Zusammenhang zwischen schweren psychischen Erkrankungen und körperlicher Multimorbidität
10.11.2023 Eine neue Forschungsarbeit der Anglia Ruskin University (ARU) und dem Biomedical Research Centre der Universität Cambridge analysierte 19 verschiedene Studien mit den Daten von 194.123 psychiatrischen Patienten aus der ganzen Welt und verglich sie mit 7.660.590 Personen in Kontrollgruppen.
Von Multimorbidität spricht man, wenn eine Person von einer Kombination aus einer chronischen Krankheit und mindestens einer weiteren körperlichen Erkrankung betroffen ist. Die Forscher fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit für solch eine Mehrfacherkrankung bei Psychiatriepatienten 1,84 Mal höher ist als in der Kontrollgruppe.
Die in BMJ Mental Health veröffentlichte Studie ergab, dass Menschen mit schweren psychischen Störungen auch über körperliche Erkrankungen wie Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck, Epilepsie, Atemwegs-, Gefäß-, Nieren- und Magen-Darm-Erkrankungen sowie Krebs berichten.
Zugang zu wirksamer, erschwinglicher und hochwertiger psychosozialer Versorgung
Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass ein großer Prozentsatz der Menschen, die psychosoziale Dienste benötigen, keinen Zugang zu wirksamer, erschwinglicher und hochwertiger psychosozialer Versorgung hat, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen. So erhalten 71 % der Menschen mit Psychosen weltweit nicht die notwendigen psychosozialen Dienste, wobei zwischen Ländern mit hohem Einkommen und Ländern mit niedrigem Einkommen große Unterschiede bestehen.
Der Hauptautor Lee Smith, Professor für öffentliche Gesundheit an der Anglia Ruskin University (ARU), sagte: „Psychische Gesundheit untermauert unsere individuellen und kollektiven Fähigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Beziehungen aufzubauen und die Welt, in der wir leben, zu gestalten. Aus unserer Forschung geht hervor, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ein deutlich höheres Risiko für körperliche Multimorbidität haben“.
„Diese komplexe Beziehung zwischen schweren psychischen Erkrankungen und körperlichen Mehrfacherkrankungen hat weitreichende Auswirkungen, darunter eine geringere Therapietreue, ein erhöhtes Risiko des Behandlungsversagens, höhere Behandlungskosten, Rückfälle, eine Verschlechterung der Prognose und eine geringere Lebenserwartung.“
„Ein schlechtes klinisches Management körperlicher Begleiterkrankungen bei Menschen mit psychischen Störungen verschlimmert das Problem und führt zu einer erhöhten Belastung für die Betroffenen, ihre Gemeinschaften und die Gesundheitssysteme. Ein ganzheitlicher Ansatz ist dringend erforderlich, um die körperlichen, geistigen und sozialen Bedingungen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und körperlicher Multimorbidität zu verbessern.“
© Psylex.de – Quellenangabe: BMJ Mental Health (2023). DOI: 10.1136/bmjment-2023-300870
News zu psychische Störungen / körperliche Krankheiten
- Zusammenhang zwischen schweren psychischen Erkrankungen und körperlicher Multimorbidität
- Psyche krank – Körper krank
- Körperliche und psychische Erkrankungen treten oft zusammen auf
- Verbindung zwischen chronischen körperlichen Krankheiten in der Kindheit und späteren psychischen Erkrankungen
- Multimorbidität aus psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen erhöhen Aufnahmen in Notfallstationen
- Psychische Störungen können das Risiko für körperliche Folgeerkrankungen erhöhen
- Studie bestätigt: Chronische physische Erkrankungen im Kindesalter stehen in Verbindung mit größerer Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen
- Weitere News- / Forschungsartikel dazu
Psyche krank – Körper krank
Erwachsene mit psychischen Krankheiten haben mit höherer Wahrscheinlichkeit bestimmte chronische körperliche Gesundheitsprobleme als diejenigen ohne eine psychische Erkrankung laut einem US-Forschungsbericht.
Psychische Störungen an höhere Raten physischer Probleme gekoppelt
Der Bericht besagt, dass Erwachsene im Alter von 18 Jahren und älter, die im vorangegangenen Jahr eine psychische Krankheit hatten, auch eher an einer körperlichen Krankheit wie Asthma, Bluthochdruck, Diabetes, Herzkrankheiten oder Schlaganfälle erkrankt waren.
