweisen politisch klar zu kommunizieren“, sagt Bernhard Kittel, Projektleiter des ACPP. Die Bedeutung des Schutzes der eigenen Person ist für diejenigen, die mit Covid-19 ein hohes Gesundheitsrisiko verbinden, selbstverständlich. Die Wichtigkeit von Fremdschutz hingegen, und hier vor allem der Schutz von fremden Personen in einem anonymen, oft öffentlichen Kontext, bedarf der Erklärung. Denn aufgrund von individuellen Wahrnehmungsverzerrungen und einseitigem Medieninteresse sind Personen, die von der Norm abweichend handeln, oft in der Öffentlichkeit präsenter und dadurch wird deren Anteil in der Bevölkerung oft überschätzt. Gedanken wie „außer mir trägt ohnehin niemand mehr eine Maske“ oder „ich bin hier die/der Einzige, die/der Abstand hält“ höhlen soziale Normen aus und können dazu führen, dass die Durchsetzung von präventiven Maßnahmen praktisch unmöglich gemacht wird.
Notwendigkeit der gesetzlichen Rückendeckung
Bernhard Kittel sieht daher die politische Unterstützung derjenigen Menschen, die sich um Einhaltung der Präventionsmaßnahmen bemühen, als Schlüssel zum Erfolg: „Ein Einzelner oder eine Einzelne kann sich in einem sozialen Umfeld, das die Maßnahmen ignoriert, nicht durchsetzen, sondern marginalisiert sich damit nur selbst. Es braucht eine gesetzliche Pflicht zur Einhaltung von Präventionsmaßnahmen, auf die man sich berufen kann, um eine Chance zu haben, Gehör zu finden. Die Verlagerung der Verantwortung für die Prävention in den privaten Bereich, wie sie im Sommer 2021 als Strategie von der Bundesregierung verfolgt wurde, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich im Herbst zu wenige Menschen an die Präventionsmaßnahmen gehalten haben – mit den bekannten Folgen.“
Originalpublikation: PlosOne: Peers for the Fearless: Social norms facilitate preventive behaviour when individuals perceive low COVID-19 health risks. Bernhard Kittel, Fabian Kalleitner & David W. Schiestl. PLOS ONE, December 2021. DOI: 10.1371/journal.pone.0260171
Quellenangabe: Pressemitteilung Universität Wien