Depression und der Schlaf

Studie hat Zusammenhang zwischen der genetischen Veranlagung, der Schlafdauer und Depressionen festgestellt

Depression und der Schlaf

20.10.2023 Eine neue Genstudie unter der Leitung von Forschern des UCL (University College London) zeigt, dass eine Schlafdauer von weniger als fünf Stunden pro Nacht das Risiko für die Entwicklung depressiver Symptome erhöhen kann.

In der Vergangenheit wurde Schlafmangel als Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen angesehen, doch diese Studie ergab, dass der Zusammenhang zwischen Schlaf und psychischen Erkrankungen komplexer ist.

Die in der Zeitschrift Translational Psychiatry veröffentlichte Studie analysierte Daten von Menschen mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren und fand heraus, dass kurzer Schlaf bzw. Schlafmangel mit dem Auftreten von depressiven Symptomen in Verbindung steht.

Die Hauptautorin Odessa S. Hamilton (UCL Institute of Epidemiology & Health Care) sagte: „Wir haben dieses Huhn-oder-Ei-Szenario zwischen suboptimaler Schlafdauer und Depression, sie treten häufig gemeinsam auf, aber was zuerst auftritt, ist weitgehend ungeklärt. Anhand der genetischen Krankheitsanfälligkeit haben wir festgestellt, dass Schlaf bzw. Schlafmangel wahrscheinlich depressiven Symptomen vorausgeht und nicht umgekehrt.“

Für die Studie verwendeten die Forscher genetische und gesundheitliche Daten von 7.146 Personen, die im Rahmen der English Longitudinal Study of Ageing (ELSA), einer landesweit repräsentativen Bevölkerungsstudie in England, rekrutiert wurden.

Genetische Veranlagung weist auf Zusammenhang zwischen kurzem Schlaf und Depression

Sie fanden heraus, dass Menschen mit einer stärkeren genetischen Veranlagung zu kurzem Schlaf (weniger als fünf Stunden in einer bestimmten Nacht) eher depressive Symptome über einen Zeitraum von vier bis zwölf Jahren entwickelten, dass aber Menschen mit einer stärkeren genetischen Veranlagung zu Depressionen keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für kurzen Schlaf aufwiesen.

Die Hauptautorin Dr. Olesya Ajnakina (UCL Institute of Epidemiology & Health Care und das Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience am King’s College London) sagte: „Kurze und lange Schlafdauer tragen zusammen mit Depressionen wesentlich zur Belastung der öffentlichen Gesundheit bei und sind in hohem Maße vererbbar. Polygene Scores, Indizes für die genetische Veranlagung einer Person für ein bestimmtes Merkmal, gelten als Schlüssel zum Verständnis der Natur von Schlafdauer und depressiven Symptomen“.

Die Forscher bewerteten die Stärke der genetischen Veranlagung bei den ELSA-Teilnehmern anhand der Ergebnisse früherer genomweiter Assoziationsstudien, in denen Tausende von genetischen Varianten identifiziert wurden, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Depressionen und kurzem oder langem Schlaf in Verbindung stehen.

Nicht-genetische Zusammenhänge zwischen Schlafdauer und Depressionssymptomen

Im Rahmen einer Reihe separater Analysen zur Untersuchung der Robustheit ihrer Ergebnisse untersuchte das Forscherteam auch nicht-genetische Zusammenhänge zwischen depressiven Symptomen und Schlafdauer.

Sie fanden heraus, dass Menschen, die fünf Stunden oder weniger schlafen, ein 2,5-mal höheres Risiko für die Entwicklung depressiver Symptome haben, während bei Menschen mit depressiven Symptomen die Wahrscheinlichkeit, dass sie unter kurzem Schlaf leiden, um ein Drittel höher ist. Die Forscher bereinigten eine Vielzahl von Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, wie Bildung, Wohlstand, Raucherstatus, körperliche Aktivität und lang andauernde Krankheiten.

Die Forscher fanden auch einen Zusammenhang zwischen langem Schlaf und der Entwicklung depressiver Symptome: Teilnehmer, die länger als neun Stunden schliefen, hatten ein 1,5-mal höheres Risiko für die Entwicklung depressiver Symptome als diejenigen, die durchschnittlich sieben Stunden schliefen. Depressive Symptome wurden jedoch vier bis 12 Jahre später nicht mit längerem Schlaf in Verbindung gebracht, was den genetischen Befunden entsprach.

Professor Andrew Steptoe (Head of Behavioral Science and Health, UCL Institute of Epidemiology & Health Care) sagte: „Suboptimaler Schlaf und Depressionen nehmen mit dem Alter zu, und angesichts des weltweiten Phänomens der Bevölkerungsalterung besteht ein wachsender Bedarf, den Mechanismus zwischen Depression und Schlafmangel besser zu verstehen. Diese Studie bildet eine wichtige Grundlage für künftige Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Genetik, Schlaf und depressiven Symptomen“.

