Perfektionismus (Psychologie)

Perfektionismus (Psychologie)

Persönlichkeitspsychologie

Forschung und News, die sich mit dem Perfektionismus von Menschen beschäftigen; ähnliche, aber hierzu abgegrenzte Bereiche sind: zwanghafte Persönlichkeitsstörung und Zwangsstörung. Psychologische Studien zu selbstorientiertem, sozial vorgeschrieben und fremdorientiertem P. und die Auswirkungen auf die Psyche.

Perfektionismus zeigt Ähnlichkeiten mit Zwangsstörung

07.04.2015 Forscher der Universität Hertfordshire haben festgestellt, dass Leute mit ‚perfektionistischen‘ Persönlichkeitseigenschaften bemerkenswert ähnliche Probleme in ihrem Denken zeigen wie Zwangsgestörte.

Hochrigides Denken

Krawatte perfekt
Bild: Unsplash (pixabay)

Die von Dr. Keith Laws durchgeführte Studie untersuchte gesunde Menschen, die sich als ‚Perfektionisten‘ beschrieben. Alle wurden von einem Psychiater auf eine anankastische, zwanghafte Persönlichkeitsstörung hin untersucht, die durch die Eigenschaft des Perfektionismus charakterisiert ist. Diese Personen hatten keine anderen vorherigen oder gegenwärtigen psychischen Störungen und befanden sich nicht in oder suchten auch keine Behandlung bzw. Therapie.

Das Team stellte fest, dass bei neurokognitiven Aufgaben die Perfektionisten ein sehr rigides (steifes, starres) Denken und Probleme bei Aufgaben zeigten, die Planung erforderten. Sie demonstrierten aber eine normale Risiko- und Entscheidungsfindung.

Herausforderungen beim Herangehen an Probleme

Professor Laws sagte in der Zeitschrift Cambridge Journals:

„Wir fanden, dass Perfektionisten in ihren Vorstellungen feststeckten – das bedeutet, dass sie eine starre Denkweise haben, wenn sie Probleme betrachten und sie zu lösen versuchen. Sie fahren dieselbe Strategie oder denselben Ansatz bei Aufgaben, selbst wenn sie offensichtlich erfolglos sind. Sie beachten Rückmeldungen nicht, auch wenn sie sie verstanden haben. Dieses beeinträchtigte Persönlichkeitsprofil überlappt bemerkenswert mit dem von Personen mit Zwangsstörung.“

Perfektionistische Charaktereigenschaften

Perfektionisten setzen für sich oft hohe Normen und können äußerst selbstkritisch sein, wenn diese Standards nicht erreicht werden. Die psychologischen Auswirkungen von Perfektionismus können sehr schwer zu kontrollieren sein.

Personen mit perfektionistischen Tendenzen beschäftigen sich oft mit Details, Regeln oder Listen. Sie können die Arbeit oder das Studium über alles setzen und sehr strikte Meinungen zu moralisch-ethischen Angelegenheiten haben.

Perfektionisten behalten oft eine Menge alter Dinge, die keinen sentimentalen Wert haben, deligieren widerwillig Aufgaben an andere. Sie arbeiten ungern mit anderen zusammen, es sei denn, sie haben die gleiche Arbeitsweise wie sie und sie können sehr stur sein.

Während Perfektionismus einige Aspekte des täglichen Lebens stört, kann er in bestimmten Situationen von Nutzen sein. Und obwohl er klinischen Zwangsstörungen ähnlich ist, muss er nicht unbedingt ‚krank‘ sein. Tatsächlich zeigt fast jeder zehnte von uns perfektionistische Tendenzen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Hertfordshire, Cambridge Journals; April 2015

Drei Arten des Perfektionismus – eine hat eine besonders ‚dunkle‘ Seite

Der Typus des Perfektionisten, der unerreichbar hohe Normen für andere setzt, tendiert zum Narzissmus, Antisozialität und hat einen aggressiven Sinn für Humor. Er interessiert sich wenig für soziale Normen und fügt sich nicht bereitwillig ins größere soziale Bild.

So sagt Joachim Stoeber von der englischen Universität Kent, der die Merkmale des sogenannten fremdorientierten Perfektionismus mit dem selbstorientierten Perfektionismus (der die Messlatte für sich selbst äußerst hoch setzt) vergleicht.

