Wandernde, umherschweifende Gedanken (Psychologie)

Wandernde, umherschweifende Gedanken (Psychologie)

Allgemeine Psychologie

Umherschweifender, wandernder Geist: Grundlage für Kreativität & psychische Erkrankungen?

02.11.2016 Eine im Fachblatt Nature Reviews Neuroscience veröffentlichte Studie der University of British Columbia machte die sogenannten wandernden, umherschweifenden bzw. abschweifenden Gedanken zum Gegenstand ihrer Forschung.

Die Forscher entwickelten ein Rahmenmodell, mit dessen Hilfe sie den Strom der Gedanken / des Bewusstseins von Patienten mit psychischen Erkrankungen besser verstehen wollen.

Wenn die Gedanken auf die Reise gehen

gedanken
Bild: Katrin Baustmann

Mit wandernden Gedanken werden normalerweise die Gedanken charakterisiert, die von dem abschweifen, was wir grade tun, sagte Studienautorin Dr. Kalina Christoff vom Fachbereich für Psychologie.

Doch sie glaubt, dass diese Definition zu eingeschränkt ist, weil sie die Dynamik der Gedanken nicht erfassen kann. Manchmal bewegt sich der Geist frei von einem Gedanken zu einem anderen, aber irgendwann kehrt er wieder zum selben Gedanken zurück, von Sorgen oder Emotionen angezogen.

Das Verständnis darüber, was Gedanken frei macht und was sie einschränkt ist entscheidend, weil es uns helfen kann zu verstehen, wie sich Gedanken im Geist von psychisch Erkrankten bewegen, sagte die Psychologin.

Default-Zustand

Die Forscher legen nahe, dass Gedanken frei fließen, wenn der Geist in seinem Default-Zustand (dt.: Ruhezustand) ist – dann schweifen die Gedanken.

Doch können zwei Typen von Einschränkungen – eine automatische und eine willentliche, bewusste – diese spontane Bewegung der Gedanken beschneiden. Die Wissenschaftler haben neurowissenschaftliche Forschungsartikel aus mehr als 200 Fachblättern überprüft und zeigen wie der Fluss der Gedanken auf den Interaktionen verschiedener Gehirnnetzwerke geerdet ist, ein Rahmen, der zukünftige Forschungen in den Neurowissenschaften leiten könnte.

Diese neue Sichtweise auf das Umherwandern der Gedanken könnte der Psychologie helfen, ein besseres Verständnis für die psychischen Störungen zu entwickeln, sagte Koautor Dr. Zachary Irving von der Universität California, Berkeley, der selbst mit ADHS diagnostiziert wurde.

Fließen der Gedanken

In jedem Geist fließen die Gedanken – wie bei Ebbe und Flut – weg und kommen zurück, sagte er, aber unser Erklärungsmodell rekonzeptualisiert Störungen wie ADHS, Depression und Angststörungen als Erweiterungen dieser normalen Variationen beim Denken.

Dieses Gerüst legt nahe, dass wir alle – im gewissen Sinne – jemanden mit Angst und ADHS in unserem Kopf haben. Der ängstliche Geist hilft uns bei der Fokussierung auf das, was uns persönlich wichtig ist; der ADHS-Geist erlaubt uns, uns geistig frei und kreativ zu bewegen, sagte Berkeley.

Kreativität und Träumen

Innerhalb dieses Konzepts entstehen spontane Gedanken-Prozesse einschließlich des geistigen Wanderns, aber auch des kreativen Denkens und Tagträumens, wenn Gedanken relativ frei von bewussten und automatischen Einschränkungen sind. Wandernde Gedanken sind nicht weit entfernt vom kreativen Denken.

Die Autoren legen nahe, dass umherschweifende Gedanken keine sonderbare Marotte des Geistes sind.

Eher ist es etwas, was der Geist tut, wenn er in einen spontanen Modus eintritt. Ohne diesen ungezwungenen Modus könnten wir nicht Dinge tun wie Tagträumen oder kreativ denken, sagte Christoff.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of British Columbia, Nature Reviews Neuroscience – DOI: 10.1038/nrn.2016.113; Nov. 2016

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