Forschung und News zum Thema Empathie (Psychologie und Gehirn) – rationales Einfühlungsvermögen und emotionales Mitgefühl.
- Gehirne von emotional und rational empathischen Menschen unterscheiden sich
- Eher kognitive als sensorische Nervenzellen beteiligt
- Hirnscans zeigen neuronale Wurzeln der Empathie
- Die Empathie im ruhenden Gehirn
- Stress und Empathie
- News, Forschung dazu
Die Gehirne von emotional und rational empathischen Menschen unterscheiden sich
19.06.2015 Forscher der Monash Universität haben die Gehirne von emotional und rational empathisch reagierenden Menschen verglichen, und entdeckt, dass es physische Unterschiede gibt laut einer in der Zeitschrift NeuroImage herausgegebenen Studie.
Dichte der grauen Hirnsubstanz
Studienautor Robert Eres und Kollegen konnten einen Zusammenhang entdecken zwischen der Dichte der grauen Substanz an einigen Stellen und kognitiver bzw. affektiver Empathie (also erkennendem und emotionalem Einfühlungsvermögen). Die Studie untersuchte, ob Menschen mit mehr Gehirnzellen in bestimmten Gehirnregionen auch bei verschiedenen Empathieformen anders abschneiden.
Emotionales Einfühlungsvermögen
Menschen, die ein ausgeprägtes affektives / emotionales Einfühlungsvermögen (Mitgefühl) haben, ängstigen sich z.B. oft bei Gruselfilmen oder weinen in traurigen Szenen.
Kognitive Empathie
Diejenigen mit einem hohen kognitiven Einfühlungsvermögen sind rationaler – wie zum Beispiel ein klinischer Psychologe, der einen Klienten berät, sagte Eres. Sie erkennen, was der andere fühlt, leiden aber nicht mit.
Unterschiede im Gehirn
Die Forscher benutzten Voxel-basierte Morphometrie (VBM) und untersuchten bei 176 Teilnehmern, inwieweit die Dichte der grauen Gehirnsubstanz das Abschneiden bei Tests verhersagte, die kognitive und affektive (emotionale) Empathie maßen.
Hoch emotional-empathische Teilnehmer hatten eine größere Dichte der graue Hirnsubstanz in der Insula – eine Region in der ‚Mitte‘ des Gehirns. Hoch kognitiv-empathische Teilnehmer zeigten eine höhere Dichte im mittleren Gyrus cinguli – ein Bereich über dem Corpus Callosum, der beide Hemisphären des Gehirns miteinander verbindet.
Diese Befunde bestätigen, dass das Einfühlungsvermögen ein Konstrukt aus mehreren Teilen ist, wobei affektives und kognitives Mitgefühl sich unterschiedlich in der Gehirnmorphometrie darstellen, und sie zeigen, dass Einfühlungsvermögen neural und strukturell verschieden repräsentiert werden, sagte Eres.
Die Befunde werfen weitere Fragen auf: Kann eine bestimmte Art des Einfühlungsvermögen durch Training gesteigert werden; oder kann man sein Einfühlungsvermögen verlieren, wenn man es nicht einsetzt?
Die Wissenschaftler wollen nun untersuchen, ob Empathie-Training zu Änderungen in diesen Gehirnstrukturen führt, und ob Schäden in diesen Gehirnregionen – zum Beispiel in Folge eines Schlaganfalls – zu Beeinträchtigungen im Einfühlungsvermögen führen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Monash Universität, NeuroImage; Juni 2015
Eher kognitive als sensorische Nervenzellen beteiligt
Ist Einfühlungsvermögen eher ein Akt des Mitdenkens als Mitfühlens?
16.06.2016 Die Fähigkeit, die Schmerzen anderer zu verstehen und sich in sie einzufühlen, wurzelt eher in den kognitiven neuronalen Prozessen und weniger in den sensorischen laut einer in eLife veröffentlichten Studie der Universität von Colorado Boulder.
Empathie ist eine wichtige Komponente des menschlichen sozialen Verhaltens, aber die komplexen neuronalen Interaktionen, die diesem Verhalten zugrundeliegen, sind nicht vollständig bekannt.
Bild: Gerd Altmann
Einfühlen durch Mitfühlen?
Frühere Hypothesen legten nahe, dass dieselben Gehirnregionen – die es dem Menschen erlauben, Schmerzen des eigenen Körpers zu spüren – aktiviert werden könnten, wenn man den Schmerz anderer wahrnimmt.
