Zahnarztphobie, Zahnarztangst

Die Angst vor dem Zahnarzt

Die übermäßige Angst vor der Zahnbehandlung und somit vor dem Zahnarzt (auch Dentalphobie oder Odontophobie genannt) gehört zu den spezifischen Phobien und bezeichnet die Angst vor Zahnärzten bzw. der Behandlung; und dieses wohl auch nicht zu Unrecht, schließlich sind Schmerzen zu erwarten und nach den Aussagen nicht weniger (siehe „Zahnarztlügen: Wie Sie Ihr Zahnarzt krank behandelt“ von Dorothea Brandt und Dr. Lars Hendrickson) sind diese Schmerzen oft unnötig und die Behandlung sogar kontraproduktiv.

Nach Umfrageergebnissen hat jeder Zweite Angst vor dem Zahnarzt und viele nehmen lieber den Schmerz am Zahn in Kauf, als die Schmerzen, die durch die Spritze, das Bohren oder Rausreissen der Zähne entstehen.

„Bei besonders starker Angst, kann es beim Betreten der Praxis oder beim Platz nehmen im Zahnarztstuhl zu starkem Herzklopfen, Schwitzen, Zittern oder auch zu Muskelverkrampfungen kommen“, sagt der Psychologe der Techniker Krankenkasse Johannes Klüsener.

Der Zahnarztphobiker vermeidet

Der Zahnarztphobiker geht aber normalerweise schon nicht mehr in die Zahnarztpraxis, weil er Zahnbehandlung und Zahnarzt meidet; selbst die Gedanken daran versucht er zu vermeiden.

Zahnbrecher
Zahnbrecher 16 Jh.

Ca. 25% sollen unter der Zahnarztphobie leiden. Sie machen einen Termin, wenn die Zahnschmerzen zu gross werden, verschieben diesen aber, und das mehrmals. Stattdessen nehmen sie Tabletten gegen die Schmerzen. Nicht wenige würden aber sagen, dass die Zahnarztphobie wohl keine richtige Phobie und damit zu behandelnde psychische Störung ist, denn die Schmerzen sind real und die Behandlung unnötig und sogar kariesfördernd (laut oben erwähnten Buchs: Zahnarztlügen; ein Buch, das Sie vielleicht vor dem nächsten Zahnarzttermin lesen sollten!).

Die Zahnarztphobiker werden dann zum Psychiater geschickt, der ihnen beruhigende und andere psychotropische Medikamente verschreibt. Daraus ist ein gutes Geschäft für alle beteiligten Ärzte geworden.

Laut Zahnarztlügen können sich die Phobiker aber ihrer Angst vor dem Zahnarzt selbst entledigen: indem sie zu wirkungsvollen Präventivmaßnahmen greifen, die der Zahnarzt ihnen vorenthält: Xylit bzw. Xylitol und Chlorhexidin.

Jedoch entsteht auch eine Angst vor der Angst, die immer weiter anwachsen und pathologisch werden kann.

Erfundene Phobie?

Zahnarztphobie beruht meist auf traumatischen Erlebnissen und die Angst beruht auf realen und objektiv fassbaren Dingen und Vorgängen. Es ist also keine krankhafte Einbildung oder Phobie im strengen Sinne.

Vielleicht beruht die eine oder andere Zahnarztphobie auf Erlebnissen mit einem Zahnarzt wie diesen, der in der Neuen Züricher Zeitung unter der Überschrift Bekenntnisse eines Zahnarztes schreibt:

„Ich wollte Zahnarzt werden, weil ich nicht kämpfen muss, um etwas zu kriegen. Die Leute wollen etwas von mir. Auch im übertragenen Sinn: Ich muss sie nicht erst in die Knie zwingen, sie liegen schon…
…du mußt eindringen, aber du musst in der Intimität eine Distanz bewahren. ….
…Die Nadel dringt langsam ein, und du denkst: so, und jetzt bin ich dran. …
…Ausrasten, durchknallen, zustechen, rumwühlen…aaahh! Amok.“

Phobie: krankhaft übersteigerte Angst vor etwas. Ist die Zahnarztphobie es wert mittels starker Medikamente behandelt zu werden, oder ist sie eine gesunde, natürliche Angst, die bei manchen Menschen – sicher nicht unbegründet – einfach (etwas) stärker ist?

Angst vor dem Zahnarzt? Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen

30.11.2015 Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) konnte in einer neuen Studie des King’s College London vielen Menschen bei der Überwindung ihrer Zahnarztphobie helfen.

Angst vor dem Zahnarzt ist weit verbreitet und wird zu einer Angststörung (Phobie), wenn es sich merklich auf das eigene Wohl auswirkt; Menschen mit Dentalphobien vermeiden es, zum Zahnarzt zu gehen, und leiden häufiger unter Zahnschmerzen, einer schlechteren oralen Gesundheit und einer geringeren Lebensqualität.

Die in der Zeitschrift British Dental Journal veröffentlichte neueste Studie zu diesem Thema, untersuchte die Auswirkungen einer kognitiven Verhaltenstherapie auf die Angst von 130 Patienten (99 Frauen und 31 Männer).

Drei Viertel von ihnen erreichten auf der Modified Dental Anxiety Scale (MDAS) einen Punktestand von 19 oder höher und wurden mit einer Zahnarztphobie diagnostiziert. Die übrigen Patienten erreichten zwar weniger Punkte, zeigten aber Ängste speziell vor einigen Aspekten beim Zahnarztbesuch.