Prävalenzen
Zum Beispiel hatten 22 Prozent der Erwachsenen mit einer psychischen Störung im vorangegangenen Jahr Bluthochdruck, und fast 16 Prozent hatten Asthma. Die Raten bei Erwachsenen ohne psychische Krankheit betrugen etwa 18 % bzw. 11 %, sagte der U.S. Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA) Bericht.
Personen mit Major Depression im vorangegangenen Jahr hatten höhere Prävalenzen als diejenigen ohne depressive Störung bei folgenden chronischen Gesundheitsproblemen:
- hoher Blutdruck (24 Prozent vs. 20 Prozent);
- Asthma (17 Prozent vs. 11 Prozent);
- Diabetes (9 Prozent vs. 7 Prozent);
- Herzkrankheiten (7 Prozent vs. 5 Prozent) und
- Schlaganfälle (3 Prozent vs. 1 Prozent).
Menschen mit psychischen Störungen hatten nach dem Bericht höhere Raten an Aufnahmen in Notfallambulanzen und Einweisungen ins Krankenhaus. Die Rate der Notfallaufnahmen lag bei fast 48 % für psychisch Erkrankte im vorangegangenen Jahr und bei 31 Prozent bei diejenigen ohne eine schwere psychische Krankheit.
Die Rate für Krankenhauseinweisungen lag bei mehr als 20 % für jene mit einer schwerwiegenden psychischen Störung im vorangegangenen Jahr und bei weniger als 12 Prozent bei jenen ohne eine schwere psychische Erkrankung.
Behaviorale Gesundheit
Die behaviorale Gesundheit (damit ist der gesundheitliche Lebensstil der Person gemeint) ist für die Gesundheit wesentlich. Dies ist eine Schlüssel-Nachricht der SAMHSA und wird durch diese Daten unterstrichen, sagte die SAMHSA-Administratorin Pamela Hyde in einer Agenturpressemitteilung.
Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Personen, Familien und Gemeinschaften zu fördern, bedeutet, die Bedürfnisse der behavioralen Gesundheit mit derselben Verpflichtung und Kraft wie jeden anderen physischen Gesundheitszustand zu behandeln, sagte Hyde. Gemeinschaften, Familien und Personen können keine Gesundheit erreichen, ohne dass die behaviorale Gesundheit angesprochen wird.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: SAMHSA, April 2012
Körperliche und psychische Erkrankungen treten oft zusammen auf
24.11.2016 Eine in Plos One publizierte Studie der Universitäten Basel und Bochum untersuchte, in welcher zeitlichen Beziehung physische und psychische Krankheiten bei Heranwachsenden auftreten und welche Muster sich dabei zeigen.
Dazu untersuchten Dr. Marion Tegethoff und Prof. Gunther Meinlschmidt vom Fachbereich für Psychologie die Daten von 6.483 Heranwachsenen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren aus einer repräsentativen Stichprobe aus den Vereinigten Staaten.
Bei der Analyse der Daten stellten die Wissenschaftler fest, dass einige körperliche Erkrankungen häufiger auftraten, wenn bereits bestimmte psychische Krankheiten vorgelegen haben.
Auch traten einige mentale Störungen häufiger auf, wenn bestimmte physische Krankheiten vorlagen.
Die Forscher fanden folgende Zusammenhänge:
- Auf affektive Störungen wie Depression folgten häufiger Arthritis (im Durchschnitt ein 3,36-fach erhöhtes Risiko) und gastrointestinale Erkrankungen (Krankheiten des Verdauungsapparates – 3,39-fach erhöht);
- auf Angststörungen folgten häufiger Hautkrankheiten (1,53-fach erhöht);
- auf Substanzmissbrauchsstörungen folgten häufiger saisonale Allergien (0,33-fach erhöht);
- auf Herzprobleme folgten öfter Angststörungen (1,89-fach), bzw. generell eine psychische Störung (1,89-fach) und
- Epilepsie erhöhte das Risiko für nachfolgende Essstörungen gar um das 6,27-fache.
“Wir fanden nun als Erste, dass Epilepsie ein erhöhtes Risiko für Essstörungen nach sich zieht – ein Phänomen, das bislang nur an wenigen Patienten beschrieben wurde. Dies deutet darauf hin, dass Ansätze der Epilepsiebehandlung auch im Kontext von Essstörungen Potenzial haben könnten”, sagte Tegethoff.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Basel, Ruhr-Universität Bochum, Plos One – doi: 10.1371/journal.pone.0165196; Nov. 2016
Verbindung zwischen chronischen körperlichen Krankheiten in der Kindheit und späteren psychischen Erkrankungen
05.05.2017 Eine neue im Fachblatt Journal of Child Psychology and Psychiatry veröffentlichte Studie untersuchte die Auswirkungen von chronischen körperlichen Krankheiten bei Kindern auf das Risiko für psychische Störungen später im Leben.
