Fettleibigkeit, Übergewicht, Adipositas
Psychologie
Kognitive Psychologie – Gesundheitspsychologie
- Übergewichtige Menschen sehen die Welt tatsächlich anders
- Partner- und Lebensstilentscheidungen beeinflussen Adipositas mehr als Familie und Erziehung
- Wahrnehmung der Eltern vom Gewicht ihres Kindes beeinflusst Gewichtszunahme
- Adipositas (starkes Übergewicht) steht in Verbindung mit psychologischem Distress (Belastung)
- Zusammenhang zwischen Übergewicht bei Kindern und strukturellen Unterschieden in wichtigen Hirnregionen
- Psychotherapie gegen Adipositas
- Übergewicht, Fettleibigkeit und das Gehirn
- Gewicht und Psyche
- Übergewicht und Psyche
- Übergewicht, Adipositas und Stress
- Übergewicht und Selbstregulation, Selbstkontrolle
- Übergewicht und psychische Störungen
- Weitere News aus der Forschung zu diesem Thema
Übergewichtige Menschen sehen die Welt tatsächlich anders
18.02.2016 Eine in der Zeitschrift Acta Psychologica veröffentlichte Studie konnte in Feldversuchen zeigen, dass übergewichtige Menschen Dinge weiter entfernt sehen als Normalgewichtige.
Fehlerhafte Einschätzung der Distanz
Im ersten Versuch wurden zufällig Kunden eines großen Warenhauses ausgewählt und gebeten, die Entfernungen zu einem Kegel einzuschätzen, der vor dem Gebäude auf dem Bürgersteig aufgestellt wurde.
Die tatsächliche Distanz betrug 25 Meter, aber übergewichtige Teilnehmer glaubten eher, dass er weiter entfernt (bis zu 5m entfernter) wäre. Intereressanterweise schätzten untergewichtige Personen die Entfernung kürzer ein – etwa auf ca. 15 Meter näher.
Bild: Teresa Johnson
‚Gewicht‘ verändert die Wahrnehmung
Die Forscher Mila Sugovic, Philip Turk and Jessica Witt von den Universitäten Purdue und Colorado State sagen, dass mit der Zunahme an Gewicht sich auch die Wahrnehmung der Welt der betroffenen Personen ändere.
Zum Beispiel nimmt ein mit einem schweren Rucksack bepackter Wanderer beim Anblick von Hügeln in der Ferne mit größerer Wahrscheinlichkeit an, dass diese weiter entfernt, höher und schwieriger zu erklettern sind als jemand, der ohne Gepäck unterwegs ist.
Auswirkungen auf die Performance
In einem anderen Versuch baten die Forscher Freiwillige darum, Minigolf zu spielen, wobei sie das Loch mit Hilfe einer Illusion kleiner erscheinen ließen. Tatsächlich spielten die Teilnehmer dadurch schlechter, obwohl sich die Lochgröße nicht verändert hatte.
In einem ähnlichen Experiment sollten Freiwillige Tennis mit verschieden dimensionierten Tennisschlägern spielen. Sie berichteten, dass der Ball sich langsamer zu bewegen schien, wenn die Schläger größer waren.
Und in einem weiteren Versuch sollten die Teilnehmer eine Linie auf einer Karte ausrichten, um zu zeigen, wie steil sie einen nahe gelegenen Hügel einschätzten. Übergewichtige schätzten den Anstieg eher viel steiler ein.
Wahrnehmungsverzerrung
Solche Versuche zeigen, so die Forscher, dass diese Wahrnehmungveränderungen durch die Gewichtszunahme herbeigeführt werden – man kann sich ihrer nicht erwehren, selbst wenn man möchte.
Das heißt, dass Gewichtsabnahmeprogramme solche Wahrnehmungsveränderungen mit einbeziehen sollten, wenn sie Wirkung zeigen sollen. Z.B. könnten die Teilnehmer Brillen tragen, die die Dinge näher ‚heranbringen‘, oder es vermeiden, in hügeligen Gegenden zu wandern, schlugen die Forscher vor.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Purdue, Universität Colorado State, Acta Psychologica; Feb. 2016
Psychotherapie
Besser als Gesundheitsprogramme
Psychotherapie-Programm half halbwüchsigen Mädchen mit einem Risiko zur Fettleibigkeit besser als traditionelle Gesundheitsprogramme, stark an Gewicht zuzulegen, berichten Forscher.
Das Psychotherapie-Programm konzentrierte sich darauf, zwischenmenschliche Beziehungen in Hinblick auf die zugrundeliegenden gesellschaftlichen und interpersonalen Schwierigkeiten, die Einfluss auf Personen mit unangepassten Verhalten nehmen, zu verbessern, sagte Marian Tanofsky-Kraff, Dozentin der Uniformed Services University – Fachbereich für medizinische und klinische Psychologie.
