- Definition
- Bindungsunsicherheit erhöht Burnout-Risiko
- Bindungsunsichere Kindheit erschwert Umgang mit stressenden Situationen
- Beziehungsangst, Bindungsangst
- Emotionale Bindungsstörung
- Beziehungsprobleme
- Bindungsstile, Bindungstypen
- Reaktive Bindungsstörung bei Kindern
- Weitere News- / Forschungsartikel dazu
Definition
Die Bindungsunsicherheit ist ein anormales Beziehungsmuster zu Bezugspersonen mit einem Mix aus Annäherung, Zuneigung und Vermeidung, Widerstand gegen Zuwendung. Es kommt zu einer eingeschränkten Interaktion mit Beziehungspartnern, Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Aggressionen gegen sich selbst und andere gerichtet.
Unsicher-vermeidend bzw. ängstlich-vermeidend
Vorrangig wird unterschieden zwischen dem unsicher-vermeidenden bzw. ängstlich-vermeidenden und dem ängstlich-ambivalenten Bindungstyp. Der unsicher-vermeidende Bindungstyp (A-Bindung) verhält sich bei einer Trennung scheinbar unbeeindruckt, doch er erfährt Stress.
Diesen Personen fehlt die Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer Bindungsperson. Sie erwarten, dass ihre Wünsche grundsätzlich auf zurückgewiesen werden und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht. In der Kindheit sind die ängstlich-vermeidenden Kinder oft zurückgewiesen worden. Die Strategie ist die Vermeidung einer Beziehung.
Unsicher-ambivalent bzw. ängstlich-ambivalent
Dieser Bindungstyp wird auch ängstlich-widerstrebend oder auch C-Bindungstyp genannt. Er zeigt sich ängstlich und abhängig von der Bindungsperson. Bei einer Trennung zeigen sie sich übermäßig gestresst. Es kommt zu einem fortwährenden Wechsel von sensiblen, dann wieder zurückweisenden Verhaltensweisen. Dieser Bindungstyp ist dauernd damit beschäftigt, herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bezugsperson gerade befindet, damit er sich anpassen kann. Eine positive Erwartungshaltung wird nicht aufgebaut, weil in der Kindheit die Bezugsperson häufig nicht verfügbar war meist auch dann nicht, wenn sie zugegen war. Sie erwarten keinen guten Ausgang von Situationen und zeigen extremen Stress und Angst in ungewohnten Situationen.
Bindungsunsicherheit erhöht Burnout-Risiko
14.08.2016 Eine im Fachblatt PPmP veröffentlichte Studie der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (Nürnberg) hat herausgefunden, dass Bindungsprobleme in der Kindheit bzw. Bindungsunsicherheit und nicht verarbeitete Verluste das Burnout-Risiko erhöhen.
Ärzte und Psychologen untersuchten, ob außer zuviel Arbeit und zu wenig Zeit zur Erholung auch das Bindungsmuster bei der Entstehung des Burnout-Syndroms eine Rolle spielt. Dazu befragten sie 50 Burnout-Patienten des Klinikums Nürnberg und erfassten beruflichen Ehrgeiz, Arbeitsplatzzufriedenheit, Distanzierungsvermögen, erlebte Berufskompetenz, sowie soziale und familiäre Unterstützung.
Bild: Gerd Altmann
Außerdem wurden die Patienten zu ihren Bindungsmustern und ihrer Emotionsregulation (Adult Attachment Interview, Fragebogen zur Erfassung des Emotionserlebens und der Emotionsregulation) befragt. Diese Burnoutgruppe wurde dann mit einer Kontrollgruppe gesunder Personen verglichen.
„Die Burnout-Patienten wiesen eine deutlich höhere Bindungsunsicherheit auf als die Teilnehmer der gesunden Vergleichsgruppe“, sagte Studienleiter Prof. Wolfgang Söllner. 72% der Patienten in der Burnoutgruppe wurden als ‚unsicher gebunden‘ kategorisiert im Vergleich zu 33% in der Vergleichsgruppe.
Unsicher-vermeidendes“, „unsicher-verwickeltes“ Bindungsmuster
Die Forscher zählten zu den problematischen Bindungsstilen den „unsicher-vermeidenden“ und den „unsicher-verwickelten“ Typ. Beim unsicher-vermeidenden Bindungstypus hat der Betroffene einen schlechten Zugang zu seinen Erinnerungen an die Kindheitstage, er/sie idealisiert Beziehungspartner oder verachtet sie und unbequeme, belastende Emotionen werden vermieden.
Beim unsicher-verwickelten Bindungstyp entstehen durch die Erinnerungen an die Kindheit starke Emotionen und die belastenden können große Ängste hervorrufen.
Bindungs- und Emotionsmuster am Arbeitsplatz
Die Forscher konnten feststellen, dass sich diese Bindungs- und Emotionsmuster noch bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Nicht erfüllte Kindheitsbedürfnisse werden in gegenwärtigen Beziehungen – und auch in den dann oft emotional aufgeladenen Beziehungen am Arbeitsplatz – ausgelebt.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass nicht verarbeitete „traumatische Bindungserfahrungen“ und unbewältigte Verlusterfahrungen – ebenso wie die Bindungsunsicherheit – mit einer verringerten Fähigkeit zur Regulation der Emotionen zusammenhing.
