Psychose, Depression: Kann Hirnvolumen Hinweise für richtige Behandlung geben?

Volumen der grauen Substanz könnte Aufschluss über Behandlungsentscheidungen bei der Entwicklung psychischer Störungen geben

Psychose, Depression: Kann Hirnvolumen Hinweise für richtige Behandlung geben?

13.04.2022 Die Gehirnstruktur von Patienten mit neu auftretenden Psychosen oder Depressionen kann wichtige biologische Erkenntnisse über diese Krankheiten und ihre mögliche Entwicklung liefern.

In einer neuen in der Fachzeitschrift Biological Psychiatry veröffentlichten Studie zeigen Forscher der Universität Birmingham, dass es durch die Untersuchung von MRT-Scans des Gehirns möglich ist, Patienten zu identifizieren, die besonders anfällig für schlechte Behandlungsergebnisse sind.

Durch die Identifizierung dieser Patienten in den frühen Stadien ihrer Krankheit können Ärzte gezieltere und wirksamere Behandlungen anbieten, schreiben die Wissenschaftler.

Für die Studie verwendeten die Forscher die Daten von rund 300 Patienten mit einer kürzlich aufgetretenen Psychose bzw. einer kürzlich aufgetretenen Depression, die an der PRONIA-Studie teilnahmen. PRONIA ist eine von der Europäischen Union finanzierte Kohortenstudie zur Untersuchung von Prognoseinstrumenten für Psychosen, die in sieben europäischen Forschungszentren, darunter Birmingham, durchgeführt wird.

Die Forscher setzten einen Algorithmus für maschinelles Lernen ein, um die Daten aus den Gehirnscans der Patienten zu bewerten und in Gruppen oder Cluster zu sortieren. Auf der Grundlage der Scans wurden zwei Cluster ermittelt, die jeweils sowohl Patienten mit Psychosen als auch Patienten mit Depressionen umfassten. Jedes Cluster wies charakteristische Merkmale auf, die stark mit der Wahrscheinlichkeit einer Genesung zusammenhingen.

Schlechtere Behandlungsergebnisse bei Patienten mit einem geringeren Volumen der grauen Substanz

In der ersten Gruppe wurde ein geringeres Volumen an grauer Substanz – dem dunkleren Gewebe im Gehirn, das an der Muskelsteuerung und an Funktionen wie Gedächtnis, Emotionen und Entscheidungsfindung beteiligt ist – mit Patienten in Verbindung gebracht, die später schlechtere Ergebnisse erzielten.

In der zweiten Gruppe hingegen signalisierten höhere Volumenwerte der grauen Substanz, dass sich die Patienten mit größerer Wahrscheinlichkeit von ihrer Krankheit erholen würden.

Ein zweiter Algorithmus wurde dann verwendet, um den Zustand der Patienten neun Monate nach der ersten Diagnose vorherzusagen. Die Forscher stellten fest, dass die biologisch basierten Cluster im Vergleich zu herkömmlichen Diagnosesystemen eine höhere Genauigkeit bei der Vorhersage des Krankheitsverlaufs aufwiesen.

Höhere Entzündungswerte, schlechtere Konzentrationsfähigkeit und andere kognitive Beeinträchtigungen

Es zeigte sich auch, dass Patienten in den Clustern mit geringeren Volumina der grauen Substanz in ihren Gehirnscans höhere Entzündungswerte, schlechtere Konzentrationsfähigkeit und andere kognitive Beeinträchtigungen aufweisen, die zuvor mit Depression und Schizophrenie in Verbindung gebracht wurden.

Schließlich testete das Team die Cluster in anderen großen Kohortenstudien in Deutschland und den USA und konnte zeigen, dass dieselben identifizierten Cluster zur Vorhersage von Patientenergebnissen verwendet werden können.

„Während die PRONIA-Studie Menschen umfasste, bei denen ihre Krankheit erst kürzlich diagnostiziert wurde, enthielten die anderen von uns verwendeten Datensätze Menschen mit chronischen Erkrankungen“, erklärt Lalousis. „Wir fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient in die erste Gruppe mit geringerem Volumen der grauen Substanz fällt, umso größer ist, je länger die Krankheit andauert. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass strukturelle MRT-Scans nützliche diagnostische Informationen liefern können, um gezielte Behandlungsentscheidungen zu unterstützen.“

Der nächste Schritt für das Team ist die Validierung der Cluster in der Klinik durch die Erfassung von Patientendaten in Echtzeit, bevor größere klinische Studien geplant werden.

© Psylex.de – Quellenangabe: Biological Psychiatry (2022). DOI: 10.1016/j.biopsych.2022.03.021