Bild: Darko Stojanovic
Die Wissenschaftler von der Universität Sussex und dem University College London überprüften systematisch die Belege von 34 medizinischen Studien mit insgesamt 45.358 Teilnehmern auf Verbindungen zwischen acht chronischen physischen Krankheiten in der Kindheit – wie Arthritis, Asthma und Krebs – und emotionalen Problemen (insbesondere den psychischen Störungen Depression und Angststörungen) im späteren Leben.
Untersuchte körperliche Erkrankungen
Es zeigte sich, dass die Betroffenen aller 8 chronischen körperlichen Erkrankungen
- Arthritis,
- Asthma,
- Krebs,
- chronisches Nierenversagen,
- angeborene Herzkrankheit,
- zystische Fibrose (Mukoviszidose),
- Typ 1 Diabetes und
- Epilepsie
ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Depression oder Angststörung hatten, für emotionale Probleme, die über Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenleben andauerten.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass auf psychische Erkrankungen abzielende Präventions- und Behandlungsstrategien, die speziell körperlich chronisch Erkrankte in der Jugend unterstützen, Probleme der psychischen Verfassung angehen sollten, bevor sie sich zu schweren langfristigen Krankheiten entwickeln, sagte die Psychologin Dr. Darya Gaysina.
Krebs und Depression
Die Befunde zeigten insbesondere einen Zusammenhang zwischen Krebs und Depression im Erwachsenenalter.
Obwohl die Studien zu den anderen chronischen körperlichen Krankheiten weniger zahlreich waren, bestand der Zusammenhang zwischen diesen und späteren psychischen Erkrankungen auch, nachdem die starke Verbindung zwischen Krebs und Depression herausgenommen wurde.
Es ist also nicht nur Krebs, der mit emotionalen Problemen im Erwachsenenalter verbunden ist, sagte Gaysina.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Sussex, University College London, Journal of Child Psychology and Psychiatry – DOI: 10.1111/jcpp.12727; Mai 2017
Multimorbidität aus psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen erhöhen Aufnahmen in Notfallstationen
04.07.2019 Psychische Störungen und körperliche Erkrankungen wirken zusammen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für häufigere Aufenthalte in der Notaufnahme laut einer im Canadian Medical Association Journal publizierten Studie.
Myles Gaulin von der Université Laval in Québec und Kollegen untersuchten die Wechselwirkung zwischen psychischen Störungen und körperlicher Multimorbidität im Hinblick auf häufige Besuche in der Notaufnahme bei Erwachsenen in Quebec. Die Multimorbidität wurde als die Anzahl der körperlichen Erkrankungen bewertet, und psychische Störungen wurden als schwerwiegend (z.B. bipolare oder psychotische Störung), häufigere oder nicht vorhanden eingestuft.
Aufenthalte in der Notaufnahme
Die Forscher fanden heraus, dass bei Menschen mit psychischen Störungen jede weitere körperliche Erkrankung mit einem stärkeren Anstieg des absoluten Risikos häufigerer Besuche in der Notaufnahme zusammenhing.
Bei keiner bis vier oder mehr körperlichen Erkrankungen stieg das absolute Risiko für Personen mit schweren psychischen Störungen (16,2 Prozent) stärker an als bei häufigeren (15,3 Prozent) oder gar keinen Störungen (11,4 Prozent).
Für Menschen ohne psychische Krankheiten und vier oder mehr körperlichen Erkrankungen war das Risiko für häufige Besuche in der Notaufnahme 6,2-fach höher als für Menschen ohne körperliche Beschwerden. Die entsprechenden Quotenverhältnisse lagen bei 4,75 und 3,7 für Personen mit häufigen oder schweren psychischen Erkrankungen, schreiben die Studienautoren.
Diese potenzielle Synergie zwischen körperlicher Multimorbidität und psychischen Erkrankungen erhöht die Gesamtauswirkung auf die öffentliche Gesundheit erheblich, sagte ein Koautor in einer Erklärung.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Canadian Medical Association Journal July 02, 2019 191 (26) E724-E732; DOI: https://doi.org/10.1503/cmaj.181712
Psychische Störungen können das Risiko für körperliche Folgeerkrankungen erhöhen
02.05.2020 Das Vorliegen einer psychischen Störung ist mit einem erhöhten Risiko für viele körperliche Folgeerkrankungen verbunden laut einer im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie.
