Formen der Zwangsstörungen

Experten klären über häufige Fehlannahmen zu Zwängen auf

25.11.2017 Während die meisten Menschen schon von Zwangsstörungen gehört haben, gibt es viele Missverständnisse bzw. Fehlannahmen darüber, was es wirklich bedeutet, unter dieser Störung zu leiden. Eine Expertin vom Baylor College of Medicine gibt Auskunft über häufige fehlerhafte Annahmen zu Formen bzw. Arten und die besten Behandlungsmöglichkeiten für diese Erkrankung.

Intrusionen

Die Störung zeichnet sich durch ihre Zwänge und Obsessionen aus, die durch unerwünschte, aufdringliche (intrusive) Gedanken verursacht werden. Die Betroffenen wollen diese Gedanken nicht, und sie verursachen Angst, weshalb sie immer wiederkehrende Rituale ausführen, die ihnen aber keine Freude und Vergnügen bringen. Sie tun dies, weil sie glauben, sie müssten es, um die Gedanken loszuwerden, schreibt Dr. Elizabeth McIngvale.

Sie erklärt, dass eine der Fehlannahmen über Zwangsstörungen ist, dass es nur einen generellen Typ gibt, aber in Wirklichkeit gibt es viele verschiedene Kategorien / Formen der Erkrankung.

Liste

Einige der Hauptformen sind:

  • Reinigungs- und Waschzwänge (Kontaminationsängste): Dazu gehören oft die Angst vor Keimen, die Angst vor durch Blut übertragbaren Krankheiten und die Angst vor häuslichen oder umweltbedingten Verunreinigungen.
  • Moralische Zwänge, religiöse Zwangsgedanken: Dies ist eine Form bei der sich die Betroffenen in sich wiederholenden Ritualen um Gebet, Moral oder Glauben ergehen. Sie stecken in diesen Verhaltensweisen fest und verrichten sie auf einer moralischen oder religiösen Basis.
  • Kontrollzwänge: Personen mit dieser Art von Zwangserkrankung schließen ihre Haustüren, Schlösser mehrfach ab oder kontrollieren ihre Haushaltsgeräte immer wieder und führen viele Rituale durch, um zu verhindern, dass etwas Schlimmes passiert.
  • Symptomatische Zwangsstörung: Diese kann der Hypochondrie sehr ähnlich werden, bei der die Betroffenen intrusive bzw. aufdringliche Gedanken haben, dass sie an einer Krankheit irgendeiner Art erkrankt sind, und dass sie sich in Zwänge rund um die Ängste vor einer Krankheit hineingezogen fühlen.
  • Perfektionismus-Zwang: Diese Form der Zwangsstörung kann z.B. stundenlanges Lesen oder Umschreiben von Dokumenten beinhalten, um sicherzustellen, dass alles richtig gemacht wird, obwohl der Betroffene weiß, dass es richtig gemacht wurde.
  • Sexuelle intrusive Gedanken: Das sind unerwünschte, aufdringliche Gedanken um sexuelle Verhaltensweisen, die die Betroffenen oft grotesk, entsetzlich oder abstoßend finden und sie führen verschiedene Rituale durch, um die Gedanken loszuwerden.
  • Zwangsgedanken, jemanden zu verletzen oder zu töten: Die Betroffenen fürchten, dass sie jemandem gewaltsam schaden oder verletzen könnten, obwohl es dafür keine Vorgeschichte und/oder Absicht gibt. Ein Zwang für Personen mit dieser Art von Zwangsneurose ist es oft, alle scharfen Gegenstände aus ihrem Haus zu entfernen oder alle Gegenstände, die als Waffen verwendet werden könnten.

Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

Eine weitere große Fehlannahme über Zwangserkrankungen ist, dass es sich um eine Persönlichkeitsstörung handelt, sagte McIngvale. Es gibt eine Persönlichkeitsstörung, die als zwanghafte oder anankastische Persönlichkeitsstörung bekannt ist, aber die ist etwas ganz anderes als eine Zwangsstörung, sagte sie.

mann verzweifelt
Bild: Gert Altmann

Die Gesellschaft glaubt oft, dass die Zwangsneurose eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist. Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung können ihren Schrank perfekt organisieren, haben alle ihre Artikel farbkodiert und nach Typ, Art oder Kategorie sortiert, oder wenn Sie ihren Kühlschrank öffnen, sind alle ihre Etiketten perfekt aneinandergereiht und alles hat seinen Platz.

Doch Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung berichten oft, dass sie keine unerwünschten, aufdringlichen Gedanken haben und es auch keine Angst gibt, die sie zu diesen Verhaltensweisen zwingt.

Sie organisieren die Dinge einfach auf eine bestimmte Art und Weise oder verhalten sich zwanghaft, weil sie sich dadurch besser fühlen, sagte McIngvale.

Bei einer Zwangsstörung genießt der Einzelne nicht das was er tut – es gibt nichts, was ihm gefällt, er tut es, weil er das Gefühl hat, dass er es tun muss, um die intrusiven Gedanken oder die Angst loszuwerden. Es ist belastend und erschöpfend, und nicht etwas, das dem Betroffenen ein besseres und produktiveres Gefühl gibt, wenn er fertig ist, schreibt die Psychiaterin.

Beratung und Hilfe

Für Personen, die der Meinung sind, dass sie eine Zwangsneurose haben, empfiehlt McIngvale die Suche nach einem Verhaltenstherapeuten, der sich auf response prevention therapy (ERP; Exposition und Rückfallprävention oder Reaktionsverhinderung oder -management genannt) spezialisiert hat – eine spezifische Form der kognitiven Verhaltenstherapie gegen Zwangsverhalten.

Es ist die am besten erforschte, wirksamste und bekannteste Behandlung gegen Zwangsgedanken und -verhalten. Sie fügte hinzu, dass Betroffene auch einen Psychiater aufsuchen können, der sich auf die Behandlung von Zwängen mit Medikamenten spezialisiert hat.

Leider ist die Zwangserkrankung eine der Störungen, bei der die Betroffenen im Durchschnitt etwa 25 Jahre warten, bis sie eine Diagnose und richtige Behandlung erhalten, sagte McIngvale, aber sie möchte wirklich sicherstellen, dass jeder mit einer Zwangsstörung weiß, dass es Hoffnung gibt und Hilfe zur Verfügung steht.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Baylor College of Medicine; Nov. 2017

Weitere Auftretensformen, Arten, Beispiele

  • Ordnungszwang: der Zwang, andauernd alles oder bestimmte Dinge in einer perfekten Ordnung auszurichten;
  • Berührzwang: der Zwang, ganz bestimmte Sachen oder Dinge anfassen zu müssen oder sie nicht anfassen zu dürfen;
  • Wiederhol- und Zählzwänge oder verbale Zwänge: der Zwang, bestimmte Phrasen, Sätze, Worte oder Melodien ständig aufsagen bzw. wiederholen zu müssen;
  • Sammelzwänge (zwanghaftes Horten; Messie-Syndrom): Zwang, bestimmte Dinge zu sammeln mit der Angst, aus Versehen etwas Wertvolles oder Wichtiges wegzuwerfen;
  • Zwanghafte Langsamkeit: der Zwang, bestimmte Dinge mit äußerster Langsamkeit zu verrichten.

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