Nikotinabhängigkeit bei Schizophrenie
Schizophrene rauchen nicht nur häufiger, sie rauchen auch stärker als die Allgemeinheitbevölkerung, was einige Forscher glauben lässt, dass Nikotin als Behandlung für einige Schizophrenie-Symptome wirkt.
Rauchen bietet Anhaltspunkte für Schizophrenie-Behandlung
Zwei in der Januarausgabe von Biological Psychiatry herausgegebene Studien legen nahe, dass Medikamente – die nikotinhaltige Rezeptoren im Gehirn stimulieren – die kortikalen Funktionen verbessern und mit Schizophrenie verbundene kognitive Beeinträchtigungen behandeln könnten.
Nikotin agiert durch zwei allgemeine Klassen von Gehirnrezeptoren, diejenigen mit hoher und niedriger Bindungsneigung zu Nikotin. Die niedrige Affinitätsklasse von nikotinhaltigen Rezeptoren enthält die sogenannte Alpha-7-Untereinheit, und Menschen mit Schizophrenie haben von dieser weniger als die allgemeine Bevölkerung.
In ihrer Studie mit gesunden Affen fanden Graham Williams, M.D. und Kollegen der Yale University und AstraZeneca heraus, dass sehr niedrige Dosen AZD0328, ein neues Medikament, das als ein Alpha-7 Agonist wirkt, sowohl akute als auch andauernde Verbesserungen bezüglich der Leistung einer räumlichen Arbeitsgedächtnisaufgabe produzierte.
„Unsere Arbeit demonstriert, dass der neuronale nikotinhaltige Alpha-7 Rezeptor eine kritische Rolle spielt bei den kognitive Kernfunktionen des Arbeitsgedächtnisses, was ein Schlüsselindikator des Ergebnisses bei Patienten mit Schizophrenie ist“, erklärte Dr. Williams.
„Die Funktion des Alpha-7 Rezeptors kann die Fähigkeit eines Teilagonisten ausmachen, langfristige nützliche Änderungen für höherwertiges Erkennungsvermögen bei solchen niedrigen Dosen herbeizuführen.“
Dieser Einfluss auf kortikale Funktionen wurde erläutert durch die Arbeit eines Forschungsteams, geleitet von Dr. Jason Tregellas. Diese Forscher prüften die Wirkungen von DMXB A, ein neuartiger Alpha-7 Teilagonist, auf das „Standard-Netzwerk“ des Gehirns bei Schizophrenen.
Das Standard-Netzwerk ist aktiv, wenn das Gehirn ruht und nicht auf externe Aufgaben ausgerichtet ist; es ermöglicht dem Verstand leicht von einem Gedanken zum nächsten „zu wandern“. Dieses Netz ist wahrscheinlich ein größerer ‚Mitarbeiter‘ der intrinsischen neuronalen Aktivität, die 60-80 Prozent des Energieverbrauchs des Gehirns ausmacht, und funktioniert unterschiedlich bei Menschen mit schizophrenen Störungen.
Dr. Tregellas fasst die Befunde zusammen: „Wir stellten fest, dass DMXB A die Netzaktivität bei Schizophrenen in eine mit verbesserter Funktion des Netzes konsistente Muster änderte. Wir stellten auch fest, dass diese neuronalen Differenzen mit dem Genotypus vom Alpha-7 Nikotin-haltigen Rezeptors verwandt waren und zu medikamentenähnlichen Verbesserungen bezüglich der Symptome führte.“
Quelle: Biological Psychiatry, Jan. 2011
Rauchen: Selbstmedikation gegen schizophrene Negativsymptomatik?
17.09.2013 Schizophrene könnten deshalb soviel Zigaretten rauchen, weil das Nikotin ihre Negativsymptomatik reduziert, berichten Forscher.
Negativsymptomatik
Die Negativsymptomtik ist definiert als ein Rückgang oder die Abwesenheit von Eigenschaften, die für ein normales Leben erforderlich sind: z.B.
- Verlust des Interesses an täglichen Aktivitäten,
- Mangel an Gefühlen,
- sozialer Rückzug,
- reduzierte Fähigkeit Aktivitäten zu planen oder auszuführen,
- Vernachlässigung der Körperhygiene und
- Verlust an Motivation.
Selbstmedikation: Nikotin / Rauchen
In zwei großen unabhängigen Stichproben stellten die Forscher fest, dass chinesische schizophrene Männer mehr als doppelt so wahrscheinlich Zigaretten rauchten, wie Männer ohne Schizophrenie, und nur halb so wahrscheinlich mit dem Rauchen aufhörten.
Unter den 1.139 männlichen Patienten mit Schizophrenie war das Rauchen konsistent und deutlich mit einer reduzierten Negativsymptomatik (Positive and Negative Syndrome Scale) verbunden, es blieb konsistent, selbst nachdem die Forscher den Gebrauch von Antipsychotika in die Rechnung miteinbezogen.
Dies war aber die einzige der fünf Dimensionen der gemessenen Symptomatologie, die deutlich reduziert wurde. Rauchen hatte keine Wirkung auf Positivsymptomatik, kognitive oder depressive Symptome, insgesamt, und, obwohl es die Anregung in den zwei Stichproben zusammen zu steigern schien, gab es keine signifikante Verbindung in den einzelnen Stichproben.