Natalie C. Momen von der Universität Aarhus in Dänemark und Kollegen untersuchten eine bevölkerungsbezogene Kohorte aus dänischen nationalen Registern über Menschen, die zwischen 1900 und 2015 in Dänemark geboren wurden, und folgten für insgesamt 83,9 Millionen Personenjahre.
Zehn breite Gruppen von psychischen Störungen und neun allgemeine Kategorien von medizinischen Erkrankungen, die 31 spezifische Krankheiten umfassen, wurden bewertet; die Risikoquotienten für Paare von psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen wurden berechnet.
Die Forscher stellten fest, dass 11,8 Prozent von 5.940.299 Personen eine psychische Erkrankung aufwiesen. In Bezug auf 76 von 90 Paaren psychischer Störungen und medizinischer Erkrankungen wiesen Personen mit einer psychischen Störung ein höheres Risiko auf als Personen ohne solche Störungen.
Für einen Zusammenhang zwischen einer psychischen Störung und einer physischen Erkrankung betrug das mediane Hazard Ratio 1,37 (d.h. das Auftreten einer körperlichen Erkrankung war um 37% erhöht).
Die niedrigste Hazard Ratio lag für organische psychische Störungen und die breite Kategorie der Krebserkrankungen (0,82) vor, die höchste für Essstörungen und urogenitale Erkrankungen (3,62). Die Risiken schwankten bezüglich der Zeit von der Diagnose der psychischen Störung.
Psychische Störungen beeinflussen den Lebensstil, die täglichen Gewohnheiten und den sozioökonomischen Status, was wiederum das Risiko späterer körperlicher Krankheiten beeinflussen kann, schreiben die Autoren.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: N Engl J Med 2020; 382:1721-1731 DOI: 10.1056/NEJMoa1915784
Studie bestätigt: Chronische physische Erkrankungen im Kindesalter stehen in Verbindung mit größerer Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen
10.05.2020 Kinder mit langwierigen körperlichen Gesundheitsproblemen könnten in der frühen Adoleszenz häufiger unter psychischen Erkrankungen leiden als physisch gesunde Kinder laut einer in Development and Psychopathology veröffentlichten Studie.
In dieser Studie wiesen Kinder mit chronischen körperlichen Erkrankungen im Alter von 10 Jahren eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von psychischen Störungen auf.
Diese Erkrankungen waren auch im Alter von 13 und 15 Jahren (60% erhöhtes Risiko) weiterhin mit einer schlechten psychischen Gesundheit verbunden.
Zur Durchführung der Studie überprüften die Forscher eine Stichprobe von etwa 7.000 Kindern, um das Auftreten psychischer Störungen, einschließlich Angststörungen oder Depressionen, und chronischer körperlicher Erkrankungen zu untersuchen.
Untergruppe Asthma und psychische Störungen
Um dieses Muster weiter zu untersuchen, betrachteten die Forscher eine Untergruppe der Kinder mit chronischen körperlichen Erkrankungen: Heranwachsende, bei denen Asthma diagnostiziert worden war. Die Asthmasymptome waren gewöhnlich leicht und gut kontrolliert.
Dennoch stellten die Forscher fest, dass asthmatische Kinder ein ähnliches Muster zeigten und mit 10, 13 und 15 Jahren eine höhere Rate an psychischen Erkrankungen aufwiesen als gesunde Kinder.
Mobbing und gesundheitsbedingte Schulversäumnisse
Die Studie überprüfte auch, welche (zusätzlichen) Faktoren für den Zusammenhang zwischen chronischen körperlichen und psychischen Erkrankungen verantwortlich sein könnten.
Die Wissenschaftler um Ann Marie Brady von der Queen Mary University of London fanden heraus, dass Mobbing und gesundheitsbedingte Schulversäumnisse sich als die wichtigsten zusätzlichen Faktoren für Kinder mit psychischen Gesundheitsproblemen herausstellten. Gesundheitsbedingte Schulversäumnisse wurde als der beständigste Faktor identifiziert, der spätere psychische Erkrankungen vorhersagte.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Development and Psychopathology – DOI: https://doi.org/10.1017/S0954579420000206
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