- Definition
- Empathie, sozialer Schmerz kann körperliche Schmerzen verursachen
- Ignoriert werden, selbst von Fremden, schmerzt
- Sozialer Schmerz ist dem körperlichen doch nicht gleich
- Sanfte Berührung lindert die Schmerzen sozialer Ablehnung
- Soziale Zurückweisung / Ablehnung
- Weitere News aus der Forschung dazu
Definition: Sozialer Schmerz bezeichnet einen psychischen Schmerz, der durch die Verletzung oder Bedrohung einer sozialen Verbindung verursacht wird; Trauer, Scham und ‚verletzte Gefühle‘ sind Subtypen des sozialen Schmerzes. So wie körperliche Schmerzen die Funktion zur Adaption oder Vermeidung der Schmerzursachen dienen, so wird dies auch für soziale Schmerzen angenommen.
Einsamkeit bezeichnet das Gefühl von anderen getrennt zu sein. Alfred Polgar sagte dazu: „Wenn dich alles verlassen hat, kommt das Alleinsein. Wenn du alles verlassen hast, kommt die Einsamkeit.“
Empathie, sozialer Schmerz kann körperliche Schmerzen verursachen
Experimente einer neuen Studie zeigen, dass wir durch soziale Zurückweisung körperlichen Schmerz erfahren können; physischen Schmerz können wir aber auch über die sozialen Schmerzen eines Freundes erfahren.
Das Forscherteam der italienischen International School for Advance Studies zeigte den Teilnehmern der Studie Videos der Versuche und maß währenddessen ihre Gehirnaktivität mit Hilfe von funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT).
Soziale Schmerzen
In einem der Experimente wurde ein Spieler in einem Ballspiel von anderen ausgeschlossen, wobei es entweder der Teilnehmer selbst oder sein Freund war; so sollte der ’soziale Schmerz‘ ausgelöst werden.
In einem anderen Versuch erhielt ein Teilnehmer oder der Freund eines Teilnehmers einen leichten schmerzhaften Stimulus. Jeder Teilnehmer war Zeuge der Erfahrung seines Freundes, und dies löste einen Zustand physischen Schmerzes aus.
Aktivierung derselben Hirnregion?
Die Forscher stellten fest, dass beide Bedingungen eine bestimmte Gehirnregion (posterior insula cortex) aktivierten, die mit der sensorischen Verarbeitung körperlichen Schmerzes verbunden ist.
Interessanterweise wurde diese Region im Gehirn aktiviert, wenn ein Teilnehmer den sozialen oder physischen Schmerz selbst erfuhr oder sah, dass ein Freund unter einem von beiden leiden mußte.
Laut den Forschern bestimmt das Fühlen sozialen Schmerzes unser Verhalten. Sie erklären, dass das ultimative Ziel einer Person ist, „Flucht, Erholung und Heilung“ an die 1. Stelle zu setzen, weshalb wir sozialen Schmerz fühlen und ihn mitfühlen können, wenn andere ihn erfahren.
Studienautorin Giorgia Silani sagt:
„Unsere Befunde stützen das theoretische Model der Empathie, das die Anteilnahme an den Emotionen anderer durch die Tatsache erklärt, dass unsere Repräsentation auf der Darstellung unserer eigenen emotionalen Erfahrung unter ähnlichen Umständen basiert.“
© PSYLEX.de – Quelle: Social Cognitive and Affective Neuroscience, International School for Advance Studies, März 2014
Ignoriert werden, selbst von Fremden, schmerzt
Menschen fühlen sich ausgeschlossen, wenn sie ignoriert werden, auch wenn es nur ein Fremder ist, der sie ignoriert.
Menschen müssen sich verbunden fühlen
Psychologen wissen schon seit längerem, dass Menschen sich miteinander verbunden fühlen müssen, um glücklich zu sein, aber Eric D. Wesselmann, Ph.D, von der Purdue-Universität wollte wissen, wie klein ein Hinweis sein muss, dass Menschen sich verbunden fühlen. Er hatte Berichte erhalten von Menschen, die „sich sogar manchmal schlecht (und sogenannten sozialen Schmerz) fühlten, wenn ein Fremder sie ignorierte“.
