Die neuronale Signatur des Entscheidungswerts von zukünftigen Schmerzen
21.07.2022 Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich immer wieder entscheiden zwischen dem, was Ihnen Spaß macht, und den Schmerzen, die Sie dadurch möglicherweise erleiden, sei es körperlich oder psychisch.
Wenn Sie mit Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder chronischen Schmerzen leben, sind Sie wahrscheinlich damit vertraut, täglich oder wöchentlich diese schwierigen Entscheidungen zu treffen. Erstaunlich wenig ist jedoch darüber bekannt, welche Bereiche des Gehirns an derartigen Entscheidungen beteiligt sind.
In einem kürzlich in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences erschienenen Artikel zeigen Forscher der McGill University, dass das ventrale Striatum eine entscheidende Rolle spielt, wenn es um die Entscheidung zwischen zukünftigen Schmerzen und zukünftigem Gewinn/Profit geht. Interessanterweise wurde diese Hirnregion bereits mit Motivation und Belohnungen in Verbindung gebracht, aber bisher nicht mit Schmerzen. Diese Entdeckung könnte die Behandlung einer Reihe von Erkrankungen, die durch übermäßige Vermeidung gekennzeichnet sind, voranbringen.
Um zu ermitteln, welche Hirnregionen bei Entscheidungen über künftige Schmerzen und Belohnungen aktiviert werden, sollten die Studienteilnehmer in kürzester Zeit Entscheidungen treffen, bei denen sie ein bestimmtes (zufälliges) Maß an Schmerz gegen ein bestimmtes (zufälliges) Maß an Belohnung eintauschen mussten – oder umgekehrt.
Dem Gehirn bei der Entscheidungsfindung zusehen
Während die Teilnehmer wiederholt (in 100 Versuchen) zwischen aufeinanderfolgenden Schmerz- oder Geldangeboten wählen sollten, beobachteten die Forscher mit Hilfe von Gehirnscans die Gehirnaktivitäten. Sie entdeckten, dass zwar viele verschiedene Hirnregionen mit zukünftigen Schmerz- oder Geldangeboten in Verbindung gebracht wurden, dass aber eine bestimmte Region, das ventrale Striatum, systematisch in Abhängigkeit von zukünftigen Schmerzen oder Belohnungen aktiviert oder deaktiviert wurde.
Mit Hilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens waren die Forscher in der Lage, Muster der Gehirnaktivität zu erkennen, die es ihnen nicht nur ermöglichten, die Höhe der angebotenen Schmerzen und Belohnungen vorherzusagen, sondern auch, ob die Teilnehmer diese Angebote annehmen oder ablehnen würden. Sie sahen dem Gehirn dabei zu, wie es Entscheidungen zwischen zukünftigen Schmerzen und Profit traf.
„Es war fast so, als ob man einen Dimmschalter sieht, der sich nach oben oder unten bewegt, je nachdem, ob Schmerz oder Profit angeboten wurde“, sagt Mathieu Roy, außerordentlicher Professor an der psychologischen Fakultät von McGill und Hauptautor der Studie.
„Wir fanden heraus, dass die Aktivität im ventralen Striatum erwartungsgemäß zunahm, wenn Geld angeboten wurde. Interessant war jedoch, dass die Aktivität in demselben Bereich des Gehirns im Verhältnis zu den angebotenen Schmerzen abnahm. Dies deutet darauf hin, dass es im ventralen Striatum eine gemeinsame Repräsentation von Schmerz und Profit gibt, quasi eine gemeinsame Währung für Entscheidungen, bei denen man die beiden vergleichen muss.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Proceedings of the National Academy of Sciences (2022). DOI: 10.1073/pnas.2119931119