Sie ist Mitautorin einer neuen Studie, die sich ein Programm zur Unterstützung von Teenagern anschaute, das beim kontrollierten Essen hilft, um so Übergewicht zu verhindern bzw. diesem entgegenzuwirkt. Es basiert auf der Annahme, dass Binge-Eating als Reaktion auf schlechte Fähigkeiten der sozialen Interaktion und die sich daraus ergebenden negativen Stimmungen auftritt, sagte sie. Verbessert man die Fähigkeiten, verringert man das Risiko für übermäßíges Essen und damit Übergewicht.
Die Verfasser der Studie teilten 38 Mädchen zufällig zwei Gruppen zu:
- Psychotherapie-Sitzungen oder
- Standard-Gesundheitsschulungen.
Psychotherapie wirksam
Nach 12 Monaten Psychotherapie bzw. Standardschulung war die Wahrscheinlichkeit bei den Mädchen in der Psychotherapie-Gruppe größer, ihren Body-Mass-Index, Maß des Übergewichts und Fettleibigkeit zu beurteilen, zu stabilisieren oder zu reduzieren.
Wenn das Programm mit der psychotherapeutischen Intervention sich als weiterhin wirksam erweist, können wir in der Lage sein, nicht nur übermäßige Gewichtszunahme zu verhindern, sondern auch die Entwicklung von ähnlichen ungünstigen Gesundheitsbedingungen bei einem Teil der anfälligen Jugendlichen hemmen, sagte Tanofsky-Kraff.
Quelle: International Journal of Eating Disorders, Jan.2010
Partner- und Lebensstilentscheidungen beeinflussen Adipositas mehr als Familie und Erziehung
25.02.2016 Übergewicht scheint mehr vom Lebensstil in der Ehe/Beziehung abzuhängen als von den Einflüssen aus Familie und Erziehung.
Im mittleren Lebensalter haben von Paaren getroffene Entscheidungen – inkl. die zu Ernährung und sportlichen Aktivitäten – einen größeren Einfluss als der der Familie, in der man aufgewachsen ist.
Erlerntes Verhalten
Bild: Petr Kratochvil
Obwohl Geschwister im mittleren Lebensalter ein ähnlich großes Risiko für Fettleibigkeit haben, nehmen die Forscher an, dass dies eher ihrem gemeinsamen genetischen Erbgut zuzuschreiben ist als den Gewohnheiten, die durch ihre gemeinsame Erziehung geprägt wurden.
Die Wissenschaftler der Universität Edinburgh analysierten die Daten von 20.000 Personen in Schottland. Sie verglichen die Familiengenetik und häuslichen Umgebungen der Teilnehmer in Kindheit und Erwachsenenalter, die mit Gesundheit und Fettleibigkeit im Erwachsenenalter verbunden waren.
Insgesamt 16 Maße wurden erfasst: u.a. Verhältnis von Taille zu Hüfte, Blutdruck, Körperfettanteil und Body-Mass-Index.
Gegenwärtiger Lebensstil
Studienleiter Professor Chris Haley sagte in der Zeitschrift PLOS Genetics, obwohl die Genetik einen bedeutsamen Anteil der Variation zwischen den Teilnehmern ausmacht, hat unsere Studie zeigen können, dass mit dem Partner geteilter Lebensstil und Umgebung ebenfalls ein großer Einflussfaktor dafür ist, ob man Adipositas entwickelt; und dieser Faktor wiegt laut den Befunden schwerer als Herkunft und Erziehung.
„Die Befunde zeigen auch, dass selbst Teilnehmer, die aus Familien mit Hang zum Übergewicht kommen, ihr Risiko reduzieren können, wenn sie ihren Lebensstil ändern.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Edinburgh, PLOS Genetics; Feb. 2016
Wahrnehmung der Eltern vom Gewicht ihres Kindes beeinflusst Gewichtszunahme
Wird das eigene Kind als zu dick wahrgenommen (ob es nun stimmt oder nicht), wird es auch dicker
25.04.2016 Eine in der Zeitschrift Journal of Pediatrics veröffentlichte Studie der Universität Liverpool untersuchte, welchen Effekt die (Fehl-)Wahrnehmung des Gewichts des Kindes durch seine Eltern auf das tatsächliche Gewicht des Kindes haben kann.
Bild: Rebecca Matthews
Eltern von übergewichtigen Kindern schätzen das Gewicht ihres Kindes oft falsch ein. Obwohl diese Fehleinschätzungen ein Problem für die Gesundheit sind, gibt es bislang kaum Forschungsarbeiten darüber, ob die elterliche Wahrnehmung des Kindsgewichts vor einer Gewichtszunahme während der Kindheit schützt.
Elterliche Wahrnehmungen
Es wurden Daten aus einer Längsschnittstudie mit australischen Kindern ausgewertet, um die elterlichen Wahrnehmungen des Kindergewicht-Status zu erfassen; und um die Veränderungen zu untersuchen, maßen die Forscher die BMI-Z (Körpermassenindex) Werte zwischen 4 und 13 Jahren.
Die BMI-Z Werte sind Gewichtsmaße relativ zu Alter und Geschlecht des Kindes. Es nahmen 3.557 australische Kinder und ihre Eltern an dieser Studie teil.
