Gestörte Stressregulation: Stress wirkt sich bei schizophrenen Menschen unterschiedlich aus
11.07.2018 Stresssituationen wirken sich bei schizophrenen Menschen anders auf Gehirn und Körper aus als bei Menschen ohne psychische Erkrankung oder Personen mit hohem Risiko für die Entwicklung einer Psychose laut einer im Fachblatt Brain veröffentlichten Studie.
Die Beziehung zwischen zwei Chemikalien, die bei Stress freigesetzt werden – eine im Gehirn und die andere im Speichel – unterscheidet sich bei Schizophrenen.
Bild: Gerd Altmann
Die Wissenschaftler fanden eine gestörte Stressreaktion bei Schizophrenen, die weder bei gesunden Personen noch bei Menschen mit einem hohen klinischen Risiko für die Entwicklung einer Psychose auftrat, schreiben Dr. Christin Schifani vom Centre for Addiction and Mental Health und Kollegen.
Da bei den meisten Menschen mit Schizophrenie Psychosen auftreten, kann die Identifizierung von Unterschieden zwischen Menschen mit hohem Psychoserisiko und solchen mit Schizophrenie Aufschluss darüber geben, wie sich die Erkrankung entwickelt und wie sie verhindert werden kann.
Stressquellen erkennen und Bewältigungsstrategien entwickeln
Koautorin Dr. Romina Mizrahi leitet die Focus on Youth Psychosis Prevention (FYPP) Klinik und das Forschungsprogramm am CAMH, das sich der Früherkennung und Behandlung von Menschen im Alter von 16 bis 35 Jahren widmet, die ein hohes Psychoserisiko haben.
Ein Schwerpunkt der Arbeit der Klinik ist es, Menschen dabei zu helfen, Stressquellen zu erkennen und Coping- / Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Die Bewertung der Auswirkungen von Stressbewältigungsstrategien zur Reduzierung von Psychose- und Schizophrenie-Risiken wird ein Ziel der zukünftigen Forschung sein.
Dopamin und Cortisol
In der aktuellen Studie kommen diese neuen Erkenntnisse aus der Untersuchung zweier wichtiger chemischer Botenstoffen – Dopamin und Cortisol – bei Menschen unter Stress.
Dopamin ist ein Neurotransmitter, eine Chemikalie, die Signale von einer Gehirnzelle oder Neuron zu einer anderen transportiert. In dieser Studie konzentrierten sich die Forscher auf Dopamin, das in der präfrontalen Rinde freigesetzt wird, der Region an der Vorderseite des Gehirns, die an komplexen Funktionen beteiligt ist, einschließlich der Regulation von Emotionen.
Cortisol ist ein Hormon, das aus den Nebennieren freigesetzt wird, um den Körper in Stresssituationen zu unterstützen.
Bei gesunden Menschen steigen sowohl der Dopamin- als auch der Cortisolspiegel normalerweise an, wenn Menschen unter Stress geraten.
Gestörtes Stressregulationssystem
Diese Verbindung zwischen Dopamin- und Cortisolfreisetzung trat bei Menschen mit Schizophrenie nicht auf. Cortisol ist das wichtigste Stresshormon, also deutet dies auf ein gestörtes Stressregulationssystem bei Schizophrenen hin, sagt Dr. Mizrahi.
Um die Reaktionen auf Stress zu untersuchen, benutzten die Forscher einen Mathe-Test. In der ersten Phase der Studie beantworteten die Teilnehmer mathematische Fragen auf einem Computerbildschirm ohne Zeitlimit, während ein Positronen-Emissions-Tomograph (PET)-Scanner ein Bild des Dopamins in ihrem Gehirn bei der Bewältigung der Aufgabe erzeugte.
Im zweiten Schritt beantworteten die Stresstestteilnehmer mathematische Fragen unter Zeitdruck und bei negativem verbalen Feedback – ebenfalls im PET-Scanner.
In beiden Phasen wurden Speichelproben entnommen, um den Cortisolspiegel zu messen. Die Studie umfasste 14 Personen mit Schizophrenie, 14 Personen mit hohem klinischen Risiko für Psychosen und 12 Personen ohne psychische Erkrankungen.
Striatum
Die Ergebnisse bauen auf Dr. Mizrahis früheren Forschungen in einer anderen Region des Gehirns – dem Striatum – auf. Die bisherigen Untersuchungen hatten gezeigt, dass Menschen mit einem hohen Risiko für Psychosen und solche, die eine erste psychotische Episode erlebten, eine abnorme oder erhöhte Dopaminfreisetzung als Reaktion auf Stress im Striatum hatten, sagt Mizrahi.
Da der präfrontale Cortex an der Regulation der striatalen Dopaminfreisetzung beteiligt ist, wollten die Neurowissenschaftler untersuchen, was in dem Schritt vor dem Striatum geschah.
Dopaminfreisetzung im präfrontalen Cortex
Im Gegensatz zu ihren Erwartungen fanden die Forscher jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Dopaminfreisetzung im präfrontalen Cortex zwischen den drei Teilnehmergruppen.
Die Ergebnisse einer Zunahme der Dopaminfreisetzung im Striatum, aber nicht in der Hirnrinde, zeigen die komplexen Hirnregulationssysteme sowohl bei Menschen mit hohem Psychoserisiko als auch bei Menschen mit Schizophrenie, schließt Dr. Mizrahi.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Brain (2018). DOI: 10.1093/brain/awy133
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