Psychische Erkrankungen und das Kleinhirn

Die Verknüpfung multipler psychischer Erkrankungen mit dem Kleinhirn

10.05.2017 Eine Studie der Universität Duke konnte bestimmte Unterschiede in der Gehirnstruktur (im Kleinhirn und im Pons) mit verschiedenen Formen psychischer Störungen verbinden.

Mehrere Studien zeigen, dass viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung oft auch mehrere psychische Störungen zugleich haben.

Untersuchung gemeinsamer Mechanismen u. Risikofaktoren

Die hohe Zahl der Patienten, die unter multiplen Formen geistiger Krankheiten leiden, haben viele Forscher ihren Fokus weg von der Untersuchung individueller Störungen hin zur Erforschung gemeinsamer Mechanismen oder Risikofaktoren, die allen Formen psychiatrischer Erkrankungen zugrunde liegen könnten, verschieben lassen.

Die aktuellen Befunde basieren auf persönlichen Interviews und Gehirnscans von 1.246 Studenten der Duke University. Psychische Verfassung und MRT-Scans wurden analysiert; Teilnehmer mit psychiatrischen Symptomen an psychologische Behandler verwiesen.

Pons und Cerebellum

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Bild: Henry Vandyke Carter

Es zeigten sich Unterschiede in unerwarteten Gebieten des Gehirns, die sich über viele Formen psychischer Erkrankungen ähnelten: im Cerebellum – oder auch Kleinhirn genannt – und im Pons; Strukturen, die z.B. eine Rolle spielen, komplizierte Bewegungen zu koordinieren.

Jüngste Analysen zu Daten der psychischen Verfassung haben gezeigt, dass psychiatrische Symptome dazu neigen, ausgeprägt miteinander in Beziehung zu stehen. Das bedeutet zum Beispiel, dass eine Person mit Symptomen einer Angststörung mit größerer Wahrscheinlichkeit auch Symptome anderer Erkrankungen wie Depression, Bipolare Störung oder Zwangsstörung aufweisen.

Komorbidität häufigerer Formen psychischer Störungen

Die Forscher haben diese Korrelationen in einem Punktewert namens „P-Faktor“ zusammengefasst.

Höhere P-Faktor-Werte zeigen eine größere Komorbidität häufigerer Formen psychischer Störungen an, und werden mit einer größeren Dysfunktion, schwerer verlaufenden Krankheiten und häufigeren Krankenhausaufenthalten verbunden, sagte Studienautor Psychologie-Professor Ahmad Hariri.

Hariri und die Psychologin Adrienne Romer wollten wissen, ob diese P-Faktor-Werte mit spezifischen Veränderungen im Gehirn verbunden werden konnten, was vielleicht mehr Licht auf die Entstehung dieser Störungen werfen würde.

Sie verwendeten die Daten der Gehirnscans, um Verbindungen zwischen den P-Faktor-Scores und dem Volumen der grauen Substanz und der „Integrität“ der weißen Substanz im Gehirn zu finden.

Geringeres Volumen im Kleinhirn

Überraschenderweise fanden sie, dass höhere P-Faktor-Werte mit einem geringeren Volumen der grauen Substanz im Cerebellum (Kleinhirn) einhergingen. Diese Hirnregion ist bislang eher mit den motorischen Funktionen und der Koordination verbunden worden als mit Emotionen und Denken.

Höhere P-Faktor-Punkte waren auch auch mit einer geringeren Integrität der weißen Substanz innerhalb des Pons (Abschnitt des Gehirns, der zusammen mit dem Kleinhirn zum Metencephalon (Hinterhirn) gehört) verknüpft, der die Verbindungen zwischen Kleinhirn und höherwertigen Denkzentren im präfrontalen Cortex (PFC) verbindet.

Diese Verbindungen spielen bekanntermaßen eine Schlüsselrolle hinsichtlich des Feedbacks darauf, wie synchron unsere Bewegungen mit unserem inneren Modell dessen laufen, was wir zu erreichen hoffen, so dass wir uns aktualisieren und den Kurs entsprechend ändern können, schreiben die Psychologen im Fachblatt Molecular Psychiatry.

Die Signalwege in der weißen Substanz können auch eine ähnliche Rolle beim Feedback spielen, das uns hilft, besser unsere Gedanken und Emotionen zu regulieren, sagen die Forscher.

Die Psychologen planen, die Studien mit anderen Populationen zu wiederholen, und detaillierte MRT-Scans des Kleinhirns zu machen, um genauer zu erforschen, welche Rolle diese Gehirnregion bei der psychischen Verfassung spielt.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Duke, Molecular Psychiatry – http://dx.doi.org/10.1038/mp.2017.57; April 2017

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