Ist Sexsucht tatsächlich eine Sucht?
30.07.2013 Sexsucht (auch manchmal Hypersexualität, zwanghaftes Sexualverhalten, Sexualzwang und Sexualabhängigkeit genannt) ist schon oft in den Schlagzeilen im Zusammenhang mit Berühmtheiten gewesen, die diese für ihre ‚romantischen‘ Eigenheiten verantwortlich machten.
Sexualabhängigkeit strittig
Jedoch bezweifelt eine neue Studie die Auffassung, dass Menschen wirklich dabei abhängig sind.
Die neue Studie der University of California, Los Angeles, sagt, dass bekennende „Süchtige“ einfach einen starken Sexualtrieb haben könnten.
Die Existenz von Sexsucht ist strittig, und sie wurde auch nicht ins vor kurzem aktualisierte diagnostische und statistische Handbuch für psychische Störungen (DSM-5) aufgenommen.
Gehirnaktivität sollte der von Kokainsüchtigen ähneln
In der neuen Studie analysierte das Team der UCLA die Reaktionen des Gehirns von 39 Männern und 13 Frauen, deren Punktewerte bei Fragebögen zu Sexualverhalten und Gewohnheiten, ähnlich jener von Menschen waren, die normalerweise eine Behandlung für Sexsucht/Hypersexualität aufsuchten.
© Christian Hilscher
„Den Freiwilligen wurden sorgfältig ausgewählte Fotos gezeigt, die angenehme oder unangenehme Gefühle hervorrufen sollten“, erklärten die Forscher. „Die Bilder enthielten Abbildungen von verletzten Körpern, Menschen bei der Essensvorbereitung, skifahrende Personen und Abbildungen romantischer Zweisamkeit, sowie von explizitem Verkehr zwischen einem Mann und einer Frau.“
Die Idee hinter dem Versuch war, dass wenn eine Person wirklich abhängig von Sex ist, Abbildungen sexueller Aktivitäten einen Ausschlag in der Gehirnaktivität produzieren würden – ähnlich wie Bilder von Kokain bei Kokainsüchtigen ein Ansteigen der Gehirnaktivität hervorrufen würden.
Keine Gehirnaktivität wie bei Süchtigen
Jedoch „die Reaktion des Gehirns auf sexuelle Bilder konnte nicht mit den Punktewerten bei den Fragebögen zur Hypersexualität in Zusammenhang gebracht werden“ laut den Forschern. „Die Gehirnreaktion stand nur in Verbindung mit dem Maß der Libido. Mit anderen Worten scheint Hypersexulität nicht die Reaktionen des Gehirns auf die sexuellen Abbildungen zu erklären, sondern nur, dass es eine hohe Libido gibt.“
„Dies ist potentiell ein wichtiger Befund“, sagten die Forscher. „Wenn unsere Studie repliziert werden kann, würden diese Befunde eine größere Herausforderung für vorhandene Theorien zur ‚Sexsucht‘ darstellen.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: UCLA, Juli 2013
Mehr zu: DSM-5, Sexualstörung, Kokainsucht, Suchterkrankungen.
Gehirne von Sexsüchtigen und Drogenabhängigen ähneln sich
14.07.2014 Pornografie wirkt auf das Gehirn von Menschen mit einer Sexsucht ähnlich, wie Drogen auf das Gehirn von Drogensüchtigen, sagt eine neue Studie.
„Es gibt klare Unterschiede in der Gehirnaktivität zwischen Patienten, die ein zwanghaftes Sexualverhalten zeigen und gesunden Freiwilligen. Diese Unterschiede finden sich auch bei Drogensüchtigen“, sagt Valerie Voon von der Universität Cambridge in England in der Zeitschrift PLoS One.
Bild: Gerd Altmann
In der Studie wurden die Gehirne von 19 Männern mit Sexsucht – auch als zwanghaftes Sexualverhalten bekannt – und 19 Männern ohne die Störung (die Kontrollgruppe) mit MRT gescannt.
Die Patienten in unserem Versuch waren alles Personen, die wesentliche Schwierigkeiten hatten, ihr Sexualverhalten zu kontrollieren, und dies hatte bedeutende Folgen für sie: es beeinflusste ihr Leben und ihre Beziehungen, erklärte Voon.
„Auf vielerlei Weise zeigen sie ähnliche Verhaltensweisen wie Patienten mit Drogensucht“, sagte sie. „Wir wollten sehen, ob diese Ähnlichkeiten sich auch in der Gehirnaktivität zeigen.“
Die Gehirnaktivität der Studienteilnehmer wurde überwacht, während sie entweder pornografische Videos oder Sportvideos anschauten. Während sich die sexsüchtigen Männer die pornografischen Videos ansahen, zeigten sie eine viel größere Aktivität in drei Bereichen des Gehirns im Vergleich mit den Männern der Kontrollgruppe.
Diese drei Bereiche des Gehirns – das ventrale Striatum, der Gyrus cinguli anterior und die Amygdala – sind in Prozesse der Belohnung und Motivation involviert, und zeigen auch bei Drogensüchtigen eine hohe Aktivität als Reaktion auf Drogen.
„Während diese Befunde sehr interessant sind, müssen wir doch darauf hinweisen, dass sie nicht zur Diagnose verwendet werden können“, warnte Voon. „Auch liefern unsere Forschungsergebnisse nicht unbedingt Belege für eine Abhängigkeit nach Pornografie dieser Personen – oder dass Pornografie inhärent suchterzeugend ist. Es sind noch viel mehr Forschungen nötig, um die Beziehung zwischen zwanghaftem Sexualverhalten und Drogensucht zu verstehen.“
Laut den Forschern legen frühere Studien nahe, dass Sexsucht – eine nicht kontrollierbare, zwanghafte Besessenheit, sich mit sexuellen Gedanken, Gefühlen oder Verhalten zu beschäftigen – etwa jeden 25. Erwachsenen betrifft.