Perfektionismus ist eine Persönlichkeitseigenschaft, die charakterisiert wird durch das Setzen von extrem hohen Standards und der übermäßigen Kritik gegenüber sich selbst oder anderen.

Drei-Facetten-Modell

Nach dem Drei-Facetten-Modell der Psychologen Paul L. Hewitt und Gordon L. Flett werden zwischen drei Arten des Perfektionismus unterschieden, jede mit verschiedenen Überzeugungen, Einstellungen, Motivationen und Verhalten.

Selbstorientiert

‚Selbstorientierte‘ Perfektionisten haben äußerst hohe persönliche Standards, streben Vollkommenheit an und erwarten, dass sie selbst perfekt sind.

Sozial vorgeschrieben

‚Sozial vorgeschriebene‘ Perfektionisten glauben, dass sie perfekt sein müssen, weil es den anderen wichtig ist, und sie streben deshalb danach, möglichst wenig Fehler zu machen bzw. fehlerlos zu erscheinen. Personen, die einer dieser beiden Arten zuzurechnen sind, sind sich selbst gegenüber normalerweise hochkritisch.

Fremdorientiert

Dagegen sind ‚fremdorientierte‘ Perfektionisten nur gegenüber anderen abfällig und wertend. Sie erwarten nicht nur, dass andere Leute perfekt sind, sie können auch äußerst kritisch denen gegenüber sein, die ihren Erwartungen nicht entsprechen.

Frühere Forschungen von Stoeber zeigten, dass solche Perfektionisten zur „dunklen Triade“ der Persönlichkeitseigenschaften neigen (Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie). Auch haben sie Probleme mit Vertrautheit, Fürsorge und ihrer sozialen Entwicklung.

Sozialverhalten und Humor

Stoeber ging in seiner jüngsten Forschungsarbeit einen Schritt weiter und untersuchte u. a., wie sich die drei Arten des Perfektionismus im Sozialverhalten und Humor unterscheiden. Dazu befragte er 229 Personen.

Selbstorientiert

Stoeber fand heraus, dass selbstorientierter Perfektionismus die einzige der drei Formen ist, die ein pro-soziales Element hat. Obwohl sie sich auf sich selbst fokussieren, zeigen sie Interesse an anderen, halten sich an soziale Normen und kümmern sich um die Erwartungen anderer. Sie bevorzugen affiliativen (kooperierenden, zusammenarbeitenden) Humor, der Beziehungen verbessert und vermeiden das ‚Reißen‘ aggressiver Witze.

Sozial vorgeschrieben

Sozial vorgeschriebene Perfektionisten machen dagegen selbstironische Witze, haben ein niedriges Selbstwertgefühl bzw. wenig Selbstbewusstsein und fühlen sich oft untergeordnet. Sie können ziemlich antisozial und emotionslos sein und reagieren normalerweise nicht gut auf positives Feedback.

Fremdorientiert

Fremdorientierte Perfektionisten wiederum haben einen ziemlich aggressiven Sinn für Humor, der auf die Kosten von anderen geht. Dies ist nur eine der vielen lieblosen Eigenschaften, die sie haben, die sie dazu bringt, die Erwartungen von anderen und soziale Normen zu missachten.

Sie fühlen sich überlegen und fügen sich nicht leicht in größere soziale Kreise ein und das macht sie ziemlich unsozial.

Fremdorientierter Perfektionismus ist eine ‚dunkle‘ Form des Strebens nach Perfektion und mit narzisstischen, antisozialen und gleichgültigen Persönlichkeitsmerkmalen verbunden, fasst Stoeber seine Befunde im Journal of Psychopathology and Behavioral Assessment zusammen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Kent, Journal of Psychopathology and Behavioral Assessment; Mai 2015

Beziehung zwischen Perfektionismus und Burnout

Alles perfekt machen zu wollen, kann den Erfolg auf der Arbeit, in Schule/Studium und auf dem Sportplatz sabotieren, und führt oft zu Stress, Burnout und potentiellen Gesundheitsproblemen laut einer Studie der York St. John University.

Die Forscher untersuchten die Beziehungen zwischen Burnout und Perfektionismus und analysierten die Befunde von 43 Studien der letzten 20 Jahre dazu.

Positiver Aspekt

Es zeigte sich, dass Perfektionismus nicht grundsätzlich schlecht ist. Ein Aspekt des Perfektionismus – „perfektionistisches Streben“ (also Streben nach Vollkommenheit) – setzt hohe persönliche Standards; und es wird auf die Erreichung dieser Ziele auf eine pro-aktive Weise hingearbeitet.

