Wie das Gehirn eine neue Umgebung wahrnimmt und sich daran erinnert

Wie das Gehirn eine neue Umgebung wahrnimmt und sich daran erinnert

30.08.2021 31 männliche Studenten sollten sich in verschiedenen virtuellen Räumen bewegen (Frauen sind in virtuellen Umgegebungen anfälliger für die Entwicklung von Übelkeit), während sie in einem MRT-Gerät lagen, das ihre Gehirne scannte. Ausgestattet mit einer VR-Brille und einem Joystick hatten die Teilnehmer in jedem Raum 30 Sekunden Zeit.

Die Aufgabe bestand darin, sich den Raum und die Objekte zu merken. Danach durften sie sich ausruhen, und schließlich erhielten sie eine ablenkende Aufgabe, bei der sie andere Teile des Gehirns benutzen mussten. Die Gehirnaktivität wurde während aller Phasen aufgezeichnet.

Der Forscher Hallvard Røe Evensmoen und die Professorin Asta Kristine Håberg vom Department of Neuromedicine and Movement Science der Norwegian University of Science and Technology setzten bei dem Forschungsprojekt funktionelle MRT und selbst entwickelte Computersysteme ein.

Die Systeme lieferten neue Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn einen neuen Ort oder eine neue Landschaft wahrnimmt und sich daran erinnert.

Der Forschungsbericht wurde in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlicht.

Überraschende Entdeckung Nr. 1: Wir erinnern uns an das Wo, aber nicht an das Was

Es stellte sich heraus, dass es den Versuchspersonen leichter fiel, sich daran zu erinnern, wo die Dinge platziert waren, als daran, was genau an dem jeweiligen Ort platziert war.

In den extremsten Fällen konnten sich die Probanden genau an das Positionsmuster der Orientierungspunkte erinnern, ohne sich zu merken, welche Orientierungspunkte sich wo befanden. Unser Gehirn ist eindeutig darauf eingestellt, sich die Positionen von Orientierungspunkten zu merken, sagt Evensmoen.

Die Analyse der Daten aus dem MRT-Scan zeigte, dass das Erinnern von Positionen und das Erinnern von Objekten, die mit den Positionen verbunden sind, in zwei verschiedenen, aber synchronisierten Netzwerken im Gehirn repräsentiert sind.

In der bisherigen Forschung wurde zwischen diesen beiden Teilen des Gedächtnisses nicht unterschieden.

Die Kodierung der Funktionen ist unterschiedlich, aber sie befinden sich im gleichen Bereich des Gehirns, dem medialen Teil des Schläfenlappens, wo sich der Hippocampus und andere Gedächtnisbereiche befinden, sagt Håberg.

Überraschende Entdeckung 2: Gute Netzwerke bedeuten alles

Ihre Forschungen ergaben auch, dass mehr Teile des Gehirns als bisher angenommen an der Erinnerung an eine neue Umgebung beteiligt sind.

Ein umfangreiches Netzwerk von Hirnarealen muss eng zusammenarbeiten, wenn wir eine kognitive Karte – eine Vorstellung in unserem Gehirn – von einer neuen Umgebung bilden.

Die kognitive Karte wird in einem Netzwerk von Hirnarealen mit synchronisierter Aktivierung und sich überschneidenden Funktionen gebildet, so die Forscher.

Bereiche, die für das Sehen und die Gefühle wichtig sind, sind auch für die Erinnerung an einen neuen Ort wichtig.

Bisher ging man davon aus, dass das räumliche Gedächtnis mit dem Hippocampus als einer Art zentralem Knotenpunkt organisiert ist, aber das stimmt nach den neuesten Forschungsergebnissen von Evensmoen und Håberg nicht ganz.

Die Probanden mit den meisten parallelen Verbindungen im Gehirn waren diejenigen, die sich am besten daran erinnern konnten, wo genau in der Umgebung sich Objekte befanden.

Effektive Netzwerke sind entscheidend dafür, wie gut man sich Positionen und Objekte an einem neuen Ort merken kann, sagt Evensmoen.

Überraschende Entdeckung 3: Das Gehirn arbeitet vor allem im Ruhezustand

Das Experiment zeigte auch, dass die Gehirnaktivität zunahm und dass noch mehr Verbindungen im Gehirn in der Ruhephase aktiviert wurden, nachdem die Teilnehmer sich in den einzelnen Räumen bewegt hatten.

Ein zweites Ergebnis unserer Forschung war, dass die Gehirnaktivität der Teilnehmer in der Ruhephase größer war als während der Bewegung in den Räumen, schreiben die Forscher. Das Gehirn arbeitete weiter an der Erstellung einer kognitiven Karte, auch wenn sie sich nicht mehr in der Umgebung bewegten, so Evensmoen und Håberg. Sie halten dies für eine sehr interessante Entdeckung, die sich gut mit früheren Erkenntnissen deckt.

Was man tagsüber erlebt, setzt sich im Gehirn fort, wenn man schläft. Ein Nickerchen am Tag stärkt das Gedächtnis, fügt Håberg hinzu.

© Psylex.de – Quellenangabe: Cell Reports (2021). DOI: 10.1016/j.celrep.2020.108658

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