Verlängerte Exposition zeigt sich als hilfreich bei Menschen mit PTBS-Symptomen, die als Kind misshandelt/missbraucht wurden
13.01.2022 Erwachsene, die als Kind missbraucht oder misshandelt wurden und infolgedessen an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, können von einer kognitiven Verhaltenstherapie stark profitieren. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Chris Hoeboer vom Fachbereich Psychologie der Leiden Universität, die bislang noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde.
Erzähle so anschaulich wie möglich
Die verlängerte Exposition (PE) ist eine verhaltenstherapeutische Technik, die sich bei PTBS als wirksam erwiesen hat. Unter der Aufsicht eines Therapeuten erzählt der Patient die traumatische Erinnerung so lebhaft wie möglich. Der Patient spricht in der ersten Person und im Präsens über die Erinnerung und wird vom Therapeuten nach Gerüchen, Szenen und Geräuschen im Zusammenhang mit dem Erlebnis gefragt.
Durch wiederholtes Erinnern an diese schlimmsten Momente lernen die Menschen: „Ich bin jetzt sicher. Ich kann an diese Erinnerungen zurückdenken und ich kann damit umgehen. Diese Bilder machen mich nicht verrückt, und mein Herz kann mit dem Stress umgehen.“ Diese Art von Erwartungen sind der Grund, warum Menschen die Erinnerungen vermeiden und blockieren, sagt Hoeboer. Der Patient erhält auch Aufgaben, die er zu Hause erledigen soll, um das Vermeidungsverhalten zu überwinden. So lässt sich das Trauma oft schneller überwinden, als man es für möglich gehalten hätte.
Angst vor einer Verschlimmerung des Traumas
Bei Menschen, die als Kind missbraucht oder misshandelt wurden, wird Prolonged Exposure Therapy jedoch nicht häufig zur Behandlung von PTBS eingesetzt. In solchen Fällen wird oft eine Behandlung gewählt, die sich hauptsächlich mit den zusätzlichen Symptomen befasst, sagt Hoeboer. Es wird oft angenommen, dass diese Menschen so verletzlich sind, dass sie das Wiedererleben der schlimmsten Erlebnisse nicht verkraften können, dass PE das Trauma nur verschlimmern oder eine Krise auslösen würde. Aber das ist nicht der Fall, sagt er.
Um herauszufinden, welche Form der verlängerten Exposition für diese spezielle Gruppe von Patienten am wirksamsten ist, untersuchte Hoeboer drei Varianten. Die Standardvariante für PTBS (wöchentliche Konsultationen) wurde mit einer intensiven Variante (drei Konsultationen pro Woche) verglichen. Bei der dritten Variante wurden den Patienten zunächst Fertigkeiten wie z. B. die Emotionsregulation vermittelt, damit sie die PE-Behandlung besser bewältigen können. Hoeboer: Obwohl die drei Therapieformen gleich gut zu funktionieren scheinen, sind die Patienten mit der intensiven Therapie schneller symptomfrei.
Tägliches Wiedererleben des Kindheitstraumas
Insgesamt 149 Patienten nahmen an der Studie teil, die Hoeboer zusammen mit der klinischen Psychologin Danielle Oprel und einem Team von 15 Therapeuten durchführte. Viele der Patienten litten bereits seit Jahren unter den Symptomen. Das große Interesse an der Studie sei wohl darauf zurückzuführen, dass den Betroffenen eine bei PTBS als erfolgreich geltende Behandlung angeboten wurde, sagte Hoeboer.
Nach der Behandlung waren bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten überhaupt keine PTBS-Symptome mehr vorhanden und ein Viertel stellte eine deutliche Verbesserung fest. Hoeboer: Ich habe mit jemandem gesprochen, der sagte: „Nur dank dieser Therapie bin ich noch hier. Das war meine letzte Hoffnung“. Und andere haben nach und nach angefangen zu arbeiten, zu studieren oder sich überhaupt aus dem Haus zu trauen. Ein Viertel der Teilnehmer konnte jedoch keine Verbesserung ihrer Symptome feststellen.
Patienten früher helfen
Laut Hoeboer ist es wichtig, dass die Therapeuten die Behandlung mit der verlängerten Exposition so schnell wie möglich anwenden. Deshalb werden die Forscher die Ergebnisse Psychologen vorstellen. Die Therapeuten, die für die Forschung ausgebildet wurden, werden ihrerseits andere Therapeuten schulen. Und das ist auch dringend nötig, denn die 149 teilnehmenden Patienten sind nur die Spitze des Eisbergs. Das sind Menschen, die den denkbar schlechtesten Start ins Leben hatten und deshalb immer noch nicht so leben können, wie sie es sich wünschen. Diese Gruppe muss eine angemessene Behandlung erhalten, und zwar bald, schließt Hoeboer.
© Psylex.de – Quellenangabe: Leiden Universität