Fühlen wir uns wohler allein oder in Gesellschaft anderer?

Die Entscheidung, mit anderen Menschen zusammen zu sein, hat größere Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden als die Entscheidung, allein zu sein

Fühlen wir uns wohler allein oder in Gesellschaft anderer?

05.03.2022 Genießen wir unsere Zeit mehr, wenn wir allein sind, oder wenn wir in der Gesellschaft anderer sind? Eine neue Studie von Forschern der Bar-Ilan-Universität in Israel hat ergeben, dass die Wahlmöglichkeit bei unseren täglichen sozialen Interaktionen eine Schlüsselrolle für unser psychisches Wohlbefinden spielt.

Stabile soziale Beziehungen sind dem Wohlbefinden zuträglich. Die Auswirkungen täglicher sozialer Interaktionen (oder der allein verbrachten Zeit) auf das momentane Glücksempfinden sind jedoch nicht gut erforscht.

Die aktuelle im Journal of Happiness Studies veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass die Entscheidung, mit anderen zusammen zu sein (oder allein zu sein), ein zentraler Faktor für unsere Gefühle in diesen Kontexten ist. Besonders wichtig in dieser Studie ist die Erkenntnis, dass die Entscheidung für ein Zusammensein mit anderen wichtiger ist als für ein Alleinsein, weil die Erfahrungen mit anderen intensiver zu sein scheinen – zumindest für diese Studienteilnehmer.

Die Forschung unter der Leitung von Dr. Liad Uziel vom Fachbereich Psychologie der Bar-Ilan-Universität und Dr. Tomer Schmidt-Barad umfasste zwei Studien: ein Experiment, bei dem der soziale Kontext und der Entscheidungsstatus manipuliert wurden, und eine zehntägige Erfahrungsstichprobenstudie, bei der diese Variablen in realen Situationen untersucht wurden.

Die Studie

An der Erfahrungsstichprobenstudie nahmen 155 Studenten teil. Jeder Teilnehmer berichtete an zehn aufeinanderfolgenden Tagen dreimal täglich über episodische soziale Erfahrungen. Bei jeder „Stichprobe“ wurden die Teilnehmer gebeten, über ihren sozialen Status (allein/mit anderen Personen) zu berichten, darüber, ob sie sich freiwillig oder unfreiwillig in dieser Situation befanden, und über ihre Gefühle (positive oder negative Emotionen, Zufriedenheit, Gefühl der Bedeutung und Gefühl der Kontrolle).

Insgesamt gingen mehr als 4.200 episodische Berichte ein. Davon waren die Personen 60 % der Zeit mit anderen zusammen und 40 % der Zeit allein. In 64 % der Fälle befanden sie sich freiwillig in diesen Situationen, in 36 % der Fälle nicht. Das bedeutet, dass die Studenten etwa ein Drittel ihrer Tageszeit in nicht selbst gewählten sozialen (oder alleinigen) Situationen verbrachten.

Zufriedenheit / Wohlbefinden hängen von Wahlmöglichkeit ab

Die Teilnehmer empfanden mehr Zufriedenheit (Glück) in der Gesellschaft anderer als im Alleinsein. Allerdings gab es große Unterschiede in der Erfahrung des Zusammenseins mit anderen. Am größten war das Zufriedenheitsgefühl, wenn sie sich freiwillig in der Gesellschaft anderer befanden, am geringsten jedoch, wenn sie sich nicht freiwillig in der Gesellschaft anderer befanden. Die Auswirkungen des Alleinseins auf das Zufriedenheitsempfinden variierten ebenfalls je nach Wahlstatus, jedoch in geringerem Maße.

In einer früheren Studie stellte Dr. Uziel fest, dass soziale Situationen die Emotionen verstärken, während das Alleinsein mit ruhigeren Emotionen und einem entspannteren Gesamterlebnis verbunden war. Die aktuelle Studie erweitert diese Schlussfolgerungen, indem sie die Erfahrungen der Menschen im wirklichen Leben, außerhalb des Labors, untersuchte und das Element der Wahl als wichtigen moderierenden Faktor berücksichtigte, erklärt Dr. Uziel. „In beiden Fällen sind die sozialen Erfahrungen intensiver, im Guten wie im Schlechten“.

Dr. Uziel sagt, dass die Wahlmöglichkeit oder sogar das subjektive Gefühl der Wahlmöglichkeit ein entscheidender Faktor ist, der das psychische Wohlbefinden beeinflusst. Menschen fühlen sich besser, wenn sie freiwillig allein sind, als wenn sie unfreiwillig mit anderen zusammen sind. Die freiwillige Gesellschaft anderer kann jedoch am meisten zur Verbesserung des Wohlbefindens in einem bestimmten Moment beitragen, schließt er.

© Psylex.de – Quellenangabe: Journal of Happiness Studies (2022). DOI: 10.1007/s10902-022-00506-5

Beiträge zu “Fühlen wir uns wohler allein oder in Gesellschaft anderer?”

  1. Ich kann diese Erfahrungen nur bestätigen. Während des Lockdowns musste mein Mann im HomeOffice arbeiten, das war für uns beide ein Segen. Jetzt muss er wieder in die Arbeit fahren, und wir beide sind nicht glücklich damit. Auch haben wir beide seitdem Schlafstörungen. Mir geht es gesundheitlich schlechter, und ich empfinde das unfreiwillige Alleinsein, als starken psychischen Stress, der offenbar auch meine Zuckerwerte beeinflusst.

  2. Das deckt sich sehr mit meinen Erfahrungen. Ich bin gezwungen in vollen Zügen zu sitzen, ich bin gezwungen mit Menschen auf Arbeit zu interagieren. Ich habe keine Wahl (und suche dann umso mehr mein geschätztes Alleinsein). Habe ich aber die Wahl, aus freien Stücken, mit z.b. mir lieben Menschen in Kontakt zu treten, genieße ich das sehe. Der Lockdown war für mich tatsächlich ein Segen.

Was denken Sie darüber? Oder haben Sie Erfahrungen damit gemacht?


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