Tagträumen (Psyche, Psychologie, Gehirn)

Tagträumen (Psyche, Psychologie, Gehirn)

Schlafforschung – Traumforschung

Psychologie des Tagträumens: News und Forschungsartikel, die sich mit dem Erfahren, Wahrnehmen des Träumens mit offenen Augen beschäftigen.

Richtig Tagträumen, wenn Sie etwas vergessen wollen

Haben Sie jemals sich dabei ertappt, mit offenen Augen zu träumen, und hinterher Schwierigkeiten gehabt, sich daran zu erinnern, was Sie taten bevor Sie träumten?

Gedächtnisverlust ist größer, wenn Geist weiter weg driftet

Wenn die Antwort ‚Ja‘ ist, dann ist das normal. Eine Forschungsstudie hat herausgefunden, das der Gedächtnisverlust größer ist, wenn Ihr Geist weiter weg driftet – zu Erinnerungen an einen Übersee-Urlaub anstatt einer heimatlichen Reise zum Beispiel, oder zu einer Erinnerung in der entfernteren Vergangenheit.

Kontext ist wichtig beim Erinnern

Psychologen wissen schon seit einer Weile, dass der Kontext wichtig ist beim Erinnern. Wenn Sie den Ort, wo eine Erinnerung gemacht wurde – seinen Kontext verlassen, wird es für Sie schwerer sein, das Erinnerte zurückzurufen.

Erinnerungen blockieren

Frühere Studien hatten auch festgestellt, dass wenn man über etwas Anderes mit offenen Augen nachdenkt oder träumend die Gedanken fliessen lässt, den Zugang zu Erinnerungen an die jüngere Vergangenheit blockiert.

In der neuen Studie wollten psychologische Wissenschaftler herausfinden, ob der Inhalt Ihrer Tagträume Ihre Fähigkeit beeinflusst, auf eine vor kurzem erworbene Erinnerung zuzugreifen.

Für einen Versuch sah sich jeder Teilnehmer eine Liste von Wörtern an, während sie auf einem Computerbildschirm einzeln erschienen. Dann wurden sie aufgefordert, entweder an ihr Zuhause – wo sie diesen Morgen gewesen waren oder an das Haus ihrer Eltern, wo sie seit einigen Wochen nicht gewesen waren, zu denken.

Danach wurde dem Teilnehmer eine zweite Liste von Wörtern gezeigt. Am Ende des Tests sollten sie sich an so viele Wörter der zwei Listen erinnern wie möglich.

Bessere Erinnerung bei zeitlicher Nähe

Teilnehmer, die über den Ort nachgedacht hatten, wo sie erst einige Stunden zuvor gewesen waren, erinnerten sich an mehr Wörter von der ersten Liste als Teilnehmer, die mehrere Wochen zurückgedacht hatten.

Schlechtere Erinnerung bei räumlicher Ferne

Dasselbe traf zu auf Erinnerungen hinsichtlich des Urlaubsortes, getestet in einem zweiten Versuch. Jene, die an einen Urlaub innerhalb der USA dachten, erinnerten sich an mehr Wörter als jene, die an einen Urlaub im Ausland dachten.

Die Studie wurde in Psychological Science herausgegeben.

Wenn Sie etwas vergessen wollen

Eine praktische Anwendung der Forschung könnte sein, wenn jemand was vergessen möchte.

„Wenn es etwas gibt, worüber Sie nicht nachdenken möchten, schaffen sie dies besser, wenn Sie sich an ein entfernteres Ereignis zurückerinnern, als bei einem nahen Ereignis – so können Sie versuchen, es für eine Weile aus Ihren Gedanken zu verbannen“, sagte Peter F. Delaney von der Universität von North Carolina in Greensboro.

„Es kann Ihnen dabei helfen, sich so zu fühlen, als ob Sie in einer anderen Situation sind“.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Association for Psychological Science, Juli 2010

Tagträume können Wahrnehmung verbessern

25.02.2015 Sich wiederholende, eintönige Aufgaben führen oft zu umherwandernden Gedanken. Dieses Tagträumen wird häufig als Disziplinlosigkeit oder als Performance-beeinträchtigendes Verhalten gesehen, doch Tagträumen kann einen kognitiven Nutzen haben.

Forscher der Bar-Ilan Universität in Israel demonstrierten, dass ein externer Reiz von niedriger Elektrizität die Art wie wir denken buchstäblich verändern kann.

Tagträume durch externe Stimuli

Sie fanden heraus, dass der durch transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) produzierte Stimulus einen messbaren Aufwärtstrend in der Rate hervorrief, mit der Tagträume oder spontane, selbstgesteuerte Gedanken und Assoziationen auftraten.

Sie machten dabei eine weitere überraschende Entdeckung: Während Tagträume eine willkommene „geistige Flucht“ vor langweiligen Aufgaben bieten, haben sie auch einen positiven, simultanen Effekt auf die Aufgabenperformance.