Diese Bemühungen können ein Gefühl der Erfüllung bzw. einen Sinn für die Leistung geben, und die lähmenden Auswirkungen von Burnout verzögern, schreiben die Wissenschaftler in der Zeitschrift Society for Personality and Social Psychology.

burnoutsyndrom
Bild: Gerd Altmann

Negativer Aspekt

Die Schattenseite des Perfektionismus – „perfektionistische Bedenken (Sorgen)“ – kann sehr schädlich sein, wenn die Betroffenen sich ständig sorgen,

  • Fehler zu machen,
  • andere zu enttäuschen oder
  • nicht die eigenen (zu) hohen Standards, erfüllen zu können,

sagte Studienleiter und Professor für Sportpsychologie Andrew Hill.

Folgen perfektionistischer Besorgnis

Frühere Forschungsergebnisse haben zeigen können, dass perfektionistische Sorgen und der Stress, der durch sie entsteht, zu ernsten Gesundheitsproblemen beitragen und Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Erschöpfung und sogar eine frühe Sterblichkeit mit sich bringen können.

Perfektionistische Bedenken verstärken Ängste und Zweifel an der eigenen Leistung, was Stress hervorruft. Dies kann zum Burnout-Syndrom führen, wenn die betroffenen Personen zynisch werden und aufhören, Anteil zu nehmen, sagte Hill. Burnout kann sich auch in Beziehungen einmischen und es schwierig machen, mit Rückschlägen fertigzuwerden, weil jeder Fehler als eine Katastrophe betrachtet wird.

Effekt am Arbeitsplatz am größten

Die Studie fand heraus, dass perfektionistische Sorgen den größten negativen Effekt auf die Entwicklung von Burnout am Arbeitsplatz hatten, möglicherweise weil Menschen in der Bildung und beim Sport mehr soziale Unterstützung haben und eindeutige Ziele definierten.

Ein Schüler oder Student kann für eine anstrengende, schwere Arbeit mit einer hohen Note belohnt werden, und ein Tennisspieler kann das große Match gewinnen, aber eine hervorragende Leistung am Arbeitsplatz kann übersehen oder nicht belohnt werden, was zu Zynismus und Burnout-Syndrom beiträgt.

Umgehen mit irrationalen Überzeugungen

Die Menschen müssen lernen, die irrationalen Überzeugungen anzugehen, die einer perfektionistischen Besorgnis zugrundeliegen. Sie können dies, indem sie sich selbst realistische Ziele setzen und Fehler – als eine Möglichkeit zu lernen – akzeptieren. Sie müssen lernen, sich selbst verzeihen zu können, wenn sie versagen, sagte Hill.

„Sich Umgebungen zu schaffen, wo Kreativität, Anstrengung und Ausdauer geschätzt werden, würde auch helfen.“

Die meisten Menschen zeigen einige Merkmale von Perfektionismus in irgendeinem Aspekt ihres Lebens, aber perfektionistische Bestrebungen oder Sorgen können auch dominant sein. Die Entwicklung eines Persönlichkeitsprofils, das perfektionistische Besorgnis identifiziert, könnte ein wertvolles Werkzeug bei der Diagnose und Hilfe beim Burnout-Syndrom sein, schlossen die Forscher.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: York St. John University, Society for Personality and Social Psychology; Juli 2015

Junge Menschen sind heute perfektionistischer

02.01.2018 Der Drang nach Perfektion im Hinblick auf Körper, Geist und Karriere unter den heutigen jungen Menschen hat sich im Vergleich zu früheren Generationen deutlich erhöht, was laut der im Fachblatt Psychological Bulletin veröffentlichten Studie die psychische Gesundheit junger Menschen beeinträchtigen kann.

Unterschiede zwischen den Generationen

Diese psychologische Studie ist die erste, die die Unterschiede beim Perfektionismus zwischen den Generationen untersuchte, so der Hauptautor Thomas Curran von der Universität Bath.

Er und sein Co-Autor Andrew Hill von der York St. John Universität schreiben, dass Perfektionismus einen irrationalen Wunsch bzw. Drang nach Leistung darstellt, wobei man gegenüber sich selbst und anderen übermäßig kritisch ist.

