- Definition
- Symptome / Zeichen
- Gibt es die Esssucht wirklich?
- Essen kann süchtig machen, Nahrung selbst aber nicht
- Esssucht scheint im Gehirn ‚veranlagt‘ zu sein
- Junkfood-Sucht
- Hedonisches Essverhalten
- Weitere News / Forschungsartikel dazu
Definition
Zwanghaftes Essen (oder Esssucht) ist eine Essstörung und zeichnet sich durch die unkontrollierbare Gier nach Essen (und dem ‚Belohnungskick‘ dadurch) bzw. durch das entsprechende Verhalten, sich einer übermäßigen Nahrungsaufnahme hinzugeben, aus.
Das extreme Essverhalten wird normalerweise mit Verhaltenstherapie oder kognitiver Psychotherapie behandelt.
Symptome und Anzeichen
- Gefühl von Kontrollverlust,
- schnelleres, hastigeres Essen,
- allein essen,
- Schuldgefühle,
- dauernde Beschäftigung mit dem Körpergewicht,
- Depression oder Stimmungsschwankungen,
- rasche Gewichtszunahme,
- deutlich verringerte Beweglichkeit durch Gewichtszunahme,
- Rückzug aus Aktivitäten aufgrund der Essattacken,
- viele verschiedene erfolglose Diäten.
Gibt es die Esssucht wirklich?
24.06.2014 Eine neue Studie hat herausgefunden, dass Frauen mit Gewichtsproblemen in einem Psychologie-Test impulsiver waren und weniger Willenskraft zeigten als durchschnittlich gewichtige Frauen.
Intensivere Stimulation und geringere Willenskraft
Laut den Forschern der Universitäten Würzburg und Luxemburg wurde im Test gezeigt, dass sie instinktiver von Nahrungsabbildungen stimuliert wurden und auch eine geringere Willenskraft hatten.
Die Forscher bemerkten in der Zeitschrift Frontiers in Psychology, dass einige Frauen über eine Gier zu essen berichteten, selbst wenn sie gerade gegessen hatten – ein Symptom einer möglichen Esssucht.
„Alle Süchte sind sich darin ähnlich, dass der Betroffene sich nach dem Kick des guten Gefühls sehnt, den sie durch die chemischen Neurotransmitter erhalten: wenn sie essen, spielen, rauchen, Sex haben oder Drogen nehmen“, sagte Claus Voegele, Professor für klinische und Gesundheitspsychologie an der Universität von Luxemburg.
In ihrem Experiment ließen die Forscher zufällig Abbildungen fetter oder süßer Nahrung – wie Kuchen, Eis, Schokolade – und von Nicht-Nahrungsmitteln – wie eine Rose, ein Telefon, ein Eimer – auf einem Rechnerbildschirm aufblitzen.
Bild: Daniel Friesenecker
Verlangen zu essen, selbst nach einer Mahlzeit
Die Frauen wurden angewiesen, so schnell wie möglich auf entweder die Nahrungsmittel- oder Nicht-Nahrungsmittelbilder zu klicken. Die Frauen mit Gewichtsproblemen zeigten hier unterdurchschnittliche Ergebnisse, berichteten die Forscher.
Die Tests wurden sowohl drei Stunden nach dem Essen oder unmittelbar nach einer Mahlzeit durchgeführt.
Einige der Frauen mit Gewichtsproblemen berichteten, dass der Test selbst, das Verlangen zu essen provoziert hätte, ob sie nun vor kurzem gegessen hatten oder nicht.
„Dies legt nahe, dass einige Menschen eine instinktive, psychologische Prädisposition für Binge Eating bzw. Esssucht haben könnten“, sagte Voegele, wobei andere Forschungsstudien bereits herausfanden, dass dies genetisch und/oder durch Erfahrungen beeinflusst werden kann. „Menschen können zuviel essen, um sich zu trösten, weil sie sich langweilen oder aus der Gewohnheit heraus.“
© PSYLEX.de – Quelle: Universität von Luxemburg, Juni 2014
Aus ‚Die sieben Todsünden‘ von Hieronymus Bosch
Essen kann süchtig machen, Nahrung selbst aber nicht
24.09.2014 Eine neue Studie legt nahe, dass man von Kuchen oder Limonade nicht süchtig werden kann, aber man kann vom Essen (also der Handlung) um seiner selbst willen abhängig werden.
Forscher aus Großbritanien haben entdeckt, dass das Gehirn nicht auf Nahrung in der gleichen Weise reagiert, wie es das auf Drogen wie Heroin oder Kokain tut. Mit anderen Worten: Menschen können zwar abhängig davon werden zu essen, aber nicht von bestimmten Nahrungsmitteln, die viel Zucker oder Fett haben.
In der neuen Studie fand das internationale Forscherteam keine starken Belege für die Abhängigkeit von chemischen Substanzen in bestimmten Lebensmitteln.
Dagegen glauben die Wissenschaftler, dass Menschen einen psychologischen Zwang zu essen entwickeln können, weil das Gehirn es mit positiven Gefühlen verbindet. Dies ist eine Verhaltensstörung und kann ähnlich einer Impulskontrollstörung (z.B. pathologisches Spielen) bzw. Zwangsstörung kategorisiert werden, sagten die Wissenschaftler der Universität Edinburgh in Neuroscience & Biobehavioral Reviews.
Sie fügten hinzu, dass der Fokus beim Angehen des Problems der Fettleibigkeit weg von der Nahrung selbst und hin zu der Beziehung gehen muss, die die Person mit der Handlung des Essens hat.
