Bipolare Störung: Diagnose

Diagnose oft falsch

Nur 40 Prozent der Kliniker diagnostizierten die Bipolare Störung richtig, wenn ihnen ein definitiver Fall präsentiert wird, und es sind Fälle heuristischer (Problemlösung durch trial and error) Ausrichtung, wie eine Studie zeigt.

Die Kliniker machten wahrscheinlicher eine richtige Diagnose, wenn mehr Symptome präsent waren – was bedeutet, dass Patienten, die gerade eben die Schwellenkriterien erreichen eher nicht erkannt werden laut Larissa Wolkenstein, Ph.D. (Universität von Tübingen, Deutschland) und Kollegen.

Durch die hohe Prävalenz und das hohe Suizid-Risiko bei der bipolaren Störung, scheint es wesentlich, dass Kliniker gut trainiert sind, um die bipolare Störung richtig zu diagnostizieren, sagten die Forscher im Journal of Affective Disorders.

Einige Studien haben heuristische Verzerrungen bei der Diagnose von Bipolarer Störung gezeigt, zum Beispiel ein unverhältnismäßiges Gewicht auf bestimmte „prototypische Symptome“, wie reduzierter Bedarf nach Schlaf.

Um die Diagnostik der Psychotherapeuten besser erfassen zu können, gaben die Forscher 204 Psychotherapeuten einen Fall, der die Kriterien für bipolare Störung erfüllte.

Die Basisvignette war ein Patient, der Depression und Befunde von drei der sieben möglichen Hypomanie-Symptomen (gehobene, energische und reizbare Stimmung, aber nicht vollständig manisch) auf dem DSM-IV zeigte. Dies wurde modifiziert um ein zusätzliches viertes hypomanisches Symptom: reduziertes Schlafbedürfnis oder Zerstreuung – so gab es drei verschiedene Vignetten.

In 60% der Fälle falsch

Außerdem schloss die Hälfte aller Vignetten eine potentielle Erklärung für Hypomanie ein – Treffen mit einem neuen Partner (was keine Diagnose auf dem DSM-IV ausschließt).

Insgesamt wurde die bipolare Störung in 41,0% der Fälle richtig diagnostiziert; in 59,0 Prozent der Fälle war eine andere Diagnose gemacht worden, hauptsächlich unipolare Depression (50,3 Prozent). Sieben (3,8 %) jener Therapeuten notierten sich jedoch, dass sie die Diagnose Bipolare Störung im Verdacht hatten.

Die Analyse zeigte, dass die Fallvignetten mit vier hypomanischen Symptomen häufiger richtig (mit reduziertem Schlaf 47,3 Prozent; und Zerstreuung 57 %) untersucht wurden, als jene nur mit den drei Basis-Symptomen (20 %), was ein bedeutsames relatives Risiko für Fehldiagnosen von 5,5 ergab, wenn nur die drei Basis-Symptome anwesend waren.

Es gab eine Grenzlinie eines bedeutsamen Trends für einen kausalen Einfluss auf die Diagnose, so dass Vignetten, bei denen der Fall berichtet wurde, dass wenn vor kurzem ein neuer Partner ins Leben trat, es weniger wahrscheinlich wurde, richtig diagnostiziert zu werden, also eine bipolare Störung zu haben.

Schließlich fand die Studie, dass die Kliniker mit Fehldiagnose, weniger wahrscheinlich die richtige Medikation empfahlen.

Wenn therapeutische Strategien vom zugeteilten diagnostischen Etikett abhängen, dann ist es nicht nur ineffizient, sondern sogar schädlich, wenn es eine falsche diagnostische Entscheidung gibt und es wird klar, dass ein standardisiertes diagnostisches Verfahren dringend erforderlich ist, sagten die Forscher.
Quelle: Journal of Affective Disorders, Dez. 2010

Fehldiagnose

Psychische Störungen – Affektive Störungen

Bipolare Störung oft fehldiagnostiziert

Bipolare Störung wird oft als Depression fehldiagnostiziert: in einem Viertel der Fälle, sagt eine neue Studie.

Psychiater Dr. Krishna Gangineni und Dr. Richard Annear, die in Wales arbeiten, überprüften die medizinischen Notizen von – in psychiatrische Dienste zwecks Diagnose – verwiesenen Menschen. Ihre Forschung wurde bei der Royal College of Psychiatrists‘ 2009 Jahrestagung in Liverpool präsentiert.