In vorherigen Forschungsarbeiten beeinflusste dies besonders belastende Situationen wie Anforderungen und Konflikte, wobei die Probleme bei der Regulierung negativer Gefühle das Burnout-Syndrom entstehen lassen können, sagten die Forscher.
Behandlung
Bindungs- und Emotionsmuster sollten deshalb bei der Behandlung berücksichtigt werden. Die Studienautoren sagen, diesen Patienten könne vor allem durch ein „strukturierend-stützendes Vorgehen“ in der Psychotherapie geholfen werden. Genaue Angaben zu den Zielen und Hinweise für das Herangehen an komplizierte Situationen im Alltag können den benötigten Halt geben.
Bindungsstil und Emotionsverarbeitung sollten aber immer analysiert und in der Therapie angegangen werden, schlossen die Autoren.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Paracelsus Medizinische Privatuniversität (Nürnberg), PPmP – DOI: 10.1055/s-0042-106729; August 2016
Bindungsunsichere Kindheit erschwert Umgang mit stressenden Situationen
01.09.2016 Warum performen einige Menschen schlechter als andere in emotional stressenden Situationen? Die Ursache könnte in der durch frühe Kindheitserfahrungen entwickelten Bindungsunsicherheit liegen laut einer im Fachblatt Frontiers in Human Neuroscience veröffentlichten Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Basis für die Emotionsregulation
Man nimmt an, dass die emotionalen Bindungen mit unseren primären Bezugspersonen bzw. Eltern in der frühen Kindheit die Basis für unsere Fähigkeit als Erwachsene unsere Emotionen zu regulieren sind.
Bild: Gerd Altmann
Wir wissen von anderen Studien, dass unsere Bindungserfahrungen direkt beeinflussen, wie wir in sozialen Situationen handeln, erklärte Studienautorin Dr. Christine Heinisch vom Fachbereich für Psychologie. „Aber wie sieht es mit der Reaktion auf einen neutralen Stimulus unter emotionalen Bedingungen aus?“
Ein gutes Beispiel dafür im täglichen Leben ist, wenn sich ein Auto einer Ampel nähert. Unter neutralen Bedingungen ist es für den Fahrer leicht, dem Signal zu folgen. Aber was geschieht in einem gefühlsbetonten Zustand?
Gewöhnlich neigen die Menschen dann dazu, mehr Fehler zu machen, wie: zu spät anzuhalten oder auch über Rot zu fahren; manchmal stoppen sie sogar, wenn die Ampel grün ist, erklärte sie.
Responsive Bezugspersonen
Aber nicht jedermanns Handlungen werden im selben Ausmaß durch die Gefühle beeinflusst. Einige von uns hatten emotional responsive (Responsivität: Bereitschaft, auf Kommunikationssignale einzugehen) Eltern bzw. Bezugspersonen in der Kindheit, andere nicht.
Es sind diese frühen Erfahrungen laut der Bindungstheorie in der Psychologie, die die Fähigkeit beeinflussen, Emotionen als Erwachsene zu regulieren. Die Wissenschaftler nahmen deshalb an, dass diejenigen mit Problemen bei der Emotionsregulation mehr Fehler bei der Durchführung der von den Forschern gestellten Aufgabe haben werden – und eine bedeutende Variable, die dies beeinflusst, ist unsere Bindungserfahrung, sagte Heinisch.
Bindungserfahrungen in der Kindheit beeinflussen Performance
Um diese Theorie zu prüfen, führte ihre Gruppe eine Studie mit erwachsenen Teilnehmern mit unterschiedlichen Bindungserfahrungen in der Kindheit durch. Die Probanden sollten aus einer Reihe von blinkenden Buchstaben bestimmte Buchstaben identifizieren. Diese Aufgabe wurde unter Bedingungen durchlaufen, die einen positiven, neutralen oder negativen emotionalen Zustand hervorriefen. Die Forscher bewerteten dann die Leistung bei der Aufgabe und analysierten die EEG-Aufnahmen der Gehirnfunktionen der Versuchspersonen.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer ohne emotional responsive Bezugspersonen in der Kindheit (bindungsunsichere Personen) eindeutig größere Probleme bei der Bewältigung der Aufgabe unter emotional negativen Bedingungen hatten als die bindungssicheren Teilnehmer. Sie zeigten auch einer geringere Gehirnaktivität als Reaktion auf die Zielbuchstaben unter negativen Bedingungen als die bindungssicheren Probanden.
Die niedrigere Aufgaben-Performance ging einher mit ineffizienten Strategien zur Emotionsregulation bei den bindungsunsicheren Personen. Das könnte bedeuten, dass ein größerer Anteil der kognitiven Mittel für die Regulation der Gefühle eingesetzt werden muss, und folglich weniger für die Bewältigung der Aufgabe zur Verfügung steht, vermutet Heinisch.
Die Forscher wollen in künftigen Studien diese Zusammenhänge unter ‚realen‘ Bedingungen überprüfen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Frontiers in Human Neuroscience – DOI: 10.3389/fnhum.2016.00278; August 2016
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