Die Studienautoren glauben, dass eine formelle Diagnose von Esssucht angemessen ist, aber es wird mehr Forschung benötigt, um eine Diagnose zu definieren. Die Diagnose von Esssucht ist nicht in der aktuellen Klassifizierung der psychischen Störungen enthalten.
John Menzies von der Universität Edinburghs sagt: „Die Leute versuchen rationale Erklärungen für Übergewicht zu finden, und es ist leicht, den Lebensmitteln dafür die Schuld zu geben. Einige Menschen haben eine suchtähnliche Beziehung zu bestimmten Nahrungsmitteln und sie essen zu viel, obwohl sie die Risiken für ihre Gesundheit kennen.
„Es eröffnen sich mehr Behandlungsoptionen, wenn wir dieses Problem als Verhaltenssucht betrachten anstatt als eine substanzbasierten Sucht.“
Suzanne Dickson von der Universität Göteborg, die das Projekt koordinierte, fügte hinzu: „Es gibt eine größere Debatte darüber, ob Zucker suchterzeugend ist. Es gibt gegenwärtig nur sehr wenig Belege, die die Idee unterstützen, dass irgendein(e) Zutat, Nahrungsmittel, Zusatzstoff oder Kombination von Inhaltsstoffen suchterzeugende / abhängig machende Eigenschaften hat.“
© PSYLEX.de – Quelle: University of Edinburgh / Neuroscience & Biobehavioral Reviews, September 2014
Esssucht scheint im Gehirn ‚veranlagt‘ zu sein
08.09.2015 Ein internationale Forschungsstudie hat herausgefunden, dass die sogenannte Esssucht bei fettleibigen und normalgewichtigen Menschen verschiedene Gehirnnetzwerke aktiviert.
Dies legt nahe, dass das Verlangen nach Nahrung im Gehirn von übergewichtigen Personen ‚fest verdrahtet‘ zu sein scheint und damit ein funktioneller Biomarker ist.
Bild: Volker Pietzonka
Ähnlich einer Substanzsucht?
Bislang ist die Behandlung von Fettleibigkeit nicht besonders erfolgreich. Das liegt zum Teil daran, dass die mit dem Wunsch zu essen verbundenen Mechanismen kaum verstanden werden. Jüngere Studien legen nahe, dass die der Fettleibigkeit zugrundeliegenden Gehirnprozesse der Substanzsucht ähnlich sind, und dass die Behandlungsmethoden ähnlich der bei anderen Substanzsüchten – wie Alkoholismus und Drogensucht – sein sollten.
Unterschiede im Gehirnbelohnungssystem
Um dies zu überprüfen, sahen sich Forscher der Universität Granada (Spanien) und der Monash Universität (Australien) die funktionellen Konnektivitätsunterschiede in den Gehirnbelohnungssystemen von 42 normalgewichtigen und 39 fettleibigen Personen an.
Die Teilnehmer erhielten Essen vom Buffet und ihnen wurde später – während sie in funktionellen MRT-Scannern lagen – Fotos der Nahrungsmittel gezeigt, um ihr Verlangen nach Nahrung zu stimulieren.
Die MRT-Scans zeigten, dass das Nahrungsverlangen mit unterschiedlich aktivierten Netzen im Gehirn verbunden war, je nachdem ob der Teilnehmer normal- oder übergewichtig war.
Die Forscher stellten fest, dass bei fettleibigen Personen der Stimulus durch das Nahrungsverlangen mit einer größeren Konnektivität zwischen dem dorsalen Nucleus caudatus und dem somatosensorischen Kortex verbunden war, die eine wichtige Rolle bei den belohnungsbasierten Gewohnheiten bzw. der Kodierung des Energiewerts der Nahrung spielen.
Bei nomalgewichtigen Personen war das Verlangen nach Nahrung mit einer größeren Konnektivität zwischen verschiedenen Teilen des Gehirns – z.B. zwischen dem ventralen Putamen und dem orbitofrontalen Kortex – verbunden.
Die Forscher maßen dann den Body Mass Index (BMI) drei Monate danach und stellten fest, dass 11% der Gewichtszunahme bei den fettleibigen Personen durch das Vorhandensein einer erhöhten Konnektivität zwischen dem dorsalen Nucleus caudatus und dem somatosensorischen Kortex vorhergesagt werden konnte.
Zusammenhang zwischen esssüchtigem Verhalten und Hirnveränderung
Laut Studienleiter Oren Contreras-Rodríguez gibt es eine laufende Kontroverse darüber, ob Fettleibigkeit als „Esssucht“ bezeichnet werden kann, aber es gibt tatsächlich nur sehr wenige Forschungsbefunde, die dies unterstützen bzw. nicht unterstützen.
Die Befunde dieser Studie unterstützen die Idee, dass die den Nahrungsstimuli folgenden Belohnungsprozesse bei Fettleibigkeit mit neuronalen Veränderungen verbunden sind, die jenen bei den Substanzsüchten ähnlich sind.
Biomarker
Dies muss immer noch als ein Zusammenhang zwischen esssüchtigem Verhalten und Gehirnveränderungen gesehen werden; eher als dass das eine das andere verursacht.
Jedoch liefern diese Befunde potentielle Gehirnbiomarker, die wir zur Behandlung von Fettleibigkeit einsetzen können: Zum Beispiel bei Pharmakotherapien und Gehirnstimulationstechniken, die die Nahrungsaufnahme in klinischen Situationen kontrollieren helfen, schloss er.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Granada, Monash Universität, European College of Neuropsychopharmacology; Sept. 2015
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