Studie untersuchte Hirnstrukturen bei akut untergewichtigen und teilweise gewichtserholten Personen mit Anorexia nervosa
07.06.2022 Eine groß angelegte von Neurowissenschaftlern der Universität Bath (UK) in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern durchgeführte Studie hat entscheidende Unterschiede in der Gehirnstruktur von Menschen mit und ohne Anorexia nervosa (Anorexie, Magersucht) aufgezeigt.
Warum manche Menschen an Magersucht erkranken und andere nicht, ist noch weitgehend unbekannt, obwohl biologische Faktoren weithin bekannt sind. Die neuen Erkenntnisse, die sich auf umfangreiche Analysen von Gehirnscans von Patienten aus aller Welt stützen und in der Fachzeitschrift Biological Psychiatry veröffentlicht wurden, sind ein Beitrag zur Beantwortung dieser Frage.
Kortikale Dicke, subkortikales Volumen und kortikale Oberfläche
Sie zeigen, dass Menschen mit Anorexie eine „beträchtliche Verringerung“ in drei entscheidenden Bereichen des Gehirns aufweisen: kortikale Dicke, subkortikales Volumen und kortikale Oberfläche. Eine Verringerung der Hirngröße ist von Bedeutung, da man davon ausgeht, dass sie den Verlust von Hirnzellen oder der Verbindungen zwischen ihnen impliziert.
Die Ergebnisse gehören zu den bisher eindeutigsten, die einen Zusammenhang zwischen strukturellen Veränderungen im Gehirn und Essstörungen aufzeigen. Das Team sagt, dass die Effektgrößen in ihrer Studie für Anorexia nervosa tatsächlich die größten aller bisher untersuchten psychiatrischen Störungen sind.
Das bedeutet, dass Menschen mit Anorexie zwei- bis viermal so große Einbußen bei der Größe und Form des Gehirns aufweisen wie Menschen mit Erkrankungen wie Depression, ADHS oder Zwangsstörungen. Die bei Anorexie beobachteten Veränderungen der Gehirngröße könnten auf einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) zurückzuführen sein.
Positive Auswirkungen einer Behandlung auf die Gehirnstruktur
Auf der Grundlage der Ergebnisse betont das Team, wie wichtig eine frühzeitige Behandlung ist, damit Menschen mit Magersucht langfristige strukturelle Gehirnveränderungen vermeiden können. Die derzeitige Behandlung umfasst in der Regel Formen der kognitiven Verhaltenstherapie und vor allem eine Gewichtszunahme. Viele Menschen mit Magersucht werden erfolgreich behandelt, und diese Ergebnisse zeigen die positiven Auswirkungen einer solchen Behandlung auf die Gehirnstruktur.
In ihrer Studie wurden fast 2.000 bereits vorhandene Gehirnscans von Menschen mit Magersucht, von Menschen in Behandlung und von „gesunden Kontrollpersonen“ (Menschen, die weder an Magersucht leiden noch in Behandlung sind) zusammengefasst. Danach waren die Beeinträchtigungen der Hirnstruktur bei rekonvaleszenten Magersüchtigen weniger gravierend, was darauf hindeutet, dass das Gehirn bei frühzeitiger Behandlung und Unterstützung in der Lage sein könnte, sich selbst zu reparieren.
Die leitende Forscherin Dr. Esther Walton vom Fachbereich Psychologie an der Universität Bath erklärte: „Für diese Studie haben wir mehrere Jahre lang intensiv mit Forschungsteams in der ganzen Welt zusammengearbeitet. Da wir in der Lage waren, Tausende von Hirnscans von Menschen mit Magersucht zu kombinieren, konnten wir die Hirnveränderungen, die diese Störung möglicherweise charakterisieren, sehr viel genauer untersuchen.
„Wir haben festgestellt, dass die in der Gehirnstruktur dieser untersuchten Teilnehmer beobachteten großen Veränderungen bei Patienten, die sich bereits auf dem Weg der Besserung befinden, weniger auffällig waren. Das ist ein gutes Zeichen, denn es deutet darauf hin, dass diese Veränderungen möglicherweise nicht dauerhaft sind. Mit der richtigen Behandlung könnte sich das Gehirn wieder erholen.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Biological Psychiatry (2022). DOI: 10.1016/j.biopsych.2022.04.022