Wie die Stimmung die Sprachverarbeitung beeinflusst

Negativer Affekt verstärkt Reanalyse von Konflikten zwischen Diskurskontext und Allgemeinwissen

Wie die Stimmung die Sprachverarbeitung beeinflusst

14.01.2023 Wenn Menschen in einer negativen Stimmung sind, erkennen sie möglicherweise schneller Ungereimtheiten in Gelesenem laut einer neuen Studie unter Leitung der University of Arizona.

Die in der Zeitschrift Frontiers in Communication veröffentlichte Studie stützt sich auf bestehende Forschungsergebnisse darüber, wie das Gehirn Sprache verarbeitet.

Vicky Lai, Assistenzprofessorin für Psychologie und kognitive Wissenschaften an der Universität von Arizona, untersuchte zusammen mit Kollegen in den Niederlanden, wie das Gehirn von Menschen auf Sprache reagiert, wenn sie in einer glücklichen Stimmung sind, im Gegensatz zu einer negativen Stimmung.

„Stimmung und Sprache scheinen von unterschiedlichen Gehirnnetzwerken unterstützt zu werden. Aber wir haben nur ein Gehirn, und beide werden im selben Gehirn verarbeitet, es gibt also eine Menge Wechselwirkungen“, sagte Lai. „Wir haben gezeigt, dass Menschen in einer negativen Stimmung vorsichtiger und analytischer sind. Sie hinterfragen, was tatsächlich in einem Text steht, und greifen nicht einfach auf ihr Standard-Allgemeinwissen zurück.“

Wie das Gehirn je nach Stimmung auf Ungereimtheiten reagiert

Lai und ihre Mitautoren Jos van Berkum von der Universität Utrecht und Peter Hagoort vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in den Niederlanden manipulierten die Stimmung der Studienteilnehmer, indem sie ihnen Ausschnitte aus einem traurigen Film – „Sophie’s Choice“ – oder einer lustigen Fernsehsendung – „Friends“ – zeigten. Mit Hilfe eines computergestützten Fragebogens wurde die Stimmung der Teilnehmer vor und nach dem Ansehen der Clips ermittelt. Während die lustigen Clips keinen Einfluss auf die Stimmung der Teilnehmer hatten, gelang es den traurigen Clips, die Teilnehmer in eine negativere Stimmung zu versetzen, fanden die Forscher heraus.

Anschließend hörten sich die Teilnehmer eine Reihe emotional neutraler Audioaufnahmen von Geschichten mit vier Sätzen an, die jeweils einen „kritischen Satz“ enthielten, der entweder das Standard- oder das vertraute Allgemeinwissen unterstützte oder störte. Dieser Satz wurde Wort für Wort auf einem Computerbildschirm angezeigt, während die Gehirnströme der Teilnehmer mit Hilfe des EEG, einem Test zur Messung von Gehirnströmen, überwacht wurden.

Die Forscher legten den Studienteilnehmern beispielsweise eine Geschichte über das Autofahren bei Nacht vor, die mit dem kritischen Satz endete: „Wenn das Licht an ist, sieht man mehr“. In einer anderen Geschichte über die Sternenbeobachtung wurde derselbe kritische Satz in „Mit eingeschaltetem Licht sieht man weniger“ umgewandelt. Obwohl diese Aussage im Zusammenhang mit der Sternenbeobachtung korrekt ist, ist die Vorstellung, dass man durch das Einschalten des Lichts weniger sieht, ein viel weniger vertrautes Konzept, das dem Standardwissen widerspricht.

Die Forscher legten auch Versionen der Geschichten vor, in denen die kritischen Sätze ausgetauscht wurden, so dass sie nicht in den Kontext der Geschichte passten. Die Geschichte über das Autofahren bei Nacht enthielt zum Beispiel den Satz „Mit eingeschaltetem Licht sieht man weniger“.

Anschließend untersuchten sie, wie das Gehirn je nach Stimmung auf die Ungereimtheiten reagierte.

Re-Analyse von Aussagen

Sie fanden heraus, dass die Teilnehmer in negativer Stimmung Gehirnaktivität zeigten, die eng mit der Re-Analyse verbunden ist.

„Die Stimmung spielt also eine Rolle und vielleicht sollten wir bei bestimmten Aufgaben auf unsere Stimmung achten“, sagte Lai. „Wenn wir schlecht gelaunt sind, sollten wir vielleicht Dinge tun, die eher detailorientiert sind, wie zum Beispiel Korrekturlesen“.

Die Studienteilnehmer führten das Experiment zweimal durch – einmal in negativer Stimmung und einmal in guter Stimmung. Jeder Versuch fand im Abstand von einer Woche statt, wobei jedes Mal dieselben Geschichten präsentiert wurden.

„Es sind dieselben Geschichten, aber in verschiedenen Stimmungen nimmt das Gehirn sie unterschiedlich wahr, wobei die traurige Stimmung die analytischere ist“, so Lai.

Einfluss der Stimmung

Lai und ihre Kollegen sind der Meinung, dass die Stimmung mehr Einfluss auf uns hat, als uns bisher bewusst war.

„Wenn man darüber nachdenkt, wie sich die Stimmung auf die eigene Person auswirkt, denken viele Menschen nur daran, mürrisch zu sein, mehr Eis zu essen oder – im besten Fall – das Gespräch eines anderen Menschen voreingenommen zu interpretieren“, so van Berkum.

„Aber es geht viel mehr vor sich, auch in unerwarteten Ecken unseres Geistes. Das ist wirklich interessant. Stellen Sie sich vor, dass Ihr Laptop je nach Batteriestand mehr oder weniger präzise arbeitet – das ist undenkbar. Aber in der menschlichen Informationsverarbeitung und vermutlich auch in der (Informationsverarbeitung) verwandter Spezies scheint etwas Ähnliches vor sich zu gehen.“

© Psylex.de – Quellenangabe: Frontiers in CommunicationDOI: 10.3389/fcomm.2022.910482

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