Virtuelle Therapie: Kann sie Menschen mit Depression helfen?
16.02.2016 Eine beeindruckende neue Therapiemethode, die sich der virtuellen Realität (VR) bedient, konnte Depressive dazu bringen, mitfühlender und weniger kritisch sich selbst gegenüber zu sein, wodurch die depressiven Symptome reduziert wurden.
An der Machbarkeitsstudie nahmen 15 depressive Patienten im Alter zwischen 23 und 61 Jahren teil. Neun berichteten einen Monat nach der Therapie über reduzierte Depressionssymptome, von denen vier eine klinisch bedeutsame Linderung des Depressionsschweregrad erfuhren.
Embodiment
Die Patienten in der Studie trugen ein VR-Headset und schlüpften in die Perspektive eines ‚Avatars in Lebensgröße‘ bzw. eines virtuellen Körpers.
Sahen sie ihren virtuellen Körper in einem Spiegel in der VR sich auf dieselbe Weise wie ihren eigenen Körper bewegen, erschuf dies die Illusion, es wäre ihr eigener Körper.
Dies wird als ‚Embodiment‘ (These aus der Kognitionswissenschaft, wonach Bewusstsein einen Körper braucht) bezeichnet.
Selbsttrost
Während der ‚Verkörperung‘ im erwachsenen Avatar, wurden die Teilnehmer angewiesen, Mitgefühl gegenüber einem deprimierten virtuellen Kind auszudrücken. Während sie mit dem Kind redeten, hörte dieses allmählich auf zu weinen und reagierte positiv auf das gezeigte Mitgefühl.
Nach einigen Minuten wurden die Patienten in den virtuellen Körper des Kindes versetzt und sahen, wie der erwachsene Avatar mit ihren eigenen mitfühlenden Worten und Gesten zu ihnen sprach.
Dieses kurze 8-minütige Szenario wurde dreimal in wöchentlichen Intervallen wiederholt.
Extreme Selbstkritik
Personen, die unter Ängsten und Depressionen leiden, können extrem selbstkritisch sein, wenn die Dinge in ihrem Leben schief laufen, sagte Studienautor Professor Chris Brewin vom University College London in der Zeitschrift British Journal of Psychiatry Open.
„In dieser Studie adressieren die Patienten ihr Mitgefühl indirekt an sich selbst, indem sie das Kind trösten und dann ihre eigenen Worte des Trostes hören. Das Ziel war es, den Patienten beizubringen, mitfühlender und weniger selbstkritisch zu sich zu sein, und wir sehen vielversprechende Ergebnisse.“
Auswirkung auf Alltagsleben
Einen Monat nach der Studie beschrieben mehrere Patienten, wie sich ihre Reaktionen auf tatsächliche Situationen im Leben – in denen sie zuvor selbstkritisch gewesen wären – geändert hatten.
Die Proof-of-Concept-Studie ist vielversprechend, kann aber als eine kleine Studie ohne eine Kontrollgruppe nicht zeigen, ob die Intervention für die klinische Verbesserung verantwortlich ist, weshalb die Forscher eine größere kontrollierte Studie planen.
Wenn die Befunde bestätigt werden können, dann hat diese Therapie ein großes Potential. Systeme mit virtueller Realität werden immer günstiger grade auch für den Heimgebrauch, wodurch sie für jeden nutzbar wären, sagte Koautor Mel Slater von der ICREA-University of Barcelona.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University College London, University of Barcelona, British Journal of Psychiatry Open; Feb. 2016
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