In Proceedings of the National Academy of Sciences schreiben die Forscher, dass ihre Studie als erste zeigen würde, dass ein mit der Sinneswahrnehmung nicht zusammenhängender generischer externer Reiz eine spezifische Art kognitiver Aktivität auslöst.

Spontane Gedanken im Frontallappen

In dem Experiment von Prof. Moshe Bar und Dr. Vadim Axelrod wurden bestimmte Gehirnregionen der Freiwilligen mit tDCS stimuliert, während sie verschiedene Aufmerksamkeitsübungen am Bildschirm erledigen sollten. Dabei wurden sie zuweilen gefragt, in welchem Ausmaß sie grade spontane Gedanken hatten, die nichts mit den Aufgaben zu tun hatten.

Die Forscher stimulierten bei diesem Versuch – zur Kontrolle – den occipitalen Cortex (das visuelle Verarbeitungszentrum am Hinterkopf) und den Frontallappen, welcher in vorherigen Versuchen mit dem Tagträumen deutlich in Verbindung gebracht werden konnte. Außerdem findet sich hier das exekutive Kontrollnetzwerk, das zur Organisation und Planung verantwortlich ist, sagte Bar, der eine Verbindung zwischen diesen beiden Funktionen vermutete.

Während die Zahl selbstberichteter Vorfälle wandernder Gedanken sich nicht veränderte, wenn der Hinterkopf stimuliert wurde oder nicht mit dem tDCS stimuliert wurde (weitere Kontrolle), nahmen sie beträchtlich zu, wenn der Stirnlappen gereizt wurde. Verantwortlich für die Tagträume ist also der Frontallappen.

Keine Störung durch Träumen mit offenen Augen

Überraschenderweise demonstrierte die vorliegende Studie, dass das durch die Stimulation verstärkt tagträumende Gehirn nicht bei seinen Aufgaben gestört wurde. Die umherwandernden Gedanken verhalfen sogar zu einer verbesserten psychologischen Performance.

Bar glaubt, dass dieses überraschende Ergebnis durch die Konvergenz dieser beiden Mechanismen innerhalb einer einzigen Gehirnregion herrühren könnte: der gedankenkontrollierende Exekutivfunktion und der „gedankenbefreienden“ Aktivität des Tagträumens mit offenen Augen.

Während weithin angenommen wird, dass der Mensch nur eine begrenzte Aufmerksamkeit hat, sagte Bar, legt die vorliegende Studie eine kompliziertere Natur dieser psychischen Vorgänge nahe.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Bar-Ilan Universität, Proceedings of the National Academy of Sciences; Feb. 2015

Die überlappenden Netzwerke im Gehirn beim gewollten Tagträumen

11.04.2017 Ist das Abschweifen der Gedanken bloß ein Aussetzer in der Aufmerksamkeit? Eine im Fachblatt NeuroImage widmete sich dieser psychologischen und neurologischen Fragestellung.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Universität York untersuchten die Gehirnaktivitäten beim (gezielten) Tagträumen.

Gezieltes Tagträumen

Die Wissenschaftler unterschieden in ihrer Studie zwischen dem unwillkürlichen, spontanen Tagträumen und dem Abschweifen der Gedanken, dem eine bewusste Entscheidung zugrunde liegt. Bei der gezielten Variante kann es zum Beispiel um das absichtliche Durchspielen von vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Problemen bzw. Situationen gehen.

Dazu haben sie die Teilnehmer zunächst auf ihr Tagtraum-Erleben befragt und anschließend mit MRT die Aktivitäten im Gehirn untersucht.

Verdickung präfrontaler Gehirnbereiche

Die Neurowissenschaftler fanden heraus, dass bestimmte Strukturen des Gehirns – zuständig für die kognitive Kontrolle – wirksamer beim willentlichen Abschweifen der Gedanken zusammenarbeiteten, weshalb manche Tagträumer durchaus Nutzen aus dem Schweifenlassen der Gedanken ziehen können, sagten die Forscher.

Überlappung zweier Hirnnetzwerke

„Wir haben herausgefunden, dass bei Menschen, die häufig gewollt mit ihren Gedanken abschweifen, der Cortex in bestimmten präfrontalen Regionen, also im Stirnbereich des Gehirns, dicker ausgebildet ist“, sagte Psychologe und Studienautor Johannes Golchert.

„Außerdem hat sich gezeigt, dass sich bei ihnen zwei entscheidende Hirnnetzwerke stärker überlappen. Zum einen das sogenannte Default-Mode Netzwerks, das besonders aktiv ist, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen, auf Informationen aus unserem Gedächtnis richten. Zum anderen das sogenannte fronto-parietale Kontrollnetzwerk, das als Teil unseres kognitiven Kontrollsystems unseren Fokus stabilisiert und etwa irrelevante Reize hemmt“, schreibt der Forscher.