© PSYLEX.de – Quelle: Universität Cambridge/PLoS One, Juli 2014
Faktoren, die zur Hypersexualität beitragen können
09.11.2015 In einer Studie mit europäischen Männern stand Hypersexualität – eine Art von Besessenheit sich mit sexuellen Fantasien oder Aktivitäten zu beschäftigen – in Beziehung mit der Neigung zu sexueller Langeweile und Problemen mit der erektilen Funktion.
Die drei Maße wurden mit Hypersexual Disorder Screening Inventory, Sexual Boredom Scale und International Index of Erectile Function gemessen.
Die Studie mit 911 kroatischen und 210 deutschen Männern, die sich zur Zeit der Studie in einer Beziehung befanden, vergrößert das Wissen zu dieser auch Sexsucht genannten Störung. Die Befunde zeigen, dass Therapien für hypersexuelle Männer sexualtherapeutische Prinzipien beinhalten sollten, die erektile Dysfunktion verbessern und sexuelle Langeweile ansprechen.
Bei einigen Männern kann sexsüchtiges Verhalten als Bewältigungsstrategie gegen sexuelle Langeweile dienen. Außerdem können erektile Funktionsstörungen innerhalb einer vertrauten Beziehung diese Langeweile gleichzeitig begleiten, sagte die Psychologin und Studienautorin Verena Klein von der Universität Hamburg in der Zeitschrift The Journal of Sexual Medicine.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Hamburg, The Journal of Sexual Medicine; Nov. 2015
Ursachen, Risikofaktoren: Überaktive Stresssysteme
09.11.2015 Eine neue Studie zeigt, dass Hypersexualität – zuweilen auch als Sexsucht bezeichnet – mit hyperaktiven Stresssystemen verbunden werden kann.
Mit Hilfe des Kortisonmedikaments Dexamethason konnte festgestellt werden, dass Männer mit dieser Störung ein höheres Niveau an Stresshormonen als die Kontrollteilnehmer aufwiesen. Dieser Befund lässt die Forscher hoffen, eine verbesserte Therapie für diese Patientengruppe entwickeln zu können.
Hypersexualität oder ein hyperaktiver Sexualtrieb bringt normalerweise zwanghafte Gedanken an Sex, den Zwang zum Geschlechtsverkehr und einen Impulskontrollverlust mit sich, aber auch sexuelle Verhaltensweisen, die potentielle Probleme oder Risiken tragen.
Die Diagnose ist jedoch nicht unumstritten, da die Störung oft komorbid mit anderen psychischen Störungen einhergeht.
Bild: August Hattinger/pixabay
Messung der Stresssysteme
Psychiater und Forscher Jussi Jokinen und Kollegen vom schwedischen Karolinska Institutet benutzten den Dexamethason-Test zur Messung der Stresssysteme der Teilnehmer.
Dexamethason
Dexamethason ist ein Kortisonmedikament, das zur Suppression des Immunsystems verwendet wird, wie z.B. während eines anaphylaktischen Schocks oder einer Organtransplantation; es kann jedoch auch als eine Art chemischer Stresstest benutzt werden.
Die Studie wurde mit 67 Männern mit diagnostizierter Hypersexualitätsstörung und 39 gesunden abgestimmten Kontrollen durchgeführt. Die Teilnehmer wurden sorgfältig auf Hypersexualität und Ko-Morbidität mit Depression oder Kindheitstraumata untersucht. Die Freiwilligen erhielten eine niedrige Dexamethason-Dosis am Vorabend des Tests, um ihre physiologische Stressreaktion zu hemmen. Am Morgen wurden dann ihr Stresshormone Cortisol und ACTH gemessen.
Höheres Stresshormon-Niveau
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Patienten mit Sexsucht ein höheres Niveau dieser Hormone als die gesunden Kontrollteilnehmer aufwiesen; auch nach der Berücksichtigung von Depression und Kindheitstraumata blieb der Zusammenhang erhalten.
Anomale Stressregulation ist zuvor sowohl bei depressiven und suizidalen Patienten als auch bei Drogensüchtigen beobachtet worden, sagte Jokinen in Psychoneuroendocrinology.
Anomale Stressregulation
„In den letzten Jahren konzentrierte man sich auf die Frage, ob Kindheitstraumata zu einer Deregulation der Stresssysteme des Körpers über sogenannte epigenetische Mechanismen führen können; mit anderen Worten, können die psychosozialen Umgebungen die Gene beeinflussen, die diese Systeme kontrollieren.“
Die Ergebnisse legen nahe, dass dasselbe neurobiologische System auch sexsüchtige Menschen beeinträchtigen kann. Im nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, ob die bei diesen Patienten angewandte Psychotherapien die physiologischen Stressreaktionen normalisieren können. Sie beabsichtigen auch, epigenetische Analysen durchzuführen.
Es ist wichtig, Stresssysteme bei Patienten mit verschiedenen psychiatrischen Diagnosen zu untersuchen, um festzustellen, ob diese biologischen Veränderungen diagnosespezifisch oder mit anderen Verhaltensweisen verbunden sind, und es ist wichtig, die Wirkung in Betracht zu ziehen, die Kindheitstraumata auf die spätere psychische Gesundheit hat, schlossen die Forscher.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Karolinska Institutet, Psychoneuroendocrinology; Nov. 2015
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