Verarbeitung traumatischer Erinnerungen im Schlaf führt zu Veränderungen im Gehirn, die mit einer Verbesserung der PTBS-Symptome einhergehen
08.08.2024 In einer neuen Studie zeigen Wissenschaftler, dass die Reaktivierung therapeutisch veränderter Erinnerungen während des Schlafs zu mehr Gehirnaktivität im Zusammenhang mit der Gedächtnisverarbeitung führt, was mit einer Verringerung der PTBS-Symptome einhergeht.
„Unser Ziel ist es, den Schlaf als neues Behandlungsfenster für PTBS zu erschließen“, sagt Hein van Marle, einer der Hauptautoren der Studie und Studienleiter am Amsterdam University Medical Center. „Dies ist der erste Konzeptnachweis für die potenzielle Verstärkung der Behandlungseffekte am Tag während des Schlafs.“
Gezielte Gedächtnisreaktivierung
Frühere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass, wenn jemand in Gegenwart eines experimentell verabreichten Geräuschs oder Geruchs eine neue Erinnerung bildet, die Fähigkeit, diese Erinnerung nach dem Aufwachen wieder abzurufen, verbessert werden kann, wenn er dem Geräusch oder dem Duft ausgesetzt ist, während er schläft. Diese Technik der Gedächtnisverbesserung wird als gezielte Gedächtnisreaktivierung (TMR, targeted memory reactivation) bezeichnet.
Im Rahmen des Experiments von Van Marle führte das Team bei 33 PTBS-Patienten zunächst eine EMDR-Sitzung mit einem Standard-Klickgeräusch im Hintergrund am Abend durch.
Nachts zeichneten die Forscher die Gehirnströme dieser Patienten auf, während sie im Labor schliefen. Bei 17 der Patienten führte das Team eine TMR durch, indem es das Klickgeräusch, das während der früheren EMDR-Sitzung verwendet wurde, im Schlaf erneut abspielte, um die Speicherung des EMDR-Behandlungsgedächtnisses zu verstärken und die PTBS-Symptome zu lindern.
Sie fanden heraus, dass die Patienten, die das Geräusch während des Schlafs hörten, höhere Gehirnwellenaktivitäten aufwiesen, die mit der Gedächtnisverarbeitung und -konsolidierung in Zusammenhang stehen, als die Teilnehmer, die während des Schlafs keine Klickgeräusche hörten.
Behandlungsergebnisse
In der TMR-Gruppe waren diese induzierten Veränderungen der Hirnwellenaktivität mit einer stärkeren Verringerung der PTBS-Symptome verbunden. Darüber hinaus stellte das Team fest, dass die TMR-Patienten seltener dazu neigten, ihre traumatischen Erinnerungen zu vermeiden – ein Schlüsselsymptom der PTBS -, wenn sie einen Audioclip hörten, in dem das traumatische Ereignis nacherzählt wurde.
Die Forscher stellten jedoch keine Verbesserung der PTBS-Symptome bei den Patienten fest, die TMR erhielten, im Vergleich zu denen, die nur EMDR bekamen.
„Während der TMR-Stimulation in der Nacht konnten wir feststellen, dass die EMDR-Klicks die für die Gedächtniskonsolidierung verantwortliche Schlafphysiologie wirksam verbesserten, wobei eine stärkere Verbesserung zu einer deutlicheren Verringerung der Symptome führte. Die Stimulation während unseres Experiments reichte jedoch nicht aus, um Unterschiede bei den meisten klinischen Ergebnissen zu bewirken, was zum Teil daran lag, dass die EMDR-Sitzung bereits recht effektiv war“, sagt Van Marle.
In einem Folgeexperiment, das im Herbst dieses Jahres beginnen soll, plant das Team, die TMR-Behandlung in fünf aufeinanderfolgenden Nächten durchzuführen. Die Forscher wollen herausfinden, ob wiederholte TMR eine größere Wirkung auf die Verringerung der PTBS-Symptome haben wird.
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„Die Schlaf- und Gedächtnisforschung hat die TMR bei PTBS-Patienten nur zurückhaltend eingesetzt. Wir sind wirklich froh, dass die TMR keine negativen Auswirkungen auf diese Patienten hat“, sagt van Marle. Keiner der Patienten berichtete nach der TMR über mehr Alpträume oder einen schlechteren Schlaf. „Das bestärkt uns darin, die TMR in unserer künftigen Arbeit häufiger anzuwenden“, sagt er.
Viele psychiatrische Störungen, wie Phobien, Angststörungen und Sucht, hängen auch mit maladaptiven Erinnerungen zusammen. Van Marle hofft, dass diese Arbeit die künftige Forschung inspirieren kann, um die positiven Auswirkungen der TMR bei der Behandlung anderer Erkrankungen zu erforschen.
© Psylex.de – Quellenangabe: Current Biology (2024). DOI: 10.1016/j.cub.2024.07.019
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