Um diese Idee zu prüfen, verglichen die Forscher Muster der Gehirntätigkeit bei menschlichen Freiwilligen, während sie ihnen einen moderaten Schmerz direkt (über Hitze, Schock oder Druck) in einer experimentellen Sitzung beibrachten, und ließen sie Bilder von verletzten Händen und Füßen anderer in einer 2. Sitzung anschauen.
Während die Teilnehmer die Bilder betrachteten, sollten sie sich vorstellen, dass die Verletzungen ihren eigenen Körpern zugefügt werden.
Einfühlen eher durch kognitive Prozesse
Es stellte sich heraus, dass sich die Gehirnmuster der Freiwilligen – während sie die mit Schmerzen verbundenen Bilder anschauten – nicht mit ihren Gehirnmustern überlappten, die aktiviert wurden als sie Schmerzen selbst erlebten.
Stattdessen stimmten die aktivierten Hirnmuster – während sie die Schmerzen beobachteten – überein mit der Mentalisierung, was die Imagination der Gedanken und Absichten anderer Personen einschließt.
Die Ergebnisse legen nahe, dass die Erfahrung des Beobachtens der Schmerzen anderer innerhalb des Gehirns neurologisch unterschiedlich ist von der Erfahrung des eigenen Schmerzes.
D.h., die Empathie für den Schmerz anderer scheint nicht dieselben neuronalen Schaltkreise einzubeziehen wie das Erleben des eigenen Schmerzes.
Einfühlungsvermögen scheint also eher kein sensorischer bzw. instinktiver, automatischer Prozess zu sein, sondern eher ein kognitiver ‚beratender‘ zu sein, der erfordert, dass man die Perspektive anderer einnimmt, sagte Studienautor Tor Wager.
Die meisten früheren Studien haben sich nur auf sich ähnelnde Punkte zwischen diesen beiden verschiedenen Erfahrungen in einigen isolierten Gehirngebieten konzentriert und Unterschiede ignoriert, während die aktuelle Studie eine bessere Analysemethode benutzte, sagte Studienautorin Dr. Anjali Krishnan.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität von Colorado Boulder; eLife – DOI: 10.7554/eLife.15166; Juni 2016
Hirnscans zeigen neuronale Wurzeln verschiedener Formen der Empathie
10.06.2017 Eine im Fachblatt Neuron veröffentlichte Studie der University of Colorado, Boulder untersuchte die Gehirnaktivität von 66 Erwachsenen mittels eines Hirnscanners (fMRT), während sie 24 wahre Kurzgeschichten über Menschen in Notlagen hörten.
Die Teilnehmer hörten die Geschichten ein zweites Mal außerhalb des Scanners, diesmal beurteilen sie selbst ihre Gefühle von Distress (psychische Belastung) während sie den Erzählungen lauschten. Die Forscher verglichen dann die Gefühle mit den Hirnmustern.
Beteiligung mehrerer Hirnregionen
Die mit der Empathie verknüpfte Gehirnaktivität war nicht nur in einem Teil des Gehirns verwurzelt, in der Art wie sensorische Inputs normalerweise verarbeitet werden. Vielmehr erstreckte sie sich über das Gehirn und es waren mehrere Hirnregionen beteiligt.
Bild: Gerd Altmann
Das Gehirn ist kein modulares System, in dem es eine Region gibt, die die Empathie reguliert, sagte Studienautor Tor D. Wager. Das Einfühlungsvermögen ist ein verteilter Prozess.
Hirnmuster, die z.B. mit empathischer Fürsorge verknüpft sind, überlappten sich mit Systemen im Gehirn, die mit Wertschätzung und Belohnung verbunden sind, wie dem ventromedialen präfrontalen Cortex und dem medialen orbitofrontalen Cortex.
Im Gegensatz dazu überlappten sich Muster von empathischen Distress mit Systemen im Gehirn, die für die Spiegelung bekannt sind, wie der prämotorische Cortex und die primären und sekundären somatosensorischen Kortizes, die einem helfen, zu simulieren oder sich vorzustellen, was eine andere Person fühlt oder denkt.
Gleichbleibende Hirnmuster
Die Hirnmuster waren von Person zu Person überraschend gleichbleibend, soweit, dass die Forscher auf der Grundlage der Gehirnaktivität die Gefühle einer Person vorhersagen konnten, die zuvor noch nicht gescannt worden war.
Es gibt ein persönliches Element, wann eine Person empathische Sorge oder Bedrängnis fühlt, aber wenn man sie empfindet, werden ähnliche Gehirnregionen und Gehirnsysteme wie bei anderen aktiviert, sagt Ashar.