© Christian Hilscher
Die Studie ist in Psychological Science, der Zeitschrift der Association for Psychological Science erschienen.
Das Experiment: Ist es schmerzlich, ignoriert zu werden ?
Der Versuch fand auf dem Campus der Purdue-Universität statt. Ein Forschungsassistent ging entlang eines bevölkerten Weges, wählte jemanden aus, und
- stellte einen Augenkontakt mit dieser Person her, oder
- stellte einen Augenkontakt her und lächelte die Person an, oder
- sah in Richtung der Augen der Person, sah aber an ihr vorbei – „sah sie an, als ob sie Luft wären“, sagte Wesselmann.
Wenn der Assistent an der Person vorbeigegangen war, gab er ein Daumen-Hoch-Zeichen hinter der Person, um anzuzeigen, dass ein anderer Experimentator diese Person anhalten sollte. Der zweite Experimentator fragte dann, „Wie sehr fühltest Du Dich in der letzten Minute von anderen ausgeschlossen ?“
Ausgeschlossen fühlen durch Ignoriertwerden
Personen, die Augenkontakt mit dem Forschungsassistenten mit oder ohne ein Lächeln hatten, fühlten sich weniger isoliert als Personen, die angeschaut worden als ob sie nicht da wären.
„Personen, die Sie nicht kennen, gehen einfach an Ihnen vorbei; schauen sie Sie an oder durch Sie durch – scheint dies zumindestest eine momentane Wirkung zu haben“, sagte Wesselmann.
Andere Forscher haben herausgefunden, dass selbst, von einer Gruppe wie dem Ku Klux Klan geächtet zu werden, mit der Sie eigentlich nichts zu tun haben wollen, Leute dazu bringen kann, sich zurückgelassen oder ausgeschlossen zu fühlen. Es ist also nicht überraschend, dass ostentatives Ignorieren dieselbe Wirkung haben kann, sagte er.
„Was wir so interessant daran finden, ist, dass wir von einer großen Macht menschlicher sozialer Bindung sprechen können“, sagt Wesselmann. „Es scheint ein sehr starkes Phänomen zu sein.“
© PSYLEX.de – Quelle: Psychological Science, Februar 2012
Sozialer Schmerz ist dem körperlichen doch nicht gleich
27.11.2014 Im letzten Jahrzehnt nahmen viele Neurowissenschaftler an, dass physischer Schmerz und sozialer Schmerz (also Schmerz durch Zurückweisung) vom Gehirn auf dieselbe Weise verarbeitet werden. Doch eine neue Studie zeigt Unterschiede auf.
Forscher der Universität Colorado analysierten Gehirnscans von Teilnehmern, die sich ein Bild von jemandem anschauten, der sie zurückgewiesen hatte. Die Ergebnisse wurden mit Gehirnscans derselben Personen verglichen, die aufgenommen worden waren, während sie einen schmerzhaften Hitzestimulus erhielten.
„Physischer Schmerz und soziale Ablehnung aktivieren ähnliche Regionen des Gehirns“, sagte Studienautor Choong-Wan Woo vom Fachbereich für Psychologie und Neurowissenschaften der Uni Colorado in der Zeitschrift Nature Communications. „Aber durch unser neues Analysewerkzeug [multivariate Musteranalyse] konnten wir genauer hinschauen und entdeckten, dass es tatsächlich ziemlich verschiedene Regionen sind.“
Kein gemeinsames neuronales Netz
Eine 2003 in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie legte die Grundlage für die Theorie, dass sozialer Schmerz – verursacht durch Ablehnung, Isolation oder Verlust – Huckepack auf dem neuronalen Netz des physischen Schmerzes daherkommt. Die Überzeugung, dass die zwei Arten des Schmerzes neurologisch gleich sind, hatte zu einigen neuen Ideen darüber geführt, wie man sozialen Schmerz behandeln kann; z.B. indem traditionelle Schmerzmittel wie Paracetamol verwendet würden, um emotionales Leiden zu mildern.
