Hangry im Feldversuch: Eine Studie über die Auswirkungen von Hunger auf Wut, Reizbarkeit und Affekt
07.07.2022 Eine neue wissenschaftliche Studie hat herausgefunden, dass Hunger uns wirklich „hangry“ machen kann, wobei Emotionen wie Wut und Gereiztheit stark mit Hunger verbunden sind.
Die in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichte Studie untersuchte, wie Hunger die Emotionen der Menschen auf einer alltäglichen Ebene beeinflusst.
Hangry
„Hangry“, ein Kofferwort aus „hungry“ (hungrig) und „angry“ (wütend), ist in der englischen Alltagssprache weit verbreitet, aber das Phänomen wurde von der Wissenschaft außerhalb von Laborumgebungen noch nicht umfassend untersucht.
Die neue von Wissenschaftlern der Anglia Ruskin University (ARU) im Vereinigten Königreich und der Karl Landsteiner Universität für Gesundheitswissenschaften in Österreich durchgeführte Studie ergab, dass Hunger mit einem höheren Maß an Ärger/Wut und Reizbarkeit sowie einem geringeren Maß an Freude verbunden ist.
Die Studie
Die Forscher rekrutierten 64 erwachsene Teilnehmer aus Mitteleuropa, die über einen Zeitraum von 21 Tagen ihr Hungergefühl und verschiedene Werte des emotionalen Wohlbefindens aufzeichneten.
Die Teilnehmer sollten fünfmal täglich ihre Gefühle und ihr Hungergefühl über eine Smartphone-App angeben, so dass die Datenerfassung in der alltäglichen Umgebung der Teilnehmer, z. B. am Arbeitsplatz und zu Hause, stattfinden konnte.
Hunger mit stärkeren Gefühlen von Ärger und Reizbarkeit verbunden
Die Ergebnisse zeigen, dass Hunger mit stärkeren Gefühlen von Ärger und Reizbarkeit sowie einer geringeren Bewertung von Freude verbunden ist, und die Auswirkungen waren erheblich, selbst nach Berücksichtigung demografischer Faktoren wie Alter und Geschlecht, Body-Mass-Index, Ernährungsverhalten und individueller Persönlichkeitsmerkmale.
Hunger wurde mit 37 % der Varianz bei der Reizbarkeit, 34 % der Varianz bei der Wut und 38 % der Varianz bei der Freude der Teilnehmer in Verbindung gebracht. Die Untersuchung ergab auch, dass die negativen Emotionen – Reizbarkeit, Wut und Unlust – sowohl durch tägliche Schwankungen des Hungers als auch durch die über den dreiwöchigen Zeitraum gemessenen Residualwerte des Hungers verursacht werden.
Hauptautor Viren Swami, Professor für Sozialpsychologie an der Anglia Ruskin University (ARU), sagte: „Viele von uns sind sich bewusst, dass Hunger unsere Gefühle beeinflussen kann, aber erstaunlich wenig wissenschaftliche Forschung hat sich auf das „Hangry“-Gefühl konzentriert.
Wichtig für Emotionsregulation
„Obwohl unsere Studie keine Möglichkeiten aufzeigt, negative, durch Hunger ausgelöste Emotionen zu lindern, legt die Forschung nahe, dass die Fähigkeit zur Benennung einer Emotionen den Menschen helfen kann, sie zu regulieren, z. B. indem wir erkennen, dass wir uns wütend fühlen, nur weil wir hungrig sind. Ein größeres Bewusstsein für das Gefühl Hangry könnte daher die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Hunger bei Menschen zu negativen Emotionen und Verhaltensweisen führt“.
Der Feldversuch wurde von Stefan Stieger, Professor für Psychologie an der Karl Landsteiner Universität für Gesundheitswissenschaften, durchgeführt. Stieger sagte: „Dieser ‚Hangry‘-Effekt wurde bisher noch nicht im Detail analysiert, daher haben wir einen feldbasierten Ansatz gewählt, bei dem die Teilnehmer auf Aufforderungen zum Ausfüllen kurzer Umfragen über eine App reagieren sollten. Diese Aufforderungen wurden ihnen über einen Zeitraum von drei Wochen fünfmal am Tag zu halb zufälligen Zeitpunkten zugesandt“.
Auf diese Weise konnten die Psychologen intensive Längsschnittdaten generieren, die mit traditioneller laborgestützter Forschung nicht möglich ist. Obwohl dieser Ansatz einen hohen Aufwand erfordert – nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für die Forscher bei der Konzeption solcher Studien, bieten die Ergebnisse im Vergleich zu Laborstudien ein hohes Maß an Verallgemeinerbarkeit und vermitteln ein viel vollständigeres Bild davon, wie Menschen die emotionalen Folgen von Hunger in ihrem Alltag erleben, erklärt Stieger.
© Psylex.de – Quellenangabe: PLOS ONE – https://doi.org/10.1371/journal.pone.0269629