Rauchen/Nikotin reduzierte Negativsymptomatik
„Diese Beobachtungen unterstützen die Hypothese, dass Rauchen die Negativsymptomatik bei Schizophreniepatienten lindert, was das starke Rauchverhalten unter Schizophrenen erklären könnte“, sagte Forscher Jimmy Lee vom Institute of Mental Health at Woodbridge Hospital, Singapur.
Ihre Befunde besagten, dass 42,4 Prozent der Patienten mit Schizophrenie gegenwärtig Raucher waren, verglichen mit 16,8 Prozent der 535 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung. Die Lebenszeitprävalenz lag bei 54,1 % versus 29,3 Prozent.
Im Gegensatz zur Vorstellung, dass Schizophreniepatienten rauchen könnten, um die Nebenwirkungen ihrer antipsychotischen Medikamente zu reduzieren, wurde in dieser Studie festgestellt, dass nicht wegen der Antipsychotika oder zur Linderung der Nebenwirkungen geraucht wurde.
Nikotin: Chemische Strukturformel
Nikotin als Behandlungsoption
„Obwohl Rauchen ein breites Spektrum gut bekannter negativer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat, zeigen diese Befunde, dass es sinnvoll sein könnte, über Nikotin in der Behandlung von Schizophrenie nachzudenken“, sagten die Forscher.
Die Forscher bemerken, dass transdermale Nikotinbehandlung sich schon kurzfristig als hilfreich erwiesen hat, die kognitiven Funktionen bei nichtrauchenden Schizophrenen zu steigern.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Institute of Mental Health, Sept. 2013
Rauchen während Schwangerschaft erhöht Schizophrenierisiko für das Kind
24.05.2016 Eine in der Zeitschrift American Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie der Columbia University und finnischen Kollegen zeigt einen Zusammenhang zwischen Nikotinaufnahme (Rauchen) in der Schwangerschaft und einer erhöhten Gefahr für die Entwicklung von Schizophrenie beim Nachwuchs.
Die Forschungsarbeit untersuchte fast 1.000 Fälle von Schizophrenie und verglich sie mit Kontrollteilnehmern ohne die Erkrankung, die in Finnland zwischen 1983 und 1998 geboren wurden.
Bild: Allen Ramos
Die Forscher analysierten in der Studie den Cotinin-Spiegel – ein Abbauprodukt des Nicotins und ein zuverlässiger Nikotin-Biomarker – im mütterlichen Serum.
Die Ergebnisse zeigten, dass ein höherer Cotinin-Spiegel im Blut der Mutter mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie bei ihrem Kind verbunden war.
Starker Nikotinkonsum war mit einem um 38% erhöhtem Schizophrenie-Risiko beim Kind assoziiert – verglichen mit Nicht-Raucherinnen, sagte Studienautor Alan Brown.
Die Ergebnisse wurden hinsichtlich wichtiger Störfaktoren einschließlich der mütterlichen bzw. elterlichen psychiatrischen Anamnese, des sozioökonomischen Status und des mütterlichen Alters bereinigt.
Die Studie stellt den bislang aussagekräftigsten Beleg zur Verfügung, dass Nikotin-Exposition während der Schwangerschaft mit Schizophrenie beim Nachwuchs zusammenhängt.
In einer früheren Studie konnt Brown bereits zeigen, dass Rauchen in der Schwangerschaft auch mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer bipolare Störung verbunden ist.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Columbia University, American Journal of Psychiatry – http://dx.doi.org/10.1176/appi.ajp.2016.15060800; Mai 2016
Rauchen von Tabak erhöht das Risiko für Schizophrenie-Spektrum-Störung, Psychose
22.11.2018 Tabakraucher sind laut einer in der Zeitschrift Frontiers in Psychiatry veröffentlichten Studie einem erhöhten Risiko für psychotische Störungen wie Schizophrenie-Spektrum-Störung ausgesetzt.
James G. Scott von der Universität Queensland und Kollegen fanden in acht Langzeitstudien starke Hinweise auf eine Verknüpfung zwischen Rauchen und psychischen Erkrankungen, die ihrer Meinung nach höchstwahrscheinlich durch Nikotin verursacht werden.
Die Ergebnisse geben Anlass für ernste Bedenken hinsichtlich des zunehmenden Nikotinkonsums durch E-Zigaretten bei jungen Erwachsenen.
Menschen, die Tabak rauchen, haben ein etwa doppelt so hohes Risiko, Schizophrenie oder Psychose zu entwickeln, sagte Dr. Scott.
Während E-Zigaretten einige der mit dem Rauchen verbundenen Schäden reduzieren, müssen die Regierungen das Potenzial zur Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit junger Menschen prüfen.
Sechs der acht Studien fanden einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Tabakrauchen und dem Auftreten von Schizophrenie-Spektrum-Störungen. Diese Forschungsarbeiten berichteten über einen konsistente Verbindung mit einer mittleren bis großen Effektgröße und einer Dosis-Wirkungs-Beziehung.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Frontiers in Psychiatry (2018). DOI: 10.3389/fpsyt.2018.00607
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