Zukünftige Gewichtszunahme
Kinder, die von ihren Eltern als ‚übergewichtig‘ eingestuft wurden, nahmen in allen Analysen von der Ausgangslinie bis zur Nachtestung zu (Anstieg bei den BMI-Z Werten) im Vergleich zu Kindern, deren Gewicht von den Eltern als ‚genau richtig‘ eingeschätzt wurde.
Dieser Befund war unabhängig vom tatsächlichen Gewicht des Kindes; die Verbindung zwischen der Wahrnehmung des Gewichts des Kindes als übergewichtig und die zukünftige Gewichtszunahme war ähnlich unter Kindern, deren Eltern sie richtig einschätzten und denen, deren Eltern ihre Kinder fälschlicherweise als übergewichtig einschätzten.
Studienleiter Dr. Eric Robinson vom psychologischen Fachbereich sagte: Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme verhindern Eltern nicht die übermäßige Gewichtszunahme, wenn sie ihr Kind als übergewichtig einschätzen. Es ist eher so, dass dies mit einer stärkeren Gewichtszunahme während der Kindheit verbunden ist.
„Weitere Studien sind erforderlich, um zu verstehen, wie die elterliche Wahrnehmung des Kindergewichts kontraintuitiv zu Übergewicht bzw. Fettleibigkeit führen kann.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Liverpool, Journal of Pediatrics; April 2016
Adipositas (starkes Übergewicht) steht in Verbindung mit psychologischem Distress (psychische Belastung)
18.05.2019 Eine in Obesity veröffentlichte psychologische Forschungsarbeit zeigt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen aufgrund von psychischen Problemen, die zu emotionalem Essen führen, eher fettleibig sein könnten.
Jade Spinosa vom Fachbereich Psychologie der Universität Liverpool und Kollegen untersuchten, ob der Zusammenhang zwischen einem niedrigeren sozioökonomischen Status und Adipositas (starkes Übergewicht) durch psychische Belastung und anschließendes emotionales Essen als Bewältigungsstrategie erklärt werden kann.
150 Teilnehmer aus Nordwestengland mit unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen füllten Fragebogen aus, um psychische Belastung, emotionales Essen und Resilienz (psychische Belastbarkeit) zu messen.
Tatsächlich war ein niedrigeres Einkommen mit einer höheren psychischen Belastung verbunden, und eine höhere Belastung war mit mehr emotionalen Essen verbunden, was wiederum ein höheres Gewicht bzw. Übergewicht prognostizierte.
Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass psychischer Distress nicht per se den Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Benachteiligung und Körpergewicht entscheidend beeinflusst, sondern wahrscheinlich eher die Copingstrategien (die Resilienz) für den Umgang mit negativen Stress.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Obesity – DOI: 10.1002/oby.22402
Zusammenhang zwischen Übergewicht bei Kindern und strukturellen Unterschieden in wichtigen Hirnregionen
25.10.2019 Adipositas (krankhaftes Übergewicht) bei Kindern ist mit Unterschieden in der Gehirnstruktur in Regionen verbunden – verglichen mit den Gehirnen von Kindern, die ein normales Gewicht haben – die mit der kognitiven Kontrolle verknüpft sind laut einer in Cerebral Cortex veröffentlichten Forschungsarbeit.
Dicke des Cortex
Insbesondere untersuchten die Forscher die Dicke des Cortex, der äußeren Hirnschicht – der sogenannten „grauen Substanz“ – und verglichen sie mit dem Body-Mass-Index (BMI) der Kinder. Sie analysierten auch die Ergebnisse von Tests zur Exekutivfunktionen (Steuerung des eigenen Verhaltens).
Das Team fand einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten BMI und signifikanten Reduktionen der durchschnittlichen (mittleren) Dicke des Cortex sowie einer Verdünnung in der präfrontalen Region des Cortex, einem Bereich, der mit der kognitiven Kontrolle verbunden ist.
Exekutive Funktionen
Die Forscher um Lisa Ronan vom Fachbereich für Psychiatrie der Universität Cambridge fanden auch heraus, dass ein erhöhter BMI mit einer schlechteren Leistung bei Tests zur Messung der Exekutivfunktionen verbunden war.
Diese Beziehung blieb bestehen, nachdem Alter, Geschlecht, Rasse, Bildung der Eltern, Haushaltseinkommen, Geburtsgewicht und Bewegung im Gehirn-Scanner der 2.700 Kinder berücksichtigt wurden.
Als die Wissenschaftler den Taillenumfang und das Verhältnis von Taille zu Körperlänge als Maß für Fettleibigkeit (Adipositas) verwendete, fanden sie heraus, dass auch diese mit reduzierten exekutiven Funktionen verbunden waren, aber der Zusammenhang zwischen der kortikalen Dicke war komplizierter, wobei einige Gehirn-Regionen eine reduzierte Dicke, während andere eine erhöhte Dicke zeigten.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Cerebral Cortex – DOI: 10.1093/cercor/bhz257
Forschung, News
- 04.04.2021 Übergewicht und Psyche
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