Geräuschempfindlichkeit, Hyperakusis (Gehirn)
Hyperakusis bezeichnet die pathologische Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Lärm, Krach, die von Nicht-Betroffenen üblicherweise noch nicht als unangenehm empfunden wird. Das ICD-10 kodiert dies unter H93.2 Sonstige abnorme Hörempfindungen, inkl. Hyperakusis.
Abzugrenzen ist die krankhafte Angst vor lauten Geräuschen – die Phonophobie – wobei diese auch als Folge auftreten kann.
Geräusch-, Lärmempfindlichkeit zeigt sich in veränderten Gehirnfunktionen
30.12.2016 Eine in Nature veröffentlichte Studie der Universität Helsinki untersuchte mit Elektroenzephalographie und Magnetoenzephalographie die Gehirne von Freiwilligen, um die neuronale Klangverarbeitung im zentralen Hörsystem in Bezug auf die individuelle Geräuschempfindlichkeit zu messen.
Negative Auswirkungen
Einige Menschen fühlen sich durch Geräusche, Lärm in ihrer Umgebung leicht belästigt und spüren ein starkes Unbehagen (Hyperakusis oder Geräuschüberempfindlichkeit genannt), oder können sogar Schmerzen (Hyperakusis dolorosa) verspüren bei Geräuschen bzw. Schall, der anderen nicht so laut erscheint.
Frühere Studien haben gezeigt, dass geräuschempfindliche Menschen anfälliger für negative Effekte von Lärm auf die Gesundheit sind und eher mit Schlafstörungen und Herzkrankheiten reagieren, und diese Lärmsensitivität könnte genetisch bedingt sein.
Manifestation im Gehirn
In einer aktuellen Studie untersuchten Forscher von den Universitäten Helsinki und Aarhus, ob Hyperakusis sich im Gehirn bei der Verarbeitung von Geräuschen manifestiert.
Die Befunde zeigen, dass das Hörsystem von lärmempfindlichen Personen weniger auf neue Geräuscheindrücke anspricht – die unter sich wiederholenden Tönen eingeführt wurden – wenn der neuartige Ton lauter als der Rest des Klangteppichs war.
Hohe Geräuschsensitivität ging mit einer veränderten Klangmerkmalskodierung und einer abgeschwächten Diskriminierung des Geräuschpegels im auditorischen Kortex des Gehirns einher.
Deregulation
Dies erscheint zunächst kontraintuitiv, legt die Entdeckung doch nahe, dass es für geräuschempfindliche Menschen schwerer sein kann, eine Vorhersage über Veränderungen in einer variierenden Klanglandschaft zu machen; ihr Hörsystem im Gehirn scheint die Ansprechbarkeit auf Geräusche „runterregeln“ zu wollen, um sich vor Überreaktionen auf Lärm zu schützen.
Wir brauchen weitere Studien, um herauszufinden, ob dies der Grund ist, warum die Betroffenen so sensitiv auf Geräusche reagieren, oder ob es die Folge der Bemühungen des Gehirns ist, sich gegen übermäßigen Lärm zu schützen, sagte Studienautorin Marina Kliuchko.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Helsinki, Nature – doi:10.1038/srep39236; Dez. 2016
Lärmsensitivität in Gehirnstrukturen sichtbar
18.12.2017 Jüngste Studien an den Universitäten Helsinki und Aarhus legen nahe, dass Lärmempfindlichkeit (Geräuschempfindlichkeit; auch Hyperakusis genannt bei einer krankhaften Überempfindlichkeit gegenüber Schall) mit einer veränderten Verarbeitung im zentralen Gehörsystem verbunden ist.
Nun haben die Neurowissenschaftler herausgefunden, dass die Lärmsensitivität mit dem Volumen der grauen Substanz in ausgewählten Hirnstrukturen verbunden ist, die zuvor mit auditiver Wahrnehmungs-, emotionaler und interozeptiver Verarbeitung verknüpft wurden.
Wenn in diesen Bereichen mehr graue Substanz vorhanden ist, kann dies bedeuten, dass die Lärmempfindlichkeit mehr neuronale Ressourcen benötigt, um mit Geräuschen umzugehen.
Größeres Volumen an grauer Substanz
Die Forscher fanden bei sehr lärmempfindlichen Menschen in den temporalen Hirnregionen sowie im Hippocampus und der rechten Insula ein größeres Volumen an grauer Substanz. Diese kortikalen und subkortikalen Bereiche sind Teile von Gehirnnetzwerken, die das Hören unterstützen, sagt die Forscherin Marina Kliuchko im Fachblatt NeuroImage.
Die Forschung umfasste Hirnscans von 80 Probanden, von denen das Volumen der grauen Substanz, die kortikale Stärke und andere anatomische Parameter gemessen und mit der Geräuschempfindlichkeit korreliert wurden. Die Arbeit bringt neue Erkenntnisse über die physiologischen Mechanismen der Hyperakusis.
Selbstwahrnehmung
Lärmempfindlichkeit kann mit der Selbstwahrnehmung bei geräuschempfindlichen Personen über die Empfindungen in Verbindung gebracht werden, die Lärm in ihnen hervorruft.
Das lässt sich aus dem erhöhten Volumen des vorderen Teils des rechten Insel-Cortex ableiten, der bekanntermaßen wichtig ist, um externe sensorische Informationen mit dem inneren Zustand des Körpers in Einklang und sie ins Bewusstsein zu bringen, sagt Kliuchko.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universitäten Helsinki und Aarhus; NeuroImage – DOI: 10.1016/j.neuroimage.2017.11.041; Dez. 2017