Thematische Analyse und Verarbeitung natürlicher Sprache von Ärzten bei berufsbedingten Problemen im Vorfeld eines Suizids
30.06.2022 Burnout und Suizid bei Ärzten / Ärztinnen stellen ein wachsendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar: Einer von 15 Ärzten hat Suizidgedanken. Studien zeigen immer wieder, dass Ärzte vor einem Suizid mit größerer Wahrscheinlichkeit arbeitsbedingte Stressfaktoren erleben als Nichtmediziner. Die genaue Art dieser Stressoren war bislang jedoch unbekannt.
Um die beruflichen Stressfaktoren, die zum Suizid von Ärzten beitragen, besser zu verstehen und zu charakterisieren, untersuchten Forscher der UC San Diego Health die Todesfallberichte von 200 Arztsuiziden, die zwischen 2003 und 2018 in einer nationalen Datenbank erfasst wurden. Mithilfe von natürlicher Sprachverarbeitung und thematischer Analyse – Werkzeugen zur Extraktion und Interpretation von Daten aus den Berichten – konnte das Team die wichtigsten Faktoren identifizieren, die zu Arbeitsstress und Suizid bei Ärzten beitragen.
Einflussfaktoren
Die in Suicide and Life-Threatening Behavior veröffentlichte Studie fand sechs übergreifende Themen in den Berichten. Dazu gehörten
- Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Verschlechterung des körperlichen Gesundheitszustands,
- Substanzkonsum, der die Beschäftigung gefährdete,
- die Wechselwirkung zwischen psychischer Gesundheit und arbeitsbezogenen Problemen,
- Beziehungskonflikte, die sich auf die Arbeit auswirken,
- rechtliche Probleme und
- erhöhte finanzielle Belastung.
Kurz- und langfristige Problemlösungen
Die Autoren um Dr. Kristen Kim vom UC San Diego Health skizzierten mehrere kurz- und langfristige Lösungen, die die Gesundheitssysteme in Betracht ziehen sollten.
Kurzfristig sollte der Zugang von Ärzten zu Primärversorgungsdiensten verbessert, ihre Probleme bei der Terminplanung minimiert und ihre Bedenken hinsichtlich der Vertraulichkeit ausgeräumt werden. Kim ermutigte die Mitarbeiter des Gesundheitswesens, Ressourcen wie das HEAR-Programm (Healer Education Assessment and Referral) der UC San Diego zu nutzen, das Zugang zu vertraulicher psychologischer Beratung bietet.
Langfristig riefen die Autoren zu umfassenderen strukturellen und kulturellen Veränderungen auf, um Stress am Arbeitsplatz und schlechte Selbstfürsorge der Ärzte zu bekämpfen.
„Die unausgesprochene Kultur der Medizin ermutigt zu Selbstaufopferung, aufgeschobenen Bedürfnissen und aufgeschobenen Belohnungen“, so Kim. „Wir wollen unsere Patienten immer an die erste Stelle setzen, aber Mediziner können nicht optimal behandeln, wenn sie nicht selbst zuvor gesund sind.“
Die Autoren betonen, wie wichtig es ist, unter den Ärzten ein Gefühl der Sicherheit und der Gemeinschaft zu kultivieren. Sie schlugen außerdem vor, dass Gesundheitssysteme und medizinische Fakultäten zusätzliche Schulungen zu persönlichen Finanzen und rechtliche Unterstützung anbieten.
© Psylex.de – Quellenangabe: Suicide and Life-Threatening Behavior (2022). DOI: 10.1111/sltb.12896