Die meiste Angst machten Spritzen und Zahnbohrer. Beinahe alle Patienten (94%) berichteten über Auswirkungen ihrer Probleme mit Zähnen, Mund oder Zahnfleisch auf ihr tägliches Leben und ihre Lebensqualität.

Einige der Patienten hatten auch andere psychische Probleme – 37% zeigten ein hohes Niveau genereller Angst und 12% klinische Depression. Über suizidale Gedanken berichteten 12% der Patienten, und vier (3%) berichteten, sie hätten jüngst versucht, sich umzubringen, sagte Studienautor Professor Tim Newton.

Nach durchschnittlich fünf KVT-Sitzungen konnten vier Fünftel der Patienten (79%) ihre Zahnbehandlung ohne eine Sedierung weiterführen, und 6% beendeten ihre Behandlung mit Hilfe eines Beruhigungsmittels.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: King’s College London, British Dental Journal; Nov. 2015

Genetische Komponente der Zahnarzt-Behandlungsangst entdeckt

26.10.2016 Psychologen der West Virginia Universität haben Belege für eine genetische Basis für die Angst vor einer zahnärztlichen Behandlung (auch Zahnarztangst oder Zahnarzt-Behandlungsphobie genannt) entdeckt.

Genetischer Faktor

Die Studienautoren Cameron Randall und Daniel McNeil vom Fachbereich für Psychologie fanden, dass einige der Gene, die die Angst vor Schmerzen beeinflussen wahrscheinlich auch einen Effekt auf die Zahnarztangst haben. Diese Entdeckung kann erklären, wie die Angst vor dem Schmerz zur Entwicklung einer Zahnarztphobie beitragen kann.

zahnarztinstrumente
Bild: jan mesaros

Die in der Zeitschrift Community Dentistry and Oral Epidemiology veröffentlichte Studie legt damit nahe, dass Ängste und Angst in Hinblick auf zahnärztliche Behandlungen zum Teil durch genetische Vererbung von den Eltern verursacht wird. Die Studie ist einer der ersten, die auf genetische (30%) Faktoren – zusätzlich zu Umweltfaktoren – als Basis für die Angst vor der Zahnbehandlung verweist.

Angst vor dem Schmerz

Die Psychologen demonstrierten auch, dass die Angst vor dem Schmerz (zu 34%) – ein mit der Zahnarztangst verbundenes, aber separates Problem – erblich ist. Sie fanden, dass einige der Gene, die die Angst vor Schmerzen beeinflussen, auch die Zahnbehandlungsangst (bzw. dann auch die krankhafte Weiterentwicklung zur Zahnbehandlungsphobie) beeinflussen.

Die Studie verwendete einen neuartigen Ansatz, um die Vererbbarkeit von Zahnbehandlungsangst in einer großen Teilnehmerprobe (n = 1.370; 827 weiblich) mit familienbasierten Kohorten-Daten zu untersuchen. Das Teilnehmeralter war 11-74 Jahre (Durchschnitt: 29,2 Jahre).

Verbreitung

Zahnarztangst ist relativ weit verbreitet – etwa 10-20% der Erwachsen berichten über beträchtliche Ängste in Bezug auf die zahnärztliche Behandlung (bei der Zahnarztphobie sollen Schätzungen zufolge etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung westlicher Staaten betroffen sein).

Ist die Angst stark ausgeprägt, kann es zu Verzögerungen oder kompletter Vermeidung der Zahnbehandlung kommen, was natürlich Konsequenzen für die orale und Gesamtgesundheit haben kann.

Diese Information, zusammen mit einem gut dokumentierten Verständnis der wichtigen Rolle früherer Erfahrungen und Umgebungen bei der Verursachung der Zahnarztangst, kann uns helfen, neue Wege zu entwickeln, Zahnbehandlungsphobie und Angst zu behandeln, sagte Randall.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: West Virginia Universität, Community Dentistry and Oral Epidemiology – DOI: 10.1111/cdoe.12261; Okt. 2016

Virtueller Strandspaziergang lindert Angst im Zahnarztstuhl

15.06.2017 Eine in der Zeitschrift Environment & Behavior veröffentlichte Studie unter Leitung des Fachbereichs Psychologie der Universität Plymouth untersuchte, ob virtuelle Ablenkungen im Zahnarztstuhl die Angst von Patienten während zahnärztlicher Routine-Verfahren – wie die Versorgung mit Füllungen und Zahnextraktionen – lindern können.

Die Patienten, die sich bereit erklärt hatten, an der Studie teilzunehmen, wurden zufällig einer von drei Gruppen zugeordnet:

  1. Standardversorgung (d.h. normale Zahnarztpraxis),
  2. ein virtueller Spaziergang am Wembury-Strand in Devon (mit einem Headset und Handheld-Controller) oder
  3. ein Spaziergang in einer anonymen Stadt in der virtuellen Realität.

Die Ergebnisse zeigten, dass diejenigen, die am Strand von Wembury herumspazierten, weniger ängstlich waren, über weniger Schmerzen berichteten und eine Woche später mehr positive Erinnerungen an ihre Behandlung hatten, als die Patienten der Standardversorgung.

Diese Vorteile zeigten sich nicht bei denjenigen, die in der virtuellen Stadt herumgingen.

Einfache Ablenkung (wie das Spazierengehen in der Stadt) ist nicht genug, sagen die Psychologen.

Das Erleben der Natur (auch wenn sie virtuell war) half besser zu entspannen und die Angst zu lindern, sagte Studienautorin Dr. Karin Tanja-Dijkstra; was diese Behandlung grade auch für Zahnarztphobiker (Menschen mit großer Angst vor der Zahnbehandlung) interessant macht.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Plymouth, Environment & Behavior; Juni 2017

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