Multidimensionale Perfektionismus-Skala

Curran und Hill analysierten die Daten von 41.641 US-amerikanischen, kanadischen und britischen Studenten aus 164 Stichproben (von den späten 1980er Jahren bis 2016), die einen standardisierten Fragebogen namens Multidimensionale Perfektionismus-Skala beantworteten – einen Test für Generationsveränderungen beim Perfektionismus.

Drei-Facetten-Modell

Die Psychologen erfassten drei Formen des Perfektionismus nach dem Drei-Facetten-Modell:

  • den selbstorientierten oder irrationalen Wunsch, vollkommen zu sein;
  • den sozial vorgeschriebenen bzw. den übertriebenen Erwartungen anderer zu genügen, und
  • der fremdorientierte von andereren Menschen eingeforderte Perfektionismus, der andere an unrealistischen Maßstäben misst.

Anstieg aller drei Formen

Die Studie fand heraus, dass die jüngeren Generationen deutlich höhere Punktwerte bei jeder Form von Perfektionismus als frühere Generationen aufwiesen.

Konkret stieg zwischen 1989 und 2016 der selbstorientierte Perfektionismus-Score um 10 Prozent, der sozial verordnete um 33 Prozent und der fremdorientierte um 16 Prozent.

Beeinflussende Faktoren

Der Anstieg beim Perfektionismus-Wert unter den Millennials (Generation Y) wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, so Curran.

Andere unter die Lupe nehmen
Bild: Gerd Altmann

Beispielsweise deuten die Rohdaten darauf hin, dass der Druck durch die sozialen Medien und der direkte Vergleich mit anderen für einen Anstieg des Druckes auf die jungen Erwachsenen sorgt, und sie unzufrieden mit ihrem Körper macht und die soziale Isolation verstärkt. Dieses ist nicht geprüft worden und weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um dies zu bestätigen, sagte Curran.

Die Leistungsgesellschaft

Der große Wunsch, Geld zu verdienen, der Druck, eine gute Ausbildung zu erhalten und hohe Karriereziele zu setzen, sind weitere Bereiche, in denen die jungen Menschen von heute Perfektionismus zeigen.

Die Leistungsgesellschaft schaffe den Antrieb für die Studenten, ihre Durchschnittsnote zu perfektionieren und sich mit ihren Kollegen zu vergleichen.

Die Leistungsgesellschaft weckt in jungen Menschen ein sehr starkes Bedürfnis, etwas zu leisten und zu erreichen, sagte Curran. Junge Menschen reagieren darauf, indem sie zunehmend unrealistische Bildungs- und Berufserwartungen an sich selbst stellen. Folglich steige der Perfektionismus in diesen Generationen.

Ungefähr die Hälfte der Oberschüler im Jahr 1976 erwartete, einen akademischen Grad bzw. Hochschulgrad zu erreichen, und bis zum Jahr 2008 war diese Zahl auf über 80 Prozent gestiegen. Doch die Zahl derer, die Abschlüsse erwerben, hat laut Curran nicht mit den gestiegenen Erwartungen Schritt halten können.

Psychische Gesundheit

Die jungen Menschen von heute haben höhere Erwartungen an sich selbst und andere, und konkurrieren miteinander, um dem gesellschaftlichen Erfolgsdruck zu genügen, und sie sind der Meinung, dass Perfektionismus notwendig ist, um sich sicher, sozial verbunden und wertvoll zu fühlen.

Die Zunahme beim Perfektionismus kann die psychologische Gesundheit der jungen Leute teilweise negativ beeinflussen, sagte Hill, und zu verstärkter Depressivität, Ängstlichkeit und mehr Suizidgedanken als noch vor einer Dekade führen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Bath, York St. John Universität; Psychological Bulletin – http://dx.doi.org/10.1037/bul0000138; Jan. 2018

News aus der Forschung

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  • Perfektionisten scheinen eher überfürsorglich zu erziehen.
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  • Perfektionistisches Verhalten bei Kindern weist auf erhöhtes späteres Risiko für Zwangsstörungen.
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  • Selbstmitgefühl kann Menschen vor den schädlichen Folgen von P. wie Depressivität und Burnout schützen.
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  • Eine weitere Studie bestätigt den Zusammenhang zwischen perfektionistischen Persönlichkeitsmerkmalen und einem erhöhten Suizidrisiko
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  • P. als Suizid-Risikofaktor