Kein Aussetzer im System

Weil die beiden Hirnnetzwerke stärker miteinander verbunden sind, wirke das fronto-parietale Kontrollnetzwerk stärker auf die abschweifenden Gedanken ein und gibt ihnen dadurch gewisse Stabilität, was die Annahme widerlege, dass es beim gezielten, willentlichen Tagträumen zu einer Aussetzung der psychischen / mentalen Kontrolle komme, sagten die Wissenschaftler.

„Unser Gehirn scheint hier kaum einen Unterschied darin zu machen, ob unsere Aufmerksamkeit nach außen auf unsere Umgebung oder nach innen auf unsere Gedanken gerichtet ist. In beiden Fällen ist das Kontrollnetzwerk eingebunden“, sagt Golchert.

„Tagträume sollten also nicht nur als etwas Störendes betrachtet werden. Kann man sie gut kontrollieren, sie also unterdrücken, wenn es wichtig ist, und ihnen freien Lauf lassen, wenn es möglich ist, kann man den größtmöglichen Nutzen aus ihnen ziehen“, schreibt der Autor mit einem Doktortitel in Psychologie.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, NeuroImage – doi: 10.1016/j.neuroimage.2016.11.025; April 2017

Hinweis auf größere Intelligenz und Kreativität?

24.10.2017 Eine neue Studie des Georgia Institute of Technology legt nahe, dass Tagträumen z.B. bei Meetings nicht unbedingt schlecht ist. Es könnte ein Zeichen dafür sein, dass man wirklich intelligent und kreativ ist.

Menschen mit leistungsfähigen Gehirnen können zu viel Gehirnkapazität haben, um ihren Verstand vom Wandern abzuhalten, sagte Psychologie-Professor und Studienautor Eric Schumacher im Fachblatt Neuropsychologia.

gedanken
Bild: Katrin Baustmann

Schumacher und Kollegen maßen die Gehirnmuster von mehr als 100 Personen, während diese in einem MRT-Hirnscanner lagen. Die Teilnehmer wurden angewiesen, sich fünf Minuten lang auf einen festen Punkt zu konzentrieren. Das Georgia-Tech-Team analysierte die Daten, um herauszufinden, welche Teile des Gehirns im Zusammenspiel arbeiteten.

Die korrelierten Gehirnregionen gaben uns einen Einblick, welche Bereiche des Gehirns während eines wachen, ausruhenden Zustandes arbeiten, sagte Koautorin Christine Godwin vom Fachbeereich Psychologie.

Interessanterweise ergab die Forschung, dass dieselben Gehirnmuster, die während dieser Zustände gemessen wurden, mit unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten zusammenhängen.

Nachdem sie herausgefunden hatten, wie die Gehirnregionen im Ruhezustand zusammen arbeiteten, verglich das Team die Daten mit Tests der Teilnehmer, die ihre intellektuellen und kreativen Fähigkeiten gemessen hatten. Die Teilnehmer füllten auch einen Fragebogen aus, in dem sie über die Art und Weise, und wie oft ihre Gedanken im täglichen Leben herumwanderten, Auskunft gaben.

Größere intellektuelle und kreative Fähigkeiten

Diejenigen, die häufiger über das Tagträume berichteten, erreichten mehr Punkte bei den Tests, die ihre intellektuellen und kreativen Fähigkeiten maßen, und hatten effizientere Hirnsysteme, die im MRT-Scanner gemessen wurden.

Die Leute neigen dazu, Tagträumen als etwas Schlechtes zu betrachten. Man versucht, aufmerksam zu sein und man kann es nicht, schreibt Schumacher. Die Daten sagen aber, dass das nicht immer stimmt. Manche Leute haben einfach effizientere Gehirne, sagt der Psychologe.

Effizientere Gehirn

Höhere Effizienz bedeute eine größere Denkfähigkeit, und das Gehirn könne beim Erledigen einfacher Aufgaben seine Gedanken umherwandern lassen.

Woran erkennt man, ob das eigene Gehirn effizient ist? Ein Anhaltspunkt ist, dass man in Gesprächen oder Aufgaben bei Bedarf ein- und aussteigen kann, und dann natürlich wieder einsteigen kann, ohne wichtige Punkte oder Schritte zu verpassen.

Die Befunde erinnern den Psychologie-Professor an den geistesabwesenden Professor – jemand, der brillant aber in seiner eigenen Welt versunken ist, manchmal ohne Rücksicht auf seine eigene Umgebung.

Oder Schulkinder, die intellektuell zu weit fortgeschritten sind für ihre Klassen. Während es vielleicht fünf Minuten dauern kann, bis ihre Freunde etwas Neues lernen, finden sie es in einer Minute heraus, dann checken sie aus und fangen an zu träumen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Georgia Institute of Technology; Neuropsychologia – DOI: 10.1016/j.neuropsychologia.2017.07.006; Okt. 2017