Der Schmerz von Paul Cézanne
Behandlung
Die Ergebnisse der neuen Studie sind wichtig, weil sie beim Verständnis helfen können, wie sozialer Schmerz objektiv gemessen werden kann und wie das Gehirn diese einzigartigen belastenden Erfahrungen erschafft. Letztlich könnte dies für Wissenschaftler und Kliniker bedeuten, Präventions- und Behandlungsoptionen zu entwickeln, die am meisten Sinn bei sozialen Schmerzen machen.
„Obwohl es einige ähnliche psychologische Merkmale zwischen physischem Schmerz und sozialem Schmerz gibt, erscheinen sie im Gehirn ziemlich unterschiedlich“, sagte Woo. „Wenn wir feststellen, dass sozialer Schmerz mehr der Traurigkeit oder Depression im Gehirn ähnelt als physischem Schmerz, kann dass die Behandlungsmöglichkeiten beeinflussen.“
Die Befunde können die Wissenschaftler darin unterstützen, die Struktur der Emotion im Gehirn und wie Emotionen reguliert werden, zu verstehen. Die Studie erlaubt den Forschern zu testen, wie die zwei Formen des Schmerzes interagieren, was etwas mehr Licht in die bereits bekannten Beziehungen zwischen Emotionen und physischem Schmerz bringen; z.B. auf die Verbindung zwischen Schmerzstörungen und emotionalem Trauma.
© PSYLEX.de – Quelle: Universität Colorado, Nature Communications; November 2014
Sanfte Berührung lindert die Schmerzen sozialer Ablehnung
19.10.2017 Die sanfte Berührung eines anderen (sogar eines Fremden) kann die Auswirkungen sozialer Ausgrenzung lindern laut einer im Fachblatt Scientific Reports veröffentlichten Studie des Fachbereichs Psychologie des University College London.
In der Studie sollten die Probandinnen (84 Frauen) an einem Ballspiel teilnehmen, wobei ein Gefühl der sozialen Ausgrenzung bei den Teilnehmerinnen ausgelöst wurde, indem sie von den anderen Spielerinnen auf einmal nicht mehr angespielt wurden.
Langsame streichelnde Berührung
Bild: Gerd Altmann (pixabay)
Den Teilnehmerinnen wurden dann die Augen verbunden und ihre linken Unterarme mit einer weichen Pinselbürste berührt – mit langsamer oder schneller Geschwindigkeit.
Diejenigen, die langsam gestreichelt wurden, zeigten weniger Gefühle von Negativität und sozialer Ausgrenzung, die durch das Spiel verursacht wurden, als diejenigen, die ein schnelles ’neutrales‘ Streicheln erhielten.
Keine der beiden Berührungen reichte jedoch aus, die negativen Auswirkungen der sozialen Ächtung gänzlich auszuschalten.
Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit
Säugetiere haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit, daher war es keine große Überraschung, dass soziale Unterstützung den emotionalen Schmerz der Ausgrenzung in sozialen Interaktionen verminderte, sagte Studienautorin und Gesundheitspsychologin Katerina Fotopoulou.
Interessant ist jedoch, dass die soziale Unterstützung nur durch eine einfache, aber konkrete Berührung optimal vermittelt werden konnte. Zumindest kurzfristig waren keine Worte oder Bilder nötig.
Diese Erkenntnis baut auf früheren psychologischen Erkenntnissen auf, dass die gleiche Form der Berührung einzigartige Wirkungen auf körperliche Schmerzen haben kann. Dies könnte Auswirkungen auf die Rolle der Berührung in verschiedenen Bereichen der psychologischen und körperlichen Gesundheitsversorgung haben, sagte sie.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University College London; Scientific Reports – DOI: 10.1038/s41598-017-13355-7; Okt. 2017
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