Fehldiagnosen bei 25 Prozent der Patienten

Sie stellten fest, dass über 25 Prozent der Patienten mit bipolarer Störung fehldiagnostiziert wurden; ihre Störung wurde anfangs als unipolare Depression eingestuft.

Fehldiagnosen treten oft auf, weil die Symptome bipolarer Störung mit Depression und anderen affektiven Krankheiten überlappen. Jedoch kann eine fehlerhafte Diagnose ernste Probleme verursachen. Zum Beispiel, wenn die Patienten falsch verschriebene Antidepressiva bekommen, kann dies ihre bipolare Krankheit verschlimmern.

Gangineni und Annear sagten: „Unsere Studie fand heraus, dass bipolare Störung als unipolare Störung fehldiagnostiziert wurde; bei mehr als 25 Prozent der Patienten, die zuerst einen professionellen Dienstleister im Gesundheitswesen aufsuchten.

Die richtige Diagnose von bipolarer Störung und ihre adäquate Behandlung ist höchst wichtig, weil die BAS einen hohen persönlichen und gesellschaftlichen Zoll fordert: Hohe Raten bei Selbstmord und mit zwischenmenschlichen Problemen und einer wesentlichen ökonomischen Belastung einhergehend, schlossen sie.
Quelle: Royal College of Psychiatrists 2009

Durchschnittlich 6 Jahre Verzögerung zwischen Beginn und Diagnose

27.07.2016 Laut einer im Fachblatt Canadian Journal of Psychiatry veröffentlichten internationalen Studie der University of New South Wales und der italienischen Universität Bari verstreichen wichtige Gelegenheiten der Behandlung der Bipolaren Störung, weil die Betroffenen im Schnitt sechs Jahre nach dem Ausbruch ihrer Erkrankung bis zur Diagnose und Behandlung warten müssen.

BAS bleibt oft lange unerkannt

Die Meta-Analyse von 27 Studien mit 9.415 Patienten wurde geleitet vom Psychiatrie-Professor Matthew Large und seinem Kollegen Dr. Giovannis de Girolamos vom St John of God Research Centre, Italien.


Bild: United States National Institutes of Health

Viele Patienten erleben die belastenden und störenden Symptome viele Jahre lang bis sie eine angemessene Behandlung für Bipolare Störung erhalten, die vorher unter dem Namen manische Depression bekannt war.

Bei jungen Menschen noch länger

Laut Prof. Large ist die Verzögerung bei jungen Leuten oftmals größer, weil die Stimmungsschwankungen von Eltern und Ärzten oftmals als normales Auf und Ab der Teenagerjahre fehlinterpretiert bzw. fehldiagnostiziert, und nicht als die Entstehung der Bipolaren Affektiven Störung (BAS) erkannt wird, die mit stimmungsstabilisierenden Medikamenten effektiv behandelt werden kann.

Dies sei aber eine verlorene Gelegenheit, weil Schwere und Häufigkeit der Episoden mit Medikamenten und anderen Interventionen verringert werden können, sagte Large.

Schwierige Diagnostik

Während einige Patienten – besonders diejenigen mit Psychosen – wahrscheinlicher rechtzeitig behandelt werden, kann die Diagnose der frühen Phase der BAS schwierig bzw. falsch und anfällig für Fehldiagnosen sein.

Das läge daran, sagte er, weil psychologische Kliniker und Psychiater manchmal außer Stande seien, die depressive Phase der BAS von anderen Depressionstypen zu unterscheiden.

Kliniker sollten sich näher mit den Stimmungssymptomen eines Patienten in dessen Vergangenheit befassen, nach verschiedenen Veränderungen der Stimmung und anderen Risikofaktoren schauen, wie zum Beispiel, einer Familiengeschichte und Stimmungsschwankungen ausgelöst durch externe Ereignisse wie Behandlung mit Antidepressiva, Auslandsreisen und Drogenkonsum, sagte Large.

Die Forscher rufen zu weiteren Studien zu frühen Symptomen und Prädiktoren der Bipolaren Störung und der Gründe für die Behandlungsverzögerung auf.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of New South Wales, Universität Bari, Canadian Journal of Psychiatry – doi:10.1177/0706743716656607; Juli 2016

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