Was schürt bzw. besänftigt die Wut?

Atmen, nicht Dampf ablassen: Schlüssel zur Bewältigung von Wut ist, die Erregung zu reduzieren

Was schürt bzw. besänftigt die Wut?

18.03.2024 Sich über die Quelle des Ärgers auszulassen, mag sich im Moment gut anfühlen, aber es ist nicht wirksam, um die Wut zu verringern, so neue in Clinical Psychology Review veröffentlichte Forschungsergebnisse.

Stattdessen haben sich Techniken, die häufig zur Stressbewältigung eingesetzt werden – tiefes Atmen, Achtsamkeit, Meditation, Yoga oder sogar das Zählen bis 10 – als wirksamer erwiesen, um Wut und Aggression abzubauen.

Die Forscher analysierten über 150 Studien mit mehr als 10.000 Teilnehmern und fanden heraus, dass die Senkung der physiologischen Erregung tatsächlich zum Abbau von Wut beiträgt – mit anderen Worten, die Hitze wird reduziert. Aktivitäten, die die Erregung insgesamt erhöhten, hatten keinen Einfluss auf die Wut, und einige Aktivitäten verschlimmerten sie sogar – vor allem Joggen.

Katharsistheorie

„Ich denke, es ist wirklich wichtig, mit dem Mythos aufzuräumen, dass man, wenn man wütend ist, Dampf ablassen sollte, um sich die Wut von der Seele zu reden“, sagte der Hauptautor Brad Bushman, Professor für Kommunikation an der Ohio State University. „Wut abzulassen mag eine gute Idee sein, aber es gibt nicht den geringsten wissenschaftlichen Beleg für die Katharsistheorie.“

„Um Wut abzubauen, ist es besser, sich mit Aktivitäten zu beschäftigen, die das Erregungsniveau senken“, so Bushman. „Entgegen der landläufigen Meinung ist selbst Joggen keine wirksame Strategie, da es den Erregungspegel erhöht und letztendlich kontraproduktiv ist.“

Die metaanalytische Überprüfung basierte auf 154 Studien mit 10.189 Teilnehmern unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher „Races“, Alters und Kulturen. Die Auswahl und Analyse der Studien erfolgte auf der Grundlage der Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter-Singer, die davon ausgeht, dass alle Emotionen, einschließlich Wut, aus physiologischer Erregung und mentalen Bedeutungen bestehen. Um Wut loszuwerden, kann man an einem der beiden Faktoren arbeiten.

Aktivitäten, die die Erregung verringern

Mehrere frühere metaanalytische Übersichten konzentrierten sich auf die Veränderung mentaler Bedeutungen mittels kognitiver Verhaltenstherapie, was auch funktioniert. Studienautorin Sophie Kjærvik und Bushman erklärten jedoch, dass eine metaanalytische Untersuchung zur Rolle der Erregung (Arousal) eine wichtige Lücke im Verständnis der Wutbewältigung schließen würde. Ihre Analyse konzentrierte sich auf die Untersuchung von Aktivitäten, die die Erregung erhöhen (z. B. auf einen Sack einschlagen, Joggen, Radfahren, Schwimmen), und von Aktivitäten, die die Erregung verringern (z. B. tiefes Atmen, Achtsamkeit, Meditation, Yoga).

Die Ergebnisse zeigten, dass erregungsmindernde Aktivitäten wirksam waren, um die Wut im Labor und vor Ort, mit Hilfe digitaler Plattformen oder persönlichem Unterricht sowie in Gruppen- und Einzelsitzungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen abzubauen: College-Studenten und Nicht-Studenten, Menschen mit und ohne Vorstrafen sowie Menschen mit und ohne geistige Einschränkungen.

Zu den erregungsreduzierenden Aktivitäten, die sich durchweg als wirksam erwiesen, um die Wut zu verringern, gehörten tiefe Atmung, Entspannung, Achtsamkeit, Meditation, Slow-Flow-Yoga, progressive Muskelentspannung, Zwerchfellatmung und eine Auszeit.

„Es war wirklich interessant zu sehen, dass progressive Muskelentspannung und Entspannung im Allgemeinen genauso wirksam sein können wie Achtsamkeit und Meditation“, sagte Kjærvik. „Und Yoga, das anregender sein kann als Meditation und Achtsamkeit, ist immer noch eine Möglichkeit, sich zu beruhigen und sich auf den Atem zu konzentrieren, was eine ähnliche Wirkung beim Abbau von Verärgerung und Wut hat.“

„In der heutigen Gesellschaft haben wir alle mit einer Menge Stress zu kämpfen, und wir brauchen Wege, um auch damit fertig zu werden. Es ist von Vorteil zu zeigen, dass die gleichen Strategien, die bei Stress funktionieren, auch bei Wut funktionieren.“

Aktivitäten, die die Erregung erhöhten

Im Gegensatz dazu waren Aktivitäten, die die Erregung erhöhten, im Allgemeinen unwirksam, führten aber auch zu einem komplexen Spektrum von Ergebnissen. Joggen steigerte die Erregung am ehesten, während Sportunterricht und Ballsportarten eine erregungsmindernde Wirkung hatten – was den Forschern zufolge darauf hindeutet, dass die Einführung eines spielerischen Elements in die körperliche Betätigung zumindest positive Emotionen verstärken oder negativen Gefühlen entgegenwirken kann.

Die Erkenntnis, dass die Steigerung der Erregung nicht die Antwort auf die Wut ist, deckt sich mit früheren Arbeiten unter der Leitung von Bushman, die einen Zusammenhang zwischen dem Ablassen von Wut und anhaltender Aggression herstellen.

„Bestimmte körperliche Aktivitäten, die die Erregung steigern, mögen gut für das Herz sein, aber sie sind definitiv nicht der beste Weg, um Wut abzubauen“, so Bushman. „Es ist wirklich ein Problem, denn wütende Menschen wollen ihrer Wut Luft machen, aber unsere Forschung zeigt, dass jedes gute Gefühl, das wir durch das Luftmachen bekommen, die Aggression sogar noch verstärkt.“

Die Autoren wiesen darauf hin, dass viele erregungsmindernde Maßnahmen, die nachweislich die Wut reduzieren, kostenlos oder kostengünstig und leicht zugänglich sind.

„Man muss nicht unbedingt einen Termin bei einem kognitiven Verhaltenstherapeuten buchen, um mit Wut umzugehen. Man kann eine kostenlose App auf sein Handy laden oder ein YouTube-Video finden, wenn man eine Anleitung braucht“, sagte Kjærvik.

© Psylex.de – Quellenangabe: Clinical Psychology Review (2024). DOI: 10.1016/j.cpr.2024.102414

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