Langzeitfolgen von Kindesmisshandlungen

Die langzeitlichen Auswirkungen: Erstrecken sie sich bis ins Erwachsenenalter? Schwächen sie sich im Laufe der Zeit ab?

21.01.2018 Dass missbrauchte und vernachlässigte Kinder häufiger soziale und schulische Probleme haben, konnten bereits mehrere Studien belegen.

Eine neue im Fachblatt Child Development veröffentlichte Studie von Psychologen mehrerer Universitäten wollte nun herausfinden, ob frühe Misshandlungen im Leben langfristige Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben, und wenn, ob diese Langzeitfolgen stabil sind oder sich mit der Zeit abschwächen.

Die Forscher verwendeten Daten aus der Minnesota Longitudinal Study of Risk and Adaptation, die die Teilnehmer seit ihrer Geburt Mitte der 1970er Jahre begleitet. Die Studie untersuchte die Daten von 267 Personen, die ein Alter zwischen 32 und 34 Jahren erreicht hatten.

Soziale Fähigkeiten und schulische Leistungen

Informationen über die Exposition der Teilnehmer gegenüber körperlichen Misshandlungen, sexuellem Missbrauch und Vernachlässigung wurden aus mehreren Quellen während zweier Altersphasen gesammelt: 0-5 Jahre und 6-17,5 Jahre.

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Bild: lisa runnels

Während der gesamten Kindheit und Jugendzeit berichteten Lehrer über die sozialen Fähigkeiten der Kinder. Tests gaben Auskunft über die schulischen Leistungen. Die Teilnehmer wurden in ihren 20er und 30er Jahren erneut befragt und berichteten über romantische Erlebnisse und Bildungserfolge.

Abgrenzung frühe u. späte Misshandlungserfahrungen

Im Gegensatz zu Studien, die auf der rückblickenden Darstellung der Kindheitserfahrungen von Erwachsenen basieren, wurden die hier verwendeten Daten in ‚Echtzeit‘ erhoben. Dies erlaube auch die Untersuchung der Fragen zu den Langzeitauswirkungen, wie keine Studie dies zuvor getan hat, schreiben die Psychologen.

Da die Daten über die Teilnehmer während ihres gesamten Lebens gesammelt wurden, konnten die Forscher zudem die Folgen von Misshandlungen, die in ihren frühen Jahren aufgetreten sind, von den Erfahrungen des Missbrauchs und der Vernachlässigung in der späteren Kindheit trennen.

Keine Abschwächung der Langzeitfolgen

Personen mit frühen Misshandlungs-, Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen waren weniger erfolgreich in ihren Sozialbeziehungen und akademischen Leistungen in der Kindheit, Jugend und sogar im Erwachsenenalter.

Die Auswirkungen der Misshandlung haben sich mit zunehmendem Alter der Teilnehmer nicht abgeschwächt.

Die schädlichen Auswirkungen von frühem Missbrauch und Vernachlässigung waren von ebenso großer Bedeutung im Alter von 32 Jahren wie im Alter von 5 Jahren, sagte Studienautor Lee Raby vom Fachbereich Psychologie an der Universität Utah.

Spätere Misshandlungen

Misshandlung und Vernachlässigung in der späteren Kindheit hatten ebenfalls Folgen für diese Kompetenzen im Erwachsenenalter, aber diese späteren Misshandlungen waren nicht vollständig für anhaltende und langfristige Einflüsse verantwortlich, die auf Missbrauch und Vernachlässigung in der frühen Kindheit zurückzuführen sind.

Die Psychologen fanden ebenfalls langfristige Probleme bei den sozialen Fähigkeiten – aber nicht bei den akademischen Leistungen – unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, Ethnizität und frühem sozioökonomischen Status.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Utah; Child Development – DOI: 10.1111/cdev.13033; Jan. 2018

Langzeitliche Auswirkungen auf Stoffwechsel und Körper

28.03.2018 Eine im Fachblatt Scientific Reports veröffentlichte Studie untersuchte, inwieweit Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Vernachlässigung körperliche Spuren auch noch im Erwachsenenalter hinterlassen.

Studienautorin Alexandra König vom Fachbereich Psychologie der Universität Ulm und Kollegen untersuchten mit Hilfe von Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) periphere Blutserumproben von 105 jungen Müttern mit unterschiedlich ausgeprägter Exposition gegenüber Misshandlungen bzw. Vernachlässigung in der Kindheit.

Metabolite

Untersucht wurde das Blut von 59 jungen Müttern mit und 46 ohne aversive Kindheitserlebnisse auf die Gesamtheit aller bekannten Stoffwechselprodukte (von den Wissenschaftlern als Metabolom bezeichnet: Das Metabolom fasst alle charakteristischen Stoffwechseleigenschaften einer Zelle bzw. eines Gewebes oder Organismus zusammen).

Die Psychologen konnten 8 bestimmte Metabolite identifizieren, deren Werte sich zwischen den beiden Teilnehmerinnengruppen unterschieden.

Biologische Signatur

Diese Metaboliten – darunter Phospholipide, Endocannabinoide, Hämoglobin-Abbauprodukte und ein körpereigenes Antioxidanz – bildeten einen speziellen „biologischen Fingerabdruck“. Mit Hilfe dieser besonderen biologischen Signatur konnten die Wissenschaftler mit einer Exaktheit von nahezu 90 % bestimmen, ob eine Frau der Teilnehmergruppe als Kind misshandelt oder vernachlässigt wurde, schreiben die Forscher.

Laut den Studienbefunden gibt es Verbindungen zwischen diesen acht Stoffwechselprodukten und dem Energiemetabolismus der Zellen, inflammatorischen Prozessen (Entzündungen im Körper) und odidativem Stress.

Dadurch erhöht sich nicht nur das Erkrankungsrisiko für psychische Störungen, sondern auch für körperliche Erkrankungen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Ulm; Sci Rep. 2018 Feb 22;8(1):3468. doi: 10.1038/s41598-018-21763-6

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