Zur Studie

Insgesamt schliefen die Teilnehmer der Studie durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht. Mehr als 10 % schliefen zu Beginn des Studienzeitraums weniger als fünf Stunden pro Nacht, am Ende des Studienzeitraums waren es über 15 %, und der Anteil der Teilnehmer, die als depressiv eingestuft wurden, stieg um etwa 3 Prozentpunkte von 8,75 bis 11,47 %.

Sowohl die Schlafdauer als auch die Depression werden teilweise von einer Generation zur nächsten vererbt. Frühere Zwillingsstudien haben ergeben, dass Depressionen zu etwa 35 % vererbbar sind und dass genetische Unterschiede 40 % der Varianz bei der Schlafdauer ausmachen.

In der Studie wurden die Daten zu Schlaf und depressiven Symptomen aus zwei ELSA-Erhebungen kombiniert, die im Abstand von zwei Jahren durchgeführt wurden, da Schlafdauer und Depression bekanntermaßen im Laufe der Zeit schwanken.

© Psylex.de – Quellenangabe: Transl Psychiatry 13, 323 (2023). https://doi.org/10.1038/s41398-023-02622-z

News zu Depression und der Schlaf

Neuronaler Zusammenhang zwischen Depression und schlechtem Schlaf

25.07.2018 Der neuronale Zusammenhang zwischen Depression und schlechtem Schlaf wurde erstmals in einer im Fachblatt JAMA Psychiatry veröffentlichten Studie festgestellt.

Professor Jianfeng Feng und Professor Edmund Rolls von der Warwick Universität und Kollgen fanden funktionelle Verbindungen zwischen den Bereichen des Gehirns, die mit Kurzzeitgedächtnis, Selbst und negativen Emotionen in Verbindung gebracht werden.

Diese Forschung könnte zu einer besseren Schlafqualität für Menschen mit Depressionen führen und eröffnet die Möglichkeit neuer gezielter Behandlungen, schreiben die Wissenschaftler.

Anhand der Daten von rund 10.000 Menschen untersuchten die Forscher die neuronalen Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Depressivität und Schlafqualität zugrundeliegen.

Bereiche des Gehirns

Im Gehirn von Menschen mit depressiven Störungen entdeckten sie eine starke Verbindung zwischen dem dorsolateralen präfrontalen Cortex (assoziiert mit dem Kurzzeitgedächtnis), dem Precuneus (verknüpft mit dem Selbst) und dem lateralen orbitofrontalen Cortex (verbunden mit negativen Emotionen).

Die Analyse zeigte, dass diese funktionellen Zusammenhänge dem Zusammenhang zwischen depressiven Problemen und der Qualität des Schlaf zugrundeliegen.

Erhöhte funktionelle Konnektivität zwischen diesen Hirnregionen

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass eine erhöhte funktionelle Konnektivität zwischen diesen Hirnregionen eine neuronale Grundlage dafür liefert, wie Depressionen mit schlechter Schlafqualität zusammenhängen.

Der Befund stimmt mit den Bereichen des Gehirns überein, die am Kurzzeitgedächtnis, dem Selbst und negativen Emotionen beteiligt sind, die in hohem Maße mit Depressionen verbunden sind, und dass dies zu vermehrten Gedanken führt, die zumindest einen Teil des Mechanismus repräsentieren, der den Schlaf beeinträchtigt, schreiben die Forscher.

Zweithäufigste mentale Störung

In der heutigen Welt sind schlechter Schlaf und Schlafmangel aufgrund der längeren Arbeits- und Pendelzeiten, der späteren Aktivität bis in die Nacht und der zunehmenden Abhängigkeit von Elektronik zu einem häufigen Problem geworden, von dem mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung betroffen ist. Die Schlafstörung ist zur zweithäufigsten psychischen Störung geworden, schreiben sie.

Prof. Jianfeng Feng kommentierte weiter: Die Beziehung zwischen Depression und Schlaf ist seit mehr als hundert Jahre bekannt, und jetzt haben wir die neuronalen Mechanismen identifiziert, auf welche Weise sie miteinander verbunden sind.

Depressionen und Schlafprobleme gehen oft Hand in Hand. Ungefähr 75% der depressiven Patienten berichten über signifikante Schlafstörungen, wie z.B. Einschlafstörungen und kurze Schlafdauer (Schlaflosigkeit). Menschen mit Schlaflosigkeit haben auch ein höheres Risiko für Depressionen und Angstzustände als Menschen, die normal schlafen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: JAMA Psychiatry – doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.1941

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