Zusätzlich zu den Gehirn-Scans spielten die Forscher einer separaten Gruppe von 200 Erwachsenen die Geschichten vor und ließen sie ihre Gefühle über bestimmte Momente bewerten, diesmal grundlegendere Emotionen von Traurigkeit, Ekel, Wut, Angst, Negativität, Positivität und Glück.
Empathische Fürsorge
Durch die Zuordnung der Bewertungen der Empathie zu diesen Bewertungen der grundlegenderen Gefühlen, fanden die Forscher heraus, dass empathische Fürsorge/Sorge mit glücklichen und traurigen Gefühlen verbunden war, während empathischer Distress (psychische Belastung) im Allgemeinen negative Gefühle von Traurigkeit, Wut, Angst und Ekel umfasste.
Dies deutet darauf hin, dass empathische Sorge bzw. Mitgefühl, eine Mischung aus Wärme und Distress widerspiegelt, sagte Ashar.
Empathischer Distress
Empathische Besorgnis facht helfende / unterstützende Verhaltensweisen an, aber empathischer Distress kann abschrecken, den Wunsch erwecken, sich zurückzuziehen oder sich abzuwenden.
Um den Einfluss dieser verschiedenen Formen von Empathie auf das Verhalten zu erforschen, fragten die Forscher die im Hirnscanner liegenden Teilnehmer, ob sie Teile ihrer Bezahlung (für die Teilnahme an der Studie) für wohltätige Zwecke spenden würden. Die Studie stellte fest, dass beide Formen der Empathie die Wahrscheinlichkeit für gemeinnützige Spenden erhöht haben.
Empathischer Stress kann ‚das Geben‘ beeinflussen, aber er ist auch mit negativen Emotionen und Burnout bei Pflegern und Krankenschwestern verbunden. Wager und Kollegen untersuchen nun ein 4-wöchiges Meditationsprogramm, das es den Teilnehmern ermöglicht, sich in andere einzufühlen und die Fürsorge zu verstärken – ohne die eigene psychische Belastung zu erhöhen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Colorado, Boulder, Neuron – DOI: 10.1016/j.neuron.2017.05.014; Juni 2017
Die Empathie im ruhenden Gehirn
19.02.2020 Eine in Frontiers in Integrative Neuroscience veröffentlichte Studie hat herausgefunden, dass Empathie – die Fähigkeit einer Person, sich in andere einzufühlen – eher durch die Messung der Gehirnaktivität im Ruhezustand erfasst werden kann und nicht, während das Gehirn mit bestimmten Aufgaben beschäftigt ist.
Für die aktuelle Studie untersuchten die Hirnforscher um Marco Iacoboni von der University of California, Los Angeles, 58 männliche und weibliche Teilnehmer im Alter von 18 bis 35 Jahren.
Die Daten zur Hirnaktivität in Ruhe wurden mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) erhoben, einer nicht-invasiven Technik zur Messung und Abbildung der Hirnaktivität durch kleine Veränderungen im Blutfluss. Die Teilnehmer wurden angewiesen, ihre Gedanken schweifen zu lassen, während sie die Augen still hielten.
Danach wurde bei den Teilnehmer das Persönlichkeitsmerkmal Empathie über einen Fragebogen ermittelt.
Die Forscher wollten messen, wie genau sie die empathische Disposition durch die Analyse der Gehirnscans vorhersagen können.
Die Vorhersagen wurden durch die Untersuchung der Ruheaktivität in bestimmten Gehirnnetzwerken gemacht, die, wie frühere Studien gezeigt haben, wichtig für die Empathie sind. Die Forscher benutzten eine Form von künstlicher Intelligenz, die als maschinelles Lernen bezeichnet wird und die subtile Muster in Daten aufgreifen kann, die herkömmlichere Datenanalysen möglicherweise nicht erfassen.
Sie fanden heraus, dass die Gehirnaktivität in diesen Netzwerken die empathische Fähigkeit von Menschen widerspiegelt, selbst wenn sie nicht direkt mit einer Empathie erfordernden Aufgabe befasst sind, sagte Iacoboni. Das MRT konnte also helfen, die Ergebnisse des Fragebogens jedes einzelnen Teilnehmers vorherzusagen.
Die Ergebnisse könnten den Fachleuten im Gesundheitswesen helfen, die Empathie bei Menschen mit Autismus oder Schizophrenie besser einzuschätzen, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, Fragebogen auszufüllen oder Emotionen auszudrücken.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Frontiers in Integrative Neuroscience – https://doi.org/10.3389/fnint.2020.00003
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