Bei Bedrohung werden schwächere Fakten akzeptiert, die zu unerwünschten Schlussfolgerungen führen
31.07.2021 Wenn Menschen unter Stress stehen, ziehen sie schlechtere Schlussfolgerungen – basierend auf schwächeren Hinweisen – als wenn sie entspannt sind laut einer im Journal of Neuroscience veröffentlichten Studie.
Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen unter Stress eher zu dem Schluss kommen, dass das schlimmste Szenario wahr ist.
Die Hauptautorin Professor Tali Sharot (University College London Psychology & Language Sciences und Max Planck UCL Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research) sagt:
Viele der wichtigsten Entscheidungen – von finanziellen bis hin zu medizinischen und beruflichen Entscheidungen – werden getroffen, während man sich gestresst fühlt. Diese Entscheidungen erfordern häufig, dass man zunächst Informationen sammelt und die Fakten abwägt. So konsultiert man beispielsweise mehrere Ärzte, bevor man sich für die beste medizinische Behandlung entscheidet. Die Psychologen wollten herausfinden: Verändert Stress, wie man die gesammelten Informationen verarbeitet und nutzt?
Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen unter Stress jeden Hinweis, der unerwünschte Schlussfolgerungen unterstützt, stärker gewichten, als wenn sie entspannt sind. Im Gegensatz dazu wird die Gewichtung von Belegen, die erwünschte Schlussfolgerungen unterstützen, nicht durch Stress beeinflusst. Infolgedessen ist es wahrscheinlicher, dass Menschen das Schlimmste folgern, wenn sie gestresst sind.
Das Experiment
Für die Studie spielten 91 Freiwillige ein Kategorisierungsspiel, bei dem sie so viele Beweise sammeln konnten, wie sie wollten, um zu entscheiden, ob sie sich in einer wünschenswerten Umgebung (die mit Belohnungen verbunden war) oder einer unerwünschten Umgebung (die mit Verlusten verbunden war) befanden. Sie wurden für ihre Genauigkeit belohnt.
Vor dem Spiel wurde 40 der Probanden mitgeteilt, dass sie eine öffentliche Rede halten müssten, die von einem Expertengremium beurteilt werden würde. Dies führte dazu, dass sie sich gestresst und ängstlich fühlten.
Die Forscher stellten fest, dass die Probanden unter Stress weniger Anhaltspunkte brauchten, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie sich in einer unerwünschten Umgebung befanden. Im Gegensatz dazu änderte der Stress nichts an der Stärke der Fakten, die für die Schlussfolgerung erforderlich waren, dass sie sich in der erwünschten Umgebung befanden.
Die Hauptautorin Laura Globig sagte:
Normalerweise denken wir, dass stressige Situationen unseren Entscheidungsprozess behindern. Das von uns aufgedeckte Lernmuster könnte jedoch kontraintuitiv adaptiv sein, da negative Überzeugungen Menschen dazu bringen können, in bedrohlichen Umgebungen besonders vorsichtig zu sein.
© psylex.de – Quellenangabe: The Journal of Neuroscience (2021). DOI: 10.1523/JNEUROSCI.3194-20.2021