Zusammenhang zwischen Depressionen im frühen, mittleren und späten Lebensalter und dem Auftreten einer Demenzerkrankung
24.07.2023 Männer und Frauen mit diagnostizierter Depression haben ein erhöhtes Risiko für Demenz laut einer online in JAMA Neurology veröffentlichten Studie.
Dr. Holly Elser von der Universität Aarhus in Dänemark und Kollegen untersuchten die Zusammenhänge zwischen Depressionen im frühen, mittleren und späten Lebensalter und dem Auftreten von Demenz in einer landesweiten Kohortenstudie mit dänischen Personen. Es wurden Daten von 246.499 Personen mit diagnostizierter Depression und 1.190.302 Personen ohne Depression einbezogen.
- Die Forscher fanden heraus, dass bei 67,7 Prozent der Personen, bei denen eine Depression diagnostiziert wurde, die Diagnose vor dem 60. Lebensjahr gestellt wurde.
- Im Vergleich zur Vergleichskohorte hatten diejenigen, bei denen eine Depression diagnostiziert wurde, ein 2,41-fach höheres Risiko für eine Erkrankung an Demenz.
- War der Zeitraum ab dem Indexdatum länger als 20 bis 39 Jahre (Hazard Ratio: 1,79) und bei denjenigen, bei denen die Depression im frühen, mittleren oder späten Leben diagnostiziert wurde, blieb der Zusammenhang bestehen (Hazard Ratios: 3,08 für 18 bis 44 Jahre, 2,95 für 45 bis 59 Jahre bzw. 2,31 für 60 Jahre und älter).
- Männer hatten ein höheres Risikoverhältnis für Demenz als Frauen (2,98 gegenüber 2,21).
„Die Ergebnisse unterstützen unsere Hypothese, dass die Zusammenhänge unabhängig von der Zeit seit der Depressionsdiagnose oder dem Alter, in dem die Depression diagnostiziert wurde, bestehen bleiben“, schreiben die Autoren. „Unsere Ergebnisse deuten daher darauf hin, dass Depressionen nicht nur ein frühes Symptom von Demenz sind, sondern dass Depressionen auch mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden sind.“
© Psylex.de – Quellenangabe: JAMA Neurol. Published online July 24, 2023. doi:10.1001/jamaneurol.2023.2309
News zu Depression und Demenz
- Zusammenhang zwischen Depressionen im frühen, mittleren und späten Lebensalter und dem Auftreten einer Demenzerkrankung
- Wie sind Demenz und Depression miteinander verbunden?
- Erhöhtes Demenzrisiko bei langer Depressivität
- Depressionsmuster mit Demenz verbunden
- Weitere News / Forschungsartikel dazu
Wie sind Demenz und Depression miteinander verbunden?
07.08.2014 Obwohl frühere Studien gezeigt haben, dass Menschen mit Symptomen einer Depression wahrscheinlicher Demenz entwickeln, ist die Beziehung bislang nicht geklärt.
Eine neue Studie korrigiert diese Wissenslücke und liefert Einblicke, wie diese beiden Krankheiten miteinander verbunden und wo unabhängig voneinander sind.
„Ist die Depression eine Folge der Demenzerkrankung? Entwickeln sich beide Probleme aus denselben zugrunde liegenden Problemen im Gehirn? Oder hat die Beziehung zwischen Depression und Demenzkrankheit nichts mit der demenzgebundenen Pathologie zu tun?“, fragte sich Robert S. Wilson vom Rush University Medical Center in Chicago.
Besteht eher eine Unabhängigkeit?
Die Befunde der neuen Studie weisen eher auf eine Unabhängigkeit der Verbindung zwischen Depression und Demenz von demenzgebundenen Gehirnveränderungen.
„Diese Befunde sind aufregend, weil sie sagen, dass Depression wirklich ein Risikofaktor für Demenz ist. Und, wenn wir Depression und Stress behandeln oder vorbeugen können, sind wir auch möglicherweise in der Lage die Denk- und Gedächtnisfähigkeiten bis ins hohe Alter zu retten“, sagte Wilson.
In der Studie wurden 1.764 Personen im durchschnittlichem Alter von 77 Jahren (ohne Denk- oder Gedächtnisprobleme zu Beginn) jedes Jahr auf Depressionssymptome wie z.B. Einsamkeitsgefühle und Appetitlosigkeit, sowie auf ihre Denk- und Gedächtnisfähigkeiten acht Jahre lang untersucht.
Insgesamt starben 680 Menschen während der Studie, und es wurden Autopsien an über 582 von ihnen ausgeführt, um das Gehirn auf Plaques (Zeichen für Demenz) und andere Anzeichen für Schäden am Gehirn zu analysieren.
Während der Studie entwickelten 922 oder 52% der Teilnehmer eine leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI – mild cognitive impairment), oder leichte Probleme mit dem Gedächtnis und denkenden Fähigkeiten, was oft der Alzheimer Krankheit voraus geht. Insgesamt entwickelten 315 Menschen oder 18% Demenz.
Befunde
Die Forscher fanden keine Beziehung zwischen der Ausprägung der Schäden im Gehirn und dem Niveau der Depressionssymptome oder bei den Veränderungen der Depressionssymptome im Verlaufe der Zeit.
Teilnehmer, die eine leichte kognitive Beeinträchtigung entwickelten, zeigten auch eher ein höheres Depressionssymptomniveau, bevor sie diagnostiziert wurden, aber sie zeigten keine höhere Wahrscheinlichkeit für Veränderungen bei der Depressionssymptomatik nach der Diagnose, als Teilnehmer ohne MCI.
Demente Personen hatten auch eher ein höheres Niveau an Depressionssymptomen, bevor eine Demenz begann, aber sie zeigten eine raschere Abnahme bei den Depressionssymptomen, nachdem sich eine Demenz entwickelte.
Insgesamt war ein höheres Depressionsniveau verbunden mit einer rascheren Abnahme der Denk- und Gedächtnisfähigkeiten.
Depression scheint für fast fünf Prozent der Unterschiede beim Abbau, die nicht dem Ausmaß der Hirnschäden zugeschrieben werden konnten, verantwortlich zu sein.
© PSYLEX.de – Quelle: Quelle: American Academy of Neurology / Rush University Medical Center, August 2014, Juli 2014
Erhöhtes Demenzrisiko bei langer Depressivität
Depressive Symptome, die sowohl im mittleren Alter als auch im späten Leben auftreten, sind mit einem gesteigerten Risiko für die Entwicklung einer vaskulären Demenz verbunden, während Symptome, die nur im höheren Alter auftreten, wahrscheinlicher frühe Zeichen der Alzheimer Krankheit zu sein scheinen, laut Forschern der University of California, San Francisco und Kaiser Permanente.
Risiko erhöht
Die Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Archives of General Psychiatry erscheint, ist die erste, die prüft, ob Depressivität im mittleren oder hohem Alter langfristig eher zu Alzheimer-Krankheit oder Vaskulärdemenz führt. Die Forscher erklären, dass sich vaskuläre Demenz (die zweithäufigste Demenzerkrankung) entwickelt, wenn der beeinträchtigter Blutfluss in Teile des Gehirns den Zellen Nährstoffe und Sauerstoff vorenthält.
Menschen, die depressive Symptome sowohl im mittleren Alter als auch im späten Leben hatten, zeigten viel wahrscheinlicher vaskuläre Demenz, während jene, die depressive Symptome nur im hohen Alter hatten, wahrscheinlicher an Alzheimer-Krankheit erkrankten, sagte Hauptautorin der Studie Deborah E. Barnes, Doktor, MPH des UCSF Fachbereichs für Psychiatrie und der Epidemiologie & Biostatistiken und des San Francisco Veterans Affairs Medical Center.
Die Befunde haben wichtige Auswirkungen auf das Gesundheitswesen, weil sie Hoffnung wecken, dass eine adäquate Depressionsbehandlung im mittleren Alter das Demenzrisiko – besonders das vaskuläre – später im Leben reduzieren kann, fügte Rachel Whitmer, Doktorin, Forscherin der Kaiser Permanente Northern California Division of Research und leitende Autorin der Studie hinzu.
Zusammenhang in Langzeitstudie
UCSF und Kaiser Permanente Forscher prüften den Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen und Demenzentwicklung über den Zeitraum von 45 Jahren in einer Langzeitstudie mit mehr als 13.000 langfristigen Mitgliedern des im Kaiser Permanente Northern California integrierten Versorgungssystems.
Die Studienteilnehmer waren Mitglieder, die an einer freiwilligen Gesundheitsuntersuchung teilnahmen, genannt Multiphasic Health Checkup, in San Francisco und Oakland 1964-1973, und waren zu jener Zeit 40-55 Jahre alt.
Die Teilnehmer waren auf depressive Symptome im mittleren Alter – als Teil des Multiphasic Health Checkup – und im späteren Leben zwischen 1994-2000 untersucht worden. Zwischen 2003 und 2009 wurden 3.129 Teilnehmer mit Demenz diagnostiziert.
Obwohl mehr Forschung erforderlich ist, weisen die Befunde darauf hin, dass Depression, die im späteren Leben beginnt, ein frühes Symptom für Alzheimer-Krankheit sein kann, während chronische depressive Störungen auf einen langfristigen Prozess von Änderungen im Blutfluss zum Gehirn mit einem gesteigerten Risiko für vaskuläre Demenz verweist.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Archives of General Psychiatry. Mai 2012
Depressionsmuster mit Demenz verbunden
19.04.2016 Laut einer in der Zeitschrift JAMA Psychiatry veröffentlichten Studie der University of California, San Francisco, kann eine klinische und sich verschlimmernde Depression bei Älteren das Demenzrisiko vergrößern.
2.488 Personen (durchschnittliches Alter 74; 53,1% waren Frauen), die keine Anzeichen für eine Demenz am Anfang der Studie hatten, wurden über fünf Jahre auf Depressionssymptome beobachtet, und dann für sechs Jahren auf Zeichen für eine Demenz.
- In den ersten fünf Jahren zeigten 62,0% (n=1.542) der Teilnehmer anhaltend minimale Symptome einer Depression;
- 32,2% (n=801) der Teilnehmer entwickelten moderate und sich verstärkende Symptome
- und 5,8% (n=145) hatten schwere und sich verstärkende Symptome.
Demenz entwickelte sich bei mehr als 21 Prozent der Teilnehmer mit schweren und sich verstärkenden Depressionssymptomen im Vergleich zu nur 12 Prozent bei denjenigen mit konstant minimalen Symptomen.
Die Ergebnisse legen die Möglichkeit nahe, dass die kognitive [geistige] Gesundheit von älteren Menschen durch Interventionen wie Psychotherapie oder Medikamente, die auf die Behandlung der Depression abzielen, verbessert werden kann, sagte Studienautorin Allison Kaup von Fachbereich für Psychiatrie.
Kaup sagte, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass Depression ein frühes Symptom für Demenz oder eine emotionale Reaktion auf den Abbau bei Denkvermögen und Gedächtnis sein könnte. Und der in der Studie beobachtete Zusammenhang belegt keine Ursache-Wirkung-Beziehung.
Aber die Resultate zeigen ein fast doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung einer Demenz bei denjenigen mit starken und zunehmenden Symptomen einer Depression, sagte sie. „Das weist darauf hin, dass ein besonderes Muster depressiver Symptome ein unabhängiger Risikofaktor sein könnte.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of California, JAMA Psychiatry – doi: 10.1001/jamapsychiatry.2016.0004; April 2016
Weitere Forschungsartikel, News dazu
- Stress, Depression und das Demenzrisiko. Chronischer Stress und Depressionen sind unabhängige Risikofaktoren, die sich in Kombination noch verstärken
- Depressive Symptome bei Demenz und mögliche Risikofaktoren. Depressionen bei Alzheimer haben andere Risikofaktoren als Depressionen bei Menschen ohne Demenz
- Unbehandelte Depressionen können späteres Demenzrisiko erhöhen. Studie untersuchte Zusammenhänge zwischen Depressionen, Depressionsbehandlungen und dem Risiko, an Demenz zu erkranken
- Psychotherapie gegen Depression / Angst bei Demenz. Studie untersuchte Wirksamkeit psychologischer Behandlungen von Depressionen und Angstzuständen bei Demenz und leichten kognitiven Störungen
- Depression und leichte kognitive Beeinträchtigung
- Alzheimer-Krankheit und Depression
- Depressivität erhöht Demenzrisiko: Depressive Symptome sind mit kognitiver Beeinträchtigung